Über menschliche Größe

Gleichnis zum Thema Erfolg

von  eiskimo

Vor ein paar Tagen ist ein ganz Großer gestorben. Ein Wirtschafts-Lenker. Ein Sanierer. Einer, der wohl ganz viele Firmen wettbewerbsfähig gehalten oder noch wettbewerbsfähiger gemacht hat. Ein Global Player, einer mit Weitblick, dem richtigen Händchen  und der nötigen Überzeugungskraft.
Die Todesanzeigen loben in großen Worten seinen unvergleichlichen Enthusiasmus, seine Leidenschaft, seine strategische Brillianz und auch sein Herzblut.
Dutzende von Anzeigen, große Anzeigen,  in allen renommierten Blättern der Republik, bekunden so ein Höchstmaß an Bewunderung, Dankbarkeit und Respekt für diesen Top-Manager . Kein Zweifel: Er war  ein ausgesprochen hoch verdienter Mensch.
Als mein Vater starb, gab es nur eine kleine, sehr bescheidene Todesanzeige, und die war für meine Mutter schon teuer genug.  Es gab auch nur einen  bescheidenen Text in der Wochenendausgabe unseres Lokalblattes.
Trotzdem: Mein Vater war auch ein Großer. Er hat fünf Kinder großgezogen mit einem sehr kleinen Gehalt. Und ihn interessierte nur ein einziges Unternehmen, das war seine Familie. Für die war er immer da, die hat er auf Kurs gehalten. Seine Bilanz: Überragend.
Ich schreibe das hier nur, damit menschliche Leistung nicht so einseitig gesehen wird.

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Kommentare zu diesem Text

Amaryllis (53)
(04.01.21)
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Hilde (62)
(04.01.21)
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 eiskimo meinte dazu am 04.01.21:
Danke für die positive Rückmeldung! Die "Großen" haben die Kohle, ihre Großtaten in großformatigen Inseraten zu feiern - Du hast dem einen guten Satz entgegen gestellt!
lG
Eiskimo

 niemand (04.01.21)
Ein Wirtschafts-Lenker. Ein Sanierer. Einer, der wohl ganz viele Firmen wettbewerbsfähig gehalten oder noch wettbewerbsfähiger gemacht hat. Ein Global Player, einer mit Weitblick, dem richtigen Händchen und der nötigen Überzeugungskraft.

Was hätte denn dieser "große Lenker", ohne der ihm ergebenen vielen Kleinen [scheinbar unbedeutenden] lenken und machen können? Sich selber lenken? Und da steht doch noch eine Frage im Raum und zwar die, ob seine Taten [diese vielen Lenkungen] auch ein Segen für viele anderen gewesen sind? Vielleicht waren sie auch nur ein Fluch. Das würde man jedoch öffentlich kaum von einer sogenannten Größe sagen. Was die machen ist immer gut
und basta! Mit leicht ironischen Grüßen bezüglich dessen,
niemand

 eiskimo antwortete darauf am 04.01.21:
Du hinterfragst unser auf Effizienz und Wachstum getrimmtes Wirtschaftssystem. Das ist in der Tat die Bühne, wo die "big points" gemacht werden.
lG
Eiskimo
Sätzer (77)
(04.01.21)
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 eiskimo schrieb daraufhin am 04.01.21:
Das sehe ich auch so. Krumm wird es für mich allerdings, wenn mit hohem finanziellen und publizistischen Aufwand eine Person so massiv in den Vordergrund gerückt wird - andere werden dadurch kaum mehr wahrgenommen.
vG
Eiskimo

 Dieter_Rotmund (04.01.21)
Handwerklich gut gemacht, inhaltlich schrecklich.

 eiskimo äußerte darauf am 04.01.21:
Wenn Du das sagst.

 EkkehartMittelberg (04.01.21)
Hallo eiskimo, die Geschichtsschreibung hat sich geändert. Früher galt sie nur Thron und Altären, heute auch dem "Kleinen" Mann. Mit der Erweiterung der Perspektiven wurde der Begriff "Größe" relativ. Du versuchst diese Trendwende breitenwirksam zu machen und das ist gut so.
LG
Ekki

 eiskimo ergänzte dazu am 04.01.21:
Du hebst das auf eine sehr hohe Ebene - Danke! Für mich war einfach nur diese schiefe Wahrnehmung Stein des Anstosses.
LG
Eiskimo

 Vaga (04.01.21)
Ein Text, der nachdenklich macht und das eigene diesbezügliche Denken hinterfragt.
Allen 'Großen' gegenüber bin ich äußerst skeptisch. Mögen sie in der Öffentlichkeit eine Bedeutung haben oder im persönlichen Umfeld. Denn häufig werden Menschen in den Himmel gehoben, in dem es noch nicht einmal Götter gibt. Gruß - Vaga

 eiskimo meinte dazu am 04.01.21:
Vielleicht ist das in den Menschen angelegt, dass sie woanders jene "Größe" suchen, die sie ja selber mit erhebt .
Deine Skepsis ist sehr berechtigt.
vG
Eiskimo

Antwort geändert am 04.01.2021 um 13:23 Uhr

 franky (04.01.21)
Hi lieber Eiskimo,

Durch massiven Stellenabbau wurde der Gewinn optimiert und auf Kosten des kleinen Mannes den Reichen noch mehr Dividenden ins Maul geschaufelt.
Wie vielen Familien wurde das tägliche Brot aus den Händen gestohlen, um einen globalen
Riesen noch mehr Glanz zu verschaffen.
Für den würde eine kleine, einzeilige Anzeige im Tagesanzeiger genügen.

LG Franky

 eiskimo meinte dazu am 04.01.21:
Du bringst hier die soziale Frage ins Spiel, lieber Franky. Ist dafür Platz im Rennen um die höheren Marktanteile? Und wenn ja, wie viel....
lG
Eiskimo

 Graeculus (04.01.21)
Immerhin: Ganz ohne gelenkte Publicity ist der Tod einer sehr sympathischen und bewundenswerten Frau durch die Medien gegangen: Agitu Ideo Gudeta.
Als ich darüber in der Zeitung las und meine Frau, die andere Medien benutzt, darauf ansprach, wußte sie es bereits. Anscheinend ist das Schicksal einer äthiopischen Ziegenhirtin in Italien wirklich um die Welt gegangen.

Kommentar geändert am 04.01.2021 um 13:59 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 04.01.21:
Leider wurde sie erschlagen. Aber sie war auch vor ihrem Tod schon eine Berühmtheit in Italien. Und ihr Ruhm basiert auf einer ungleich anderen leistung.

 AZU20 (04.01.21)
Er bleibt immer in eurer Erinnerung und nur das ist wichtig. LG

 eiskimo meinte dazu am 04.01.21:
Ja, stimmt! Man muss ja nicht alles messen und vergleichen. Vieles entzieht sich dem ja auch.
Gruß Eiskimo

 AchterZwerg (05.01.21)
Inhaltlich stimme ich zu.
Obwohl es durchaus gesellschaftsprägende, bewundernswerte Unternehmer gibt. Manche davon haben mit ihrem Werk in der Küche angefangen (TEVES). Oder nehmen wir den Herrn Götz (dm)...
Warum sollten, die keinen "angemessenen" Nachruf erhalten?

Liebe Grüße
der8.

 eiskimo meinte dazu am 05.01.21:
Bei dem angemessenen Nachruf für verdiente Unternehmer stimme ich Dir wiederum zu - völlig klar.
Im aktuellen Fall, der mich provoziert hat, gab es nur diese enorme Häufung von im Grunde gleichlautenden Anzeigen durch all die Firmen, die der Gute mal saniert hatte - wie gesagt: großformatig - dass meine Frage nach dem menschlichen Rang sich geradezu aufzwang.
lG
Eiskimo

 Terminator (05.01.21)
Auf deinen Vater trinke ich einen Ardbeg! In der vaterlosen ultradekadenten Gesellschaft vergammeln die Söhne und vernutten die Töchter; die seriöswissenschaftlichen Untersuchungsforscher sagen, dass kein Kindheitstrauma sich auf das spätere Leben eines Kindes so negativ auswirkt wie das Leben mit einer alleinerziehenden Mutter.

Echten Vätern kann man nicht genug danken und sich nicht glücklich genug schätzen, wenn man so einen Vater hatte.

 eiskimo meinte dazu am 05.01.21:
Was meinen Vater angeht, da trinke ich gerne einen mit!

 UtaBossan (05.01.21)
Der Text gefällt mir. Gedanken, die mir selbst oft durch den Kopf gehen, wenn über Schicksale der Reichen und Schönen in den Medien berichtet wird. Aber solange wir selbst nicht vergessen, was wir und andere täglich leisten abseits des allgemeinen Interesses ist alles gut.
Liebe Grüße Uta

 eiskimo meinte dazu am 05.01.21:
Selbstwertgefühl entwickeln und sich nicht blenden lassen von den sog. Promis - ich glaube, wir sind uns da einig.
Danke für Deinen Kommentar!
Eiskimo
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