Wie einer meiner sauigsten Träume platzte

Anekdote zum Thema Normen und Werte

von  eiskimo

„Ich hatte einen sauigen Traum.“
Im Büro wird es schlagartig still. Die Köpfe fahren hoch.
„Ich hatte einen echt sauigen Traum!“
Der alte Kolvenbach mir gegenüber, der grinst erwartungsfroh. Martinek, am Tisch dahinter, schwingt ruckartig seinen Drehstuhl in meine Richtung. Neugierig blitzende Augen.  Sogar Kollegin Steffen, die unnahbare, schaut unter ihrer strengen Cartier-Brille interessiert auf. Endlich sieht sie mich mal.
Kolvenbach, richtig zu Leben erwacht, nickt mir auffordernd zu. „Ja komm, erzähl!“
„Man gönnt sich ja sonst nichts,“ höre ich Martinek feixend  - die Vorfreude auf schlüpfrige Details steht ihm ins Gesicht geschrieben. Prompt rollt er ein Stück näher. Selbst bei meiner Steffen regt sich tatsächlich ein dezent neugieriges Schmunzeln.
Nur Droste, unser Ehrgeizling, der morgens immer schon um Sieben da ist, damit er ja seinen  Parkplatz bekommt, der lässt die Finger nicht vom Computer. Er unterbricht nur kurz sein flinkes, fast geräuschloses Zehn-Finger-Tippen – da ist er stolz drauf, dass er das so souverän beherrscht – alle anderen,  die mühsam nur mit zwei Fingern hacken, seien bloß Grobmotoriker, wie er gerne schon mal anmerkt – dieser Droste blickt also nur kurz verächtlich auf. Und dann kommt in seiner Oberlehrer-Spaßbremsenstimme knapp und eisig:
„Mit Ich fängt man keine Geschichte an – das ist doch schon rein formal völlig daneben!“
Meinen Traum habe ich dann  für mich behalten. Der passte einfach nicht mehr in diese streng zurechtgerückte Welt.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (05.01.21)
Eine meisterhaft erzählte Anekdote. Interessant, wer sie empfiehlt.
LG
Ekki

 eiskimo meinte dazu am 05.01.21:
Danke!
Es gibt auch Leute, die stehen im Drei-Sterne-Restaurant empört wieder auf, weil sie auf der Speisekarte einen Rechtschreibfehler entdeckt haben.
Ich schätze mehr die anderen, die sich für die eigentliche Kochkunst interessieren.
lG
Eiskimo

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 05.01.21:
Mir scheint, die machen aus der Not eine Tugend, damit es sich gelohnt hat, dass sie sich ein paar Regeln eingepaukt haben.

 Moja (05.01.21)
Die Anekdote las ich mit Spannung und Vergnügen, trefflich geschildert das allzu Menschliche.

Gute Grüße,
Moja

 eiskimo schrieb daraufhin am 05.01.21:
Danke, liebe Moja. Der Autor dankt (ICH mag er gar nicht mehr benutzen...)
lG
Eiskimo

 Dieter Wal (05.01.21)
Doch wir sind würdig.

 AchterZwerg (06.01.21)
Ha, ha, ha.

So kann es mit den Ferkeleien gehen; Sie werden schon im Vorfeld geschlachtet!

Vegetarische Grüße
der8.

 TassoTuwas (06.01.21)
Es sind immer die Minderheiten, die die schönsten Erwartungen zerstören
LG TT
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