Reden ist Mist

Brief zum Thema Kommunikation/ Dialog

von  Terminator

Das beste wäre, wenn auf diese Überschrift kein Text folgte, denn wer nicht mit eigenem Beispiel vorangeht, redet nur, anstatt das Gesagte vorzuleben. Worte sind immer überflüssig, Taten verstehen sich von selbst. Die Sprache wurde erfunden, um Wissen in erst verbaler dann schriftlicher Form weiterzugeben, - sie ist aber zu einem zwischenmenschlichen Kommunikationsinstrument verkommen, und schafft eine gefährliche Illusion von gleichen Wellenlängen und möglichen Freundschaften, von mitteilbaren Gefühlen und sinnvollen Zusammenhängen, wo keine sind. Die Sprache lügt immer, wenn sie verspricht, Einsamkeit sei überwindbar.

Die Sprache scheitert, wenn es darum geht, Persönliches mitzuteilen, denn es lässt sich nichts sinnvoll sagen, was das Gesagte nicht auf triviale Allgemeinheiten herunterbrechen würde. Das Scheitern der Sprache im Individuellen ist die Kehrseite des Erfolgs der Sprache als Mittel zu allgemeinen Erkenntnissen. Sprache ist da, um all das mitzuteilen, was von allgemeiner Bedeutung ist: Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kunst unterliegen objektiven, allgemeinen Gesetzen. Als Logik und Mathematik dient Sprache der Wissenschaft, als Handelssprache wird sie von der Wirtschaft benutzt, als Befehlssprache in Politik und Kriegskunst, als lyrische Stimme zeigt sie schließlich die allen gemeinsame menschliche Natur.

Sprache ist immer Monolog, niemals Dialog; ein alltagsüblicher Dialog besteht aus einem schnellen Wechsel von Monologen, und ist umso weniger lästig, umso mehr die Monologe bloße Zerologe sind: man sagt etwas, aber man spricht nicht miteinander, etwa wie an der Supermarktkasse. Die Sprache hat ihre wahre Bestimmung erreicht, wenn niemand spricht: ein Zerolog, ein automatisches Aufsagen von Sätzen, ist die Erlösung vom Fluch der Kommunikation. So wie die korrekte Antwort auf ein Dankeschön ein Bittesehr ist, ist ein Wiegehtesdir mit einem wie aus der Pistole geschossenen Gut zu beantworten. Wer dieses einfache Gesetz nicht beherrscht, faselt nur, wie klug, neu und interessant seine Rede auch sein mag.

Wer Schamgefühl besitzt, fühlt sich nach jedem persönlichen Gespräch unwohl. Wer die Kunst beherrscht, persönliche Gespräche automatisch zu führen, wird die Gesellschaft von Menschen nicht als belastend empfinden. Es ist egal, ob hohles Geschwätz oder gehaltvolle Rede: sobald Sprache zwischenmenschlich wird, wird das Gesagte selbst zum Mittel herabgesetzt, und das Gespräch wird zum Zweck. Wer also anderen Menschen etwa die Idee der Freiheit und Menschenwürde mitteilen will, muss es in einem schriftlichen oder verbalen Monolog tun, - mit einer öffentlichen Rede oder in einem Buch.

Es ist ein großer Fehler, zu meinen, man müsste nur die passende Gesellschaft suchen, - und wenn man endlich Menschen findet, die einen verstehen, dann kann man, so irrt man, endlich Gespräche führen, die man hinterher nicht bereut. Die Unmöglichkeit, als der, der man ist, verstanden zu werden, resultiert daher, dass die Sprache, die man benutzt, um als dieser Einzelne, der man ist, verstanden zu werden, ihrem Wesen nach dazu da ist, um das Allgemeine verständlich zu machen, - der Einzelne geht in der Sprache stets unter.

Durch die Sprache werden Freundschaften oder Liebschaften nicht begründet, sondern auseinandergerissen; nach dem ersten längeren Gespräch fallen Freunde oder Geliebte in ihre ursprüngliche Einsamkeit zurück. Sprache verbindet nicht, sie stößt Menschen voneinander ab, so dass sie nach einer durch das Gespräch bewirkten Illusion der Nähe einander noch ferner sind, als sie es als Unbekannte jemals sein könnten. Wer einem sympathisch ist, dem sehe man wortlos in die Augen, berühre seine Hand, führe ihn auf einem Weg und zeige ihm, was einen bewegt, lebe ihm vor, was einem als gut und richtig vorschwebt. Doch wer zu dem Anderen spricht, stößt ihn von sich ab: die Sprache ist nur insofern eine zwischenmenschliche Angelegenheit, als dass sie eine Kluft zwischen Menschen aufreißt, und mit jedem Gespräch, mit dem man versucht, diese Kluft zu überwinden, sie nur immer weiter vertieft.


Anmerkung von Terminator:

"Der Reiter frug,
das Weltall schwieg".
Wolfram D. Rowthenerieth

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (25.01.22, 13:53)
"schreiben ist mist!" sprach thamus einst zu theut,
dem schrifterfinder - der war nicht erfreut.

https://www.hyperkommunikation.ch/literatur/plato_phaidros.htm
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram