Ein Hund ist auch nur ein Politiker
Wenn Hunde sich nicht mögen, dann gibt es schlechtestenfalls Kasalla. Wenn sie sich aber mögen, dann gründen sie eine Gruppe, schlechtestenfalls eine Partei. Die Interaktionen sind je nach Gemüts - und Charakterveranlagung der Spezies sehr unterschiedlich und höchst interessant zu beobachten. Was sie alle eint, ist die Anbetung des Alphatieres, bei der stärksten Partei unseres Landes, die starke Dogge, die zwar mit ihren herabhängenden Lefzen Missmutigkeit und Desinteresse ausstrahlt, die aber alles im Blick hat und im Griff. Hellwach dirigiert sie das Rudel mit Strenge und absoluter Gehorsamserwartung. Wer möchte wohl einer Dogge widersprechen?
Sicherlich nicht die niedlichen, verspielten Kleinhündinnen, die sie um sich schart und für die sie wie eine Mutter sorgt. Die putzige, stets gut frisierte Toy-Pudelhündin zum Beispiel, die sie schon auf mehrere Couchposten hob und letztlich, da ihre Leistungen mäßig waren, in Europa entsorgte. Ersetzt wurde ihre Rudelposition von der treuherzig dreinblickenden Cockerdame, nicht dumm, aber unerfahren im Geschäft und zu Anfang ziemlich vorlaut. Mit einem kühlen Blaff muss die Dogge ihr wohl irgendwann Schweigen verordnet haben und nun schweigt sie halt. Geschickter im Auftritt ist die zierliche, schöne Whippet mit ihren galanten, kunstvollen Sprüngen, die es immer wieder schafft, riesige Trecker-Protestkolonnen zu ignorieren und unter deren Fuchtel die Milchbauern immer weniger werden. Auch der Tierschutz interessiert sie wenig. Als ehemalige Weinkönigin achtet sie vor allem auf Optik und das zieht.
Die Rüden kommen erst in der zweiten Reihe. Ruhig ob seiner jahrelangen Erfahrung liegt der treu ergebene Bulldog, der zunächst die Energiewende vergeigte und nun die Wirtschaft heil durch Corona bringen soll, an der Seite der Dogge. Er sabbert ein bisschen und es sieht aus, als ob er ständig lächelt. Tut er aber nicht. Im Streitfall kann er recht ungemütlich werden und sein Gebiss mit einer Tonne Beißkraft lässt ihn ganz entspannt auf weitere Befehle warten.
Am Rande der Couch hechelt jedoch der markante Dobermann. Er fixiert, schaut starr - Alarmzeichen, nicht verträglich. Ein Hund, der sich nicht durch besondere Klugheit auszeichnet, jedoch durch Zielstrebigkeit und der festen Überzeugung, der Größte zu sein. Seine Chancen stehen gut, denn er verbellt die Dogge nicht mehr. Er hat gelernt, wie das Spiel geht und gilt jetzt als beliebtester Hund beim Wählervolk. Wer immer das herausgefunden haben will
Wie auch immer kämpft er Seite an Seite mit einem niedlichen Cavalier King Charles, der jedem die Hand leckt und bei dicker Luft schnell hysterisch wird, um die Leitung der Gruppe. Wer könnte diesem Paar nicht seine Liebe geben?
Am Tisch, kurz vor der Couch, wartet ein Außenseiter, ein afghanischer Windhund. Schnell, zäh und marathongestählt musste er beim ersten versuchten Sprung auf die Couch der Cockerdame den Vortritt lassen und zog sich zurück. Für schmutzige Kämpfe ist der Windhund nicht der Typ. Nun kommt er wieder, könnte gut für das Rudel sein, ist unbelastet, gewitzt und schnell. Das ist jedoch nicht der Punkt
Er moniert die katastrophale digitale Situation im Land. Zu recht. Aber die adrette, gepflegte Ponterrierhündin aus Bayern, die wohl besser ins Körbchen zuhause ginge als auf die große Bühne, sagt nichts dazu. Zu sehr wird er es aber mit der Kritik nicht übertreiben, denn es ist davon auszugehen, dass sich ein Deutscher Boxer quer vor die Kleine stellt, um sie zu schützen. Mit diesem Alpharüden muss sich der Windhund gut stellen. Doch große Alpharüden checken sich gerne ab und vermeiden die schmerzhafte Konfrontation mit etlichen Bissen. Man darf also gespannt sein
Sie alle wollen bleiben und bei der Showbühne der Herzen im September, moderiert von Silvio Silbereisen, dabei sein und punkten. Doch die Konkurrenz schläft nicht und wartet im Außengelände. Der ewig kläffende Chihuahua mit dem grünen Mäntelchen, rotzfrech und kaum zu stoppen. Ob das schrille Gekeife ihn nervt, das lässt sich ihr von Grund auf sanfter und ausgeglichener Kumpel, der Golden Retriever, nicht anmerken. Ein zauberhaft hübscher Hund, dessen lang bewimpertem Augenaufschlag niemand widerstehen kann. Er würde jeden Einbrecher mit Wedeln begrüßen, ein echter Herzensbrecher. Gemeinsam wollen sie ganz nach oben. Wenn sich jedoch der Wähler vorstellt, dass dieser Chihuahua die Position der Dogge einnehmen könnte, dann könnte er das Leckerchen womöglich in der Tasche lassen.
Von rechts stellt sich eine Hundestaffel deutscher Schäferhunde auf, bellt bedrohlich. Trotz des ewigen Images des fürsorglichen Schutzhundes steht er jedoch in der Beißstatistik ganz vorne und schlechte Erfahrungen mit ihm minimieren seine Chance Gott sei Dank auf Null.
Auch von links bringt sich eine Meute in Stellung. Undefinierbare Mischlinge, die kein Profil mehr haben und die man schlecht einschätzen kann. Harmlose Lieblinge vergangener Zeiten, für immer im Herzen die abendlichen Spaziergänge im Pütt. Bedrängt jedoch heute im ganz linken Spektrum von abgehalfterten Grenzhunden der DDR. Kaum zu erwarten, dass Silvio die in seiner Show nach oben puscht, nicht mal, wenn einer davon Helene heißt.
Einzig der Dackel, der ist bei all dem nicht dabei. Der Hundekenner fragt sich nicht, weshalb das so ist. Obwohl der Dackel sich durch Pfiffigkeit, Klugheit, Hartnäckigkeit auszeichnet, so ist er doch zu gradlinig. Es mangelt ihm stark an Lust, sich zu ducken, gar auf Anpfiff zu gehorchen. Er gibt nicht Pfötchen und macht nicht Männchen und es fehlt ihm jeglicher Respekt vor großen Tieren.
Er sucht sich seine Couch selbst aus und deshalb sitzt er vor dem Fernseher und schaut sich spottend das ganze Spektakel an.
Anm. Bei dem. der sich nun beleidigt fühlt und seine Lieblingshunderasse degradiert sieht, weil seine Spezies mit einem Politiker gleich gesetzt wurde, bei dem möchte ich mich entschuldigen. Jeder hat seinen Liebling und der ist natürlich am besten!