Zeitungsverkäufer

Text zum Thema Achtung/Missachtung

von  Moja

Ein frühsommerlich warmer Tag, die Luft im S-Bahnwagen ist schwül. Ein Zeitungsverkäufer geht durch den Waggon, seine Kleidung, in allen Schichten der Vernachlässigung, dünstet einen aufdringlichen Geruch aus. Im jammernden Tonfall wankt er von Sitzreihe zu Sitzreihe und hält die Obdachlosen-Zeitung für einen Euro fünfzig den müden Fahrgästen vor die Augen. „Ich habe seit zwei Tagen nicht mehr geduscht“, klagt er, „denn Duschen kostet am Bahnhof einen Euro.“ Eine Frau hält die Luft an, als er neben ihr stehenbleibt. „Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere…“, leiert er seinen Spruch herunter. „Oder eine kleine Spende bitte für eine kleine Dusche“, jammert er weiterwankend. Die Fahrgäste schauen gleichgültig aus dem Fenster. „Oder für einen kleinen Kaffee.“ Er hält abwartend inne.  „Oder für ein kleines Frühstück, nur eine kleine Dusche, bitte, einen kleinen Kaffee – oder ein kleines Mittagessen, einen kleinen Kaffee…“, hallt sein Ruf durch den Wagen, während er immer kleiner und seine Stimme leiser wird.

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Kommentare zu diesem Text

Sätzer (77)
(27.01.21)
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 DanceWith1Life meinte dazu am 27.01.21:
heute ausnahmsweise Wallace & Gromit, das schwarze Schaf, in einer Nebenrolle, "dersätzer" oder war das ätznatron, "zersetzer"

 Moja antwortete darauf am 27.01.21:
Aber Sätzer, ich muss doch bitten! Das ist ein Mensch, der tatsächlich schlimm dran ist, einer von vielen hier.

Gruß aus der Berliner Luft,
Moja
Sätzer (77) schrieb daraufhin am 27.01.21:
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 Moja äußerte darauf am 28.01.21:
Klar weiß ich, wie Du es gemeint hast, so dachten bestimmt auch einige Fahrgäste, aber trotzdem, wenn er "die arme Sau" ist, was sind wir dann? Seufz...

 Dieter_Rotmund (27.01.21)
Berlin?

 Moja ergänzte dazu am 27.01.21:
Ja, Berlin.

 EkkehartMittelberg (27.01.21)
Hallo Moja, der Schluss verdichtet die Teilnahmslosigkeit sehr gut.
Liebe Grüße
Ekki

 Moja meinte dazu am 27.01.21:
Danke Ekki, was er nicht wusste,
er war schon der Sechste in dieser Bahn.

Liebe Grüße,
Moja

 DanceWith1Life (27.01.21)
Also wenn es Museen aller möglichen menschlichen Errungenschaften gibt, dann doch sicher auch bald die "Gruseleen des Alltags" und die S-Bahnen bekommen eine Ehrengallerie.

 Moja meinte dazu am 27.01.21:

 DanceWith1Life meinte dazu am 07.02.21:
lach, ok, das ist persönlich, ich fand Bus und Tram schon gespenstisch, alle starren aus den Fenstern, wahrscheinlich haben sich deswegen die mobiles so durchgesetzt, endlich konnte man wegtauchen.
Und S-und U-bahnen waren ja dann unterirdisch.

 Didi.Costaire (27.01.21)
Es geht ja los wie bei Queneau, dann folgt ein Bruch.

Ich hoffe, er hat wenigstens noch einen Kameraden, der am Bahnhof auf ihn wartet...

Beste Grüße,
Dirk

 Moja meinte dazu am 27.01.21:
Leider keine Stilübung, nur Alltag in Berlin, besonders er bräuchte einen guten Kumpel.

Danke und Grüße,
Moja

 harzgebirgler (03.02.21)
wer da nicht einen euro gibt
macht sich bei gott recht unbeliebt.

lg
harzgebirgler

 Moja meinte dazu am 03.02.21:
Nächstenliebe reicht oft nur für die eigene nahe Nase,

lieben Gruß & Dank,
Moja
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