Ein Freund und viele Feinde

Anekdote zum Thema Behinderung

von  Thomas-Wiefelhaus

Klaus-Peter ging regelmäßig zur Arbeitstherapie im Keller der Klinik, und hatte Tomas eingeladen, einmal mitzukommen. Er wusste von Tomas Vertrag mit der Ärztin, dass er von nun an regelmäßig zur Beschäftigungstherapie gehen sollte. „Darfst du denn dann überhaupt mit mir zusammen in die Arbeitstherapie gehen?“
„Ob Arbeits- oder Beschäftigungstherapie ist ihnen sicher egal!“ meinte Tomas. „Die wollen bloß sehen, dass ich auch tagsüber was mache. Also, geh’ ich heute einfach mit dir mit!“
Klaus-Peter stellte Tomas einen älteren Patienten vor: „Das ist Fritz!“ – Sie reichten sich die Hände. – „Fritz kommt auch mit!“
                                                                                                        *
Sie arbeiten zu dritt nebeneinander und unterhalten sich. Tomas möchte wissen, wie viel Geld die beiden für ihre Arbeit bekommen. Nur ein paar Mark in der Woche sind es.
Fritz wird unruhig. Er steht auf, blickt verstört um sich. – Ruft laut: „Helft mir!“
Fritz schlägt, er schlägt in die Luft. In alle Richtungen. Es scheinen gleich mehrere Angreifer zu sein.
„Nun helft mir doch!“
Tomas schaut hilflos Klaus-Peter an.
Klaus-Peter kennt das schon. „Ruhig Fritz“, sagt er, und arbeitet gelassen weiter, während Tomas ganz erschrocken hochguckt, und mit dem Arbeiten aufgehört hat.
„Ruhig Fritz!“ wiederholt Klaus-Peter. „Sei jetzt ganz ruhig! Es ist nichts!“
Die unsichtbaren Feinde scheinen sich noch zu vermehren, die Bewegungen werden heftiger. – Fritz ächzt und stöhnt.
Auf einmal ist der Spuk vorbei.
Fritz setzt sich wieder, Schweißtropfen perlen ihm von der Stirn.
„Warum habt ihr mir denn nicht geholfen?“ fragt er, und schaut Tomas und Klaus-Peter an, mit einem sehr verständnislosen und entgeisterten Gesichtsausdruck.
„Warum habt ihr mir denn nicht geholfen?“ – Er ist von seinen Freunden enttäuscht.

Tomas findet die Arbeit stupide: In einer kleinen Vorrichtung werden Plastik- und Elektroteile verbunden. Er braucht bloß die Teile einlegen, Hebel ziehen, entnehmen – fertig!
„Es ist immer dasselbe! Wie langweilig!“ – Morgen will er wieder zur Beschäftigungstherapie gehen.


Anmerkung von Thomas-Wiefelhaus:

Dieser kleine Text gehört eigentlich als Ergänzung noch zu dem Mehrteiler "Start eines angeblich geistig behinderten Minderjährigen ins Arbeitsleben. "
Werde sie später einordnen.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (18.02.21)
Hallo Thomas, weißt du, ob Fritz wegen seiner Phobie behandelt wurde?
LG
Ekki

 Thomas-Wiefelhaus meinte dazu am 18.02.21:
Gute Frage!
Die Behandlung war oft selber das Problem. Es gab da so einen "Arzt" der wahnsinnig hohe Dosierungen verschrieb. Einen 14-Jährigen 20 Pillen am Tag; und wie ich erst kürzlich las, einem Erwachsenen 40 Pillen am Tag. Das machte nicht jeder Arzt, es konnte auch sein, dass die Medikation von einem Tag auf den anderen komplett wechselte, wenn ein Arzt in Urlaub fuhr. Alles sehr willkürlich.

Fritz bekam sicher Medikamente und zum Glück nicht so hohe, das er nicht zur Arbeits-Therapie gehen konnte. Ich bezweifel aber, ob er wirklich die richtigen Medikamente bekam, weil seine haben ja offensichtlich nicht gewirkt.

Ich glaube, der einzige, der über Monate wirklich gar nichts nicht mehr bekam, war ich, nachdem ich mich monatelang mit Händen und Füssen gegen den Unsinn gewehrt habe.

Medikamente wirken auch nicht immer.
Habe auch schon von einem Patienten späterer Jahre gehört, er habe vor Psychopharmaka kaum mehr stehen und gehen können, aber immer noch Stimmen gehört.
Die Praxis ist oft sehr anders, als es sich die Theoretiker vorstellen wollen.

Aber jetzt habe ich eigentlich schon mehr verraten, als ich wollte.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 19.02.21:
Vielen Dank für deine umfassende Antwort.
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