Radio Eriwan interviewt den Lenz

Dialog zum Thema Jahreszeiten

von  EkkehartMittelberg

Radio Eriwan: „Hallo Herr Lenz, wir wissen, dass Sie derzeit mit Siebenmeilenstiefeln durch die Lande eilen. Hätten Sie dennoch ein paar Minuten Zeit für uns?“

Lenz: „Im Prinzip nicht, aber für Sie immer.“

Radio Eriwan: „Sie sind bekannt für ihre Launen. Welcher Laune geben Sie am liebsten nach?“

Lenz: „Frauen Ungereimtes träumen zu lassen, zum Beispiel vom Hühnchen mit Kaninchenohr.“

Radio Eriwan: „Warum verwirren Sie die armen Damen?“

Lenz: „Sie haben den Männern längst nachgewiesen, dass sie eben so klar denken können. Aber sie nehmen sich keine Zeit mehr zum Träumen und ich zeige ihnen wieder, wie schön das ist. Wenn Frauen träumen, werden die harten Konturen der Welt weicher. Das tut auch den Männern gut.“

Radio Eriwan: „Herr Lenz, wenn Sie in Corona-Zeiten einen Wunsch zum Verhalten der Menschen frei hätten, was würden Sie sich wünschen?“

Lenz: Ich wünschte mir,  dass die Menschen wieder mehr singen würden, zum Beispiel ganz allein in der Badewanne, um niemanden zu gefährden.“

Radio Eriwan: „Was versprechen Sie sich davon, Herr Lenz?“

Lenz: „Corona erzeugt Ängste und macht depressiv. Singen hilft, bedrückte Seelen zu entlasten.“

Radio Eriwan: Wünschen Sie sich auch, dass die Menschen weiter Gedichte über Sie schreiben?“

Lenz: „Ja, obwohl ich das eigentlich nicht nötig hätte, denn es gibt Zehntausende Lenz-Gedichte und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand etwas wirklich Neues bringt, ist sehr gering. Aber ich freue mich über jeden Versuch, auch über die nicht originellen.“

Radio Eriwan: „Heißt das, dass Sie sich jeden Kitsch bieten lassen?“

Lenz: „Ach wissen Sie, naive Kitschschreiber bekunden mir doch ihre ehrliche Begeisterung. Die ist mir wichtig und ich sehe über den Kitsch hinweg, weil die Natur selbst kitschig ist. Das sehen Sie doch an manchen Sonnenuntergängen, deren Maler sie getreu kopiert haben.
Außerdem brauche ich mich über Kitsch-Produzenten gar nicht zu entrüsten. Das besorgen schon die Kunstkritiker, die mit Anfängern etwas nachsichtiger sein dürften.“

Radio Eriwan: „Herr Lenz, dann rechnen Sie auch in diesem Jahr wieder mit zahlreichen neuen Frühlingsgedichten?“

Lenz: „Nur her damit. Ich lasse mir gerne schmeicheln und nichts Menschliches ist mir fremd.“

Radio Eriwan: „Herr Lenz, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns, dass Sie sich jetzt keinen lauen Lenz machen, denn Sie wissen ja, wie sehnsüchtig die Menschen Sie erwarten.“

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Kommentare zu diesem Text


 IngeWrobel (26.02.21)
Im Prinzip ist ja ein lauer Lenz eine gute Sache ... findet
Inge

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.02.21:
Merci, Inge, lassen wir ihn durchs offene Fenster wehen.
LG
Ekki

 IngeWrobel antwortete darauf am 26.02.21:
Gerne lasse ich den holden Lenz zum Fenster herein.
Überhaupt nicht gerne jedoch, wenn – wie zur Zeit – der Bau-Feinstaub von gegenüber je nach Windrichtung zu mir geblasen wird. Da hilft dann nicht einmal das Schließen der Fenster – der dringt durch alle Mauerritzen...
Momentan kann ich die Fenster öffnen, da drüben Pause ist. So bekommst Du von mir staubfreie Lenzgrüße!
Inge : )

 Thomas-Wiefelhaus (26.02.21)
Die Natur selber ist ein große KünstlerIn, die/den ich nicht als kitschig empfinde; bunt, aber auch oft knüppelhart. Ein wahres Vorbild?

Kommentar geändert am 26.02.2021 um 10:31 Uhr

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 26.02.21:
Hallo Thomas, wenn ich geschrieben habe, dass die Natur selbst kitschig sei, so ist das ironisch gemeint.
Die wenigsten Künstler bilden sie naturalistisch ab. Ich denke mit Recht.

 AZU20 (26.02.21)
Ja, was für ein Lenz dieses Jahr. Bitte ab jezt jedes Jahr. LG

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 26.02.21:
Dank Armin, ich versuche, es ihm nahe zu legen, verspreche mir aber keinen Erfolg.
LG
Ekki

 Didi.Costaire (26.02.21)
Hallo Ekki,

die Zeiten ändern sich und in postsozialistischen Zeiten muss Radio Eriwan die Fragen selbst stellen. Im Prinzip ist das auch gut, denn der Lenz kommt einfach mehr aus sich heraus als der armenische Staatssender.

Liebe Grüße,
Dirk

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 26.02.21:
Merci, Dirk, hoffen wir, dass alle Sender zur Veränderung bereit sind.
Liebe Grüße
Ekki
Sin (56)
(26.02.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.02.21:
Gracias, Sin, Kitsch hin oder her, tolerante Menschen tun sich damit nicht schwer.
LG
Ekki

 harzgebirgler (26.02.21)
der lenz kann froh sein daß wir nicht nur sprache haben
sondern dazu auch noch die passenden buchstaben
sonst würde von ihm ja kaum eine/r was wissen
und ihn jahr für jahr nicht sehnsüchtig vermissen.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.02.21:
Grazie, Henning,

Lenz bleibt der Dichter liebstes Kind,
er kitzelt ihre Fantasie geschwind,
Verjüngung immer wieder neu zu preisen
und trotz Corona fiktiv zu reisen.

LG
Ekki

Antwort geändert am 26.02.2021 um 19:22 Uhr

 GastIltis (27.02.21)
Lieber Ekki,


die Kultur machte zu bestimmten Zeiten schon immer kleine Unterschiede. Ich jedenfalls kannte das ungefähr so (Ausschnitt):


Anfrage an Sender Jerewan: Stimmt es, dass der Lenz mit Sonderrechten bezüglich der Reisegeschwindigkeit gegenüber der übrigen werktätigen Bevölkerung ausgestattet werden soll?

Im Prinzip ja. Aber infolge von Verpflichtungen einzelner Kollektive im Rahmen der Bewegung „Schöner unsere Städte und Dörfer im Lenz!“ werden zur Stabilisierung von Wachstumsuntersuchungen Ausnahmeregelungen zugelassen.

Oder:
Stimmt es, dass von Partei und Regierung angenommen wird, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu Bevorzugungen weiblicher Werktätiger bei der Versorgung mit Lebensmitteln geführt hat?

Im Prinzip ja. Aber die Forderung nach mehr Individualität hat zu einem Umdenken in der Form geführt, dass die weiblichen Werktätigen eine freiwillige Einbeziehung männlicher Familienangehöriger in die Verpflichtungen zum bevorstehenden Frauentag am 8.März in die Praxis umsetzen wird.

Oder:
Stimmt es, dass das Gesundheitsverhalten quer durch die Bevölkerungsschichten in unserer Republik durch Einflüsse aus den westlichen Ländern mit hohem Risiko- und Suchtpotential negativ beeinflusst werden könnte oder ist das System ideologisch so stabil, dass für die breiten Massen keine Nachteile erwachsen können?
Im Prinzip ja. Aber die Direktiven von Partei und Regierung und besonders der achtundzwanzigste SED-Parteitag haben gezeigt, dass man diese Einflüsse auf Grund unserer bisherigen Sicherungsmaßnahmen nicht beachten muss.

Und schließlich:
Stimmt es, dass die Anfragen an ihren Sender von Journalisten und als Journalisten verkleideten Träumern, Scharlatanen, Schaumschlägern und Schlafwandlern künftig nicht mehr zur Kenntnis genommen werden sollen, weil sie nicht nur der Sowjetmacht, sondern dem gesamten sozialistischen System einen Schaden zufügen wollen?
Im Prinzip ja. Aber es gibt Zeiten, in denen auch der sozialistische Mensch die Erhabenheit seiner Gefühle und das Bewusstsein seiner Überlegenheit über kleinliche Fragen wie die Neugier oder scheinbare Freundlichkeit zurückstellt und einfach seine ihm angeborene Menschlichkeit durchschimmern lässt, um nicht den Anschein von Starrsinn und übertriebener Sturheit zu erwecken.

Danke sehr, die Fragen übersetzte der freischaffend laufende GastIltis.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.02.21:
Lieber Gil, deine Fragen und Antworten an Radio Eriwan sind phänomenal gut und zu schade, dass sie hier relativ wenig beachtet bleiben, Ich würde sie schon deshalb extra einstellen, weil die meisten westdeutschen Intellektuellen die verschmitzten Antworten von Radio Eriwan nie richtig verstanden haben.
Vielen Dank für diesen Superkommentar.
Herzliche Grüße
Ekki

 GastIltis meinte dazu am 27.02.21:
Lieber Ekki,
danke für deine Würdigung meiner Zeilen. Ich gebe zu, dass sie mich sehr viel Mühe gekostet haben. Die Mühe lag darin, dass nach der Empfehlung für deinen Text gestern mein Internetanschluss seinen Geist aufgegeben hatte und ich danach an der Technik, an mir und Gott und der Welt verzweifelt bin. Zum Glück war heute alles wieder gut. Ich freue mich, dass die Zeilen angekommen sind. Mehr wollte und will ich nicht. Für mich ist entscheidend, dass sie dich erreicht haben. Ich lese auch gern andere Kommentare, zumindest von Usern, die interessante Kommentare schreiben. Wie das die Leser empfinden, die nur die Original-Texte, ihre Kommentare und die Antworten sehen, kann ich nicht beeinflussen. Ich lasse das offen.
Viele liebe Grüße von Gil.

 AchterZwerg (27.02.21)
Im Prinzip ein witziger Text, den man sich bieten lassen sollte.

Acht Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.02.21:
Merci, Lilith, sagen wir mal so: Im Einzugsgebiet von Radio Eriwan ist alles etwas rationiert, auch Humor und Witz. :)
Schmunzelnde Grüße
Ekki

 TassoTuwas meinte dazu am 27.02.21:
s.u.

Antwort geändert am 27.02.2021 um 14:23 Uhr

 TassoTuwas (27.02.21)
Hallo Ekki,
Radio Eriwan wird von mir schon seit vielen Jahren als Sender für schlitzohrige Beiträge geschätzt.
Nach diesem amüsanten Interview habe ich ihn nun auch in die Liste der Sendeanstalten mit kulturellem Tiefgang aufgenommen!
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.02.21:
Vielen Dank, mein Freund, als Menschenkenner wissen wir: Auch Schlitzohren haben Kultur.
Herzliche Grüße
Ekki
Sätzer (77)
(28.02.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.02.21:
Merci, Uwe, Versuch macht klug.
LG
Ekki

 Jedermann (03.03.21)
Ich erinnere mich an die herrlich spöttischen Radio Eriwan Witze.
z.B.
Stimmt das, das der Kapitalismus am Abgrund steht?
Im Prinzip ja, aber wir sind schon einen Schritt weiter.
oder
Kann die Schweiz sozialistisch werden?
Im Prinzip ja, aber schade um die Schweiz.

Nachdem festgestellt wurde, dass Katzen auch Corona bekommen können, habe ich eine Anfrage an Radio Eriwan gestellt:
Müssen Katzen Masken tragen?
Ich habe noch keine Antwort erhalten.

Kommentar geändert am 03.03.2021 um 18:18 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.03.21:
Merci, Jedermann, solche witzigen Kommentare machen Lust auf mehr.
LG
Ekki
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