Corona Tage

Kurzgeschichte zum Thema Reisen

von  RainerMScholz

Dieser Text gehört zum Projekt    Corona-Texte
Ich sitze in der S-Bahn nach Hause in die Frankfurter Peripherie und kotze rot in die Maske von zuviel Rotwein. Die Maske des Roten Todes. Unten läuft es heraus. Es spritzt in meine Augen, jedenfalls ein bisschen, und ich sehe nichts mehr wegen der Brille, die beschlagen ist. Es könnte auch Blut dabei sein. Aber das war früher auch schon so. Auch ohne Kotze.
Auf jeden Fall muss ich husten. Brocken fliegen links und rechts, da war wohl noch Spaghetti Carbonara dabei von daheim. Die Dönerbuden in Sachsenhausen haben ja alle geschlossen, wie Sachsebach selbst.
Ich ziehe den Schleim die Nase hoch. Die Maske hält. Ein paar Sitze weiter drehen sie sich nach mir um und gucken schon.
Die Klebe hängt am Fenster und ich weiß gar nicht, wo ich bin. Bloß nicht die Maske verlieren, die grüne schwielige OP-Haut. Mit den Füßen scharre ich die Brocken provisorisch unter die blaue abgewetzte Sitzbank. Mir ist schlecht.
Christian hat den guten Roten gekauft, Chateau Sissson von 2018 für 4,99€ im Rewe. Oder im Lidl. Lidl gibt`s überall, wie Krebs. Und immer arbeiten dieselben Verzweifelten da, mit leerem Blick, hoffnungsbefreit, zur Lohnsklaverei verurteilt.
Ich hab´ jetzt alles aus der Maske irgendwie in den aufklappbaren Müllbehälter geatmet, in dem zerknüllte weißliche Papierservietten und braune Kaffeebecher waren. Gleich kommt meine Station. Der Geruch von wässriggrüner Galle und rotem Erbrochenem bereitet mir erneuten Brechreiz. Das nächste Mal trinke ich einfach Äppler, dann sieht es wenigstens nur nach Urin und nicht nach Blutsturz aus, was sich da erkaltend auf meinem Schoß sammelt. Wenn alles gelb schwimmt.
Am Bahnsteig steht der Notarzt. Ich steige auf der anderen Seite aus.


© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (23.03.21)
Die Lager sind uns nicht bekannt, aber da waren Kranke, die lagen auf dem Bauch, flach, der Kopf in einer Kotzrinne.

 RainerMScholz meinte dazu am 23.03.21:
Mallorca?
Hilde (62) antwortete darauf am 23.03.21:
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 RainerMScholz schrieb daraufhin am 23.03.21:
Ja, Lächeln unter Mundwindel - vielleicht sieht man`s ja an den Augenfältchen; ich suche immer. Oft ist`s scheinbar aber nur Panik. Die hätte ich auch.
Bitte nicht allzusehr über die Farben nachdenken; an mir ist kein Maler verloren gegangen, höchstens ein Anstreicher.
Gruß + Dank,
R.

 AchterZwerg (24.03.21)
Die Maske und die Frisur halten - das sind derzeit die Hauptsachen.
Und die Lidl-Coronahelden werden üppig belohnt! :)
Nur nicht am Gründonnerstag, dem neuen Ruhetag ...
Still ruht auch der See und der werdende Freitödler kann in Ruhe darüber nachdenken, woran er am allerliebsten zugrunde gehen möchte.

Jedenfalls: Super erzählt und überaus geschickt beendet!

Respektvolle Grüße
der8.

 RainerMScholz äußerte darauf am 28.03.21:
Ich steige gern auf der falschen Seite aus, da muss ich mir kein geheucheltes Danke und kein unmotiviertes Händeklatschen anhören; und selbstverständlich aus purer Schussligkeit, und verquerem inneren An- oder Abtrieb; natürlich.
Gruß + Dank,
R.
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