Knopfloch

Skizze zum Thema Alltag

von  blauefrau

Wer seinen Knopf nicht ins Knopfloch bekommt, kriegt es nicht geregelt, dachte Regina, als sie die Frau an der Garderobe an ihrer Jacke nesteln sah. Sie bekam einen Knopf nicht zu. Zum Schluss lag der große Knopf auf dem Boden. Die Frau bückte sich, hob ihn auf, zahlte und verließ mit hochrotem Knopf und zugehaltener Jacke das Café.
Modernes Bettzeug kommt ohne Knopflöcher aus. Die alten Bettbezüge aus weißem Stoff sind gut gearbeitet. Regina hatte viele alte weiße Bettbezüge. Die Knopflöcher sind oft und gut kontrollierte Knopflöcher. Was, das Knopfloch ist nicht in Ordnung? Der Bettbezug wird auf den Wäschekorb geworfen. Abends geht es an die Arbeit. Langes Fädchen, faules Mädchen. Stramm wird der Faden um die Finger gewickelt, und das Knopfloch wird nachgearbeitet. Wie, dafür eine Nähmaschine? Das ist nicht dasselbe. Es muss handgearbeitet sein.
In Handarbeit war das Anlegen der Knopflöcher eine Übung für Fortgeschrittene gewesen. Meist wurde unter den Stoff noch eine Art Flies gelegt, angeriehen nannte man das, dann ein Schnitt für das Knopfloch angelegt, oben und unten wurde das Knopfloch mit einer Art Querstrebe verriegelt; es konnte nicht ausreißen. Im Anschluss wurde links und rechts der Stoff umnäht, nebeneinander und übereinander der Faden gestichelt, und zum Schluss der Restfaden vernäht und verknotet. Wahrscheinlich ist  Stoff, in dem frühere Knopflöcher eingearbeitet waren, schon fadenscheinig. Die Knopflöcher bleiben stabil. Das Knopfloch steht für sich. Der Stoff ist unerheblich.
Eine Welt, die nur aus Knopflöchern besteht, stabilen Quernähten und fleissig umwickelten Rändern. Ein Mosaik aus diesen Knopflöchern zeigt eine ganze Weltsicht: durch Schlitze fallendes Licht,  an den Rändern festgehalten,  wegen der Quernähte kann es nicht unkontrolliert weiterziehen. Platz für Lichtschlitze und- schächte, robuste Weißnähte und Umnähte.

Heute ist der Knopf nur eine Zierde. Ist er ab, kommt ein neuer her. Oder gleich eine neue Jacke. Eine neue Jacke wegen des Knopfes, nicht ein Knopf  für eine neue Jacke.
Regina hatte in Handarbeit eine Drei gehabt. So ganz war ihr die Knopflochumrandung nicht immer geglückt. Dora, die sie eben hinten im Café entdeckt hatte, war darin viel besser gewesen. Sie leitete heute eine Eduscho-Filiale. Dort verkauften  sie auch Bettzeug. Wenn es überhaupt Knöpfe hatte, hatte man die nach einmaligem Ziehen in der Hand.  Regina hielt etwas auf sich und überprüfte ihre Weißwäsche auf die Knopflöcher- vor allem auf die. Sie hing an dem Licht.

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Kommentare zu diesem Text

Agnete (66)
(26.08.21)
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