Das ist so Usus

Beschreibung zum Thema Traum/ Träume

von  Moja

Nach einem Jahr zum ersten Mal wieder in der City, fallen mir die vielen Obdachlosen und Bettler auf. Unter den S-Bahndurchführungen kampieren sie auf Matratzenlagern mit ihren Tüten und Taschen. Bettelnde Frauen sitzen nebeneinander auf dem Boden mit dem Rücken an die Hauswand gedrückt. Ansonsten reger Autoverkehr, einzelne Menschen, keiner trägt eine Maske trotz Pflicht auf den Magistralen. Ich laufe an einer Unzahl leerstehender Geschäfte vorbei, die ich von früher kenne, gibt es nicht mehr. Lese an Schaufenstern Aushänge wie „Click and Meet“, höre eine Verkäuferin zu einem Kunden sagen: „Scannen Sie zuerst den QR-Code!“ Unter den Linden gleicht einer unbelebten Kulisse aus Stein, Glas und Beton, nur das Schild „Kaffee-Flatrate 14,90 €“ deutet auf menschliche Bedürfnisse hin. Schon in der halbleeren S-Bahn ist mir die Stille bewusst geworden. Keiner telefoniert, niemand spricht oder unterhält sich mit jemand, nur die Bettler, die durch die Züge wanken, bitten um eine Spende. Und auf der Steintreppe unter dem Fernsehturm sitzen weit auseinander vereinzelte Afrikaner, jeder auf sein Handy starrend – das Bild erinnert mich an Lissabon. Aber ich bin mitten in Berlin, das nicht mehr das Berlin von vor einem Jahr ist. Die Stadt scheint aus dem Gleichgewicht geraten, ein Umbau hat begonnen, Fehlbildungen fallen mir ins Auge. Kaum verwunderlich erscheint mir mein Traum in der folgenden Nacht: Sonnenlicht fällt durch die halbgeöffnete Haustür, während ich hinter der geschlossenen Flügeltürseite stehe, höre wie plötzlich die Klappe am Türschlitz angehoben wird und eine Männerstimme laut und deutlich sagt: „Hasenscharte“. Wie gewohnt trete ich nicht aus dem Schatten und schiebe dem Bettler davor einen Euro durch, ohne nachzuschauen, wer dort steht.

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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (26.03.21)
Es sind nicht nur die Bettler.
Daneben gibt es eine zunehmende Verschmutzung der Innenstädte zu beklagen - mittlerweile bin ich sogar froh, in einer (noch erträglichen) Kleinstadt zu leben ...

Albträume werden allmählich von der Realität überholt.

Liebe Grüße
der8.

 Moja meinte dazu am 27.03.21:
Das bemerke ich auch in den Parkanlagen, sogar im Wald,. Überall liegen Dosen, Flaschen, Müll herum, mutwillig hingeworfen, scheint mir, es wirkt auf mich wie eine trotzige Verweigerungshaltung.
Aber der Eindruck, den die vielen Obdachlosen bei mir hinterließen, werde ich nicht los. Ich lebe noch recht idyllisch am Stadtrand.

Lieben Gruß,
Moja
Al-Badri_Sigrun (61)
(26.03.21)
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 Moja antwortete darauf am 27.03.21:
Der Eindruck der Realität wirkte sofort auf meinen Traum aus.

Danke und lieben Gruß,
Moja

 EkkehartMittelberg (26.03.21)
Hallo Moja,
in der Zeit von Corona können wir beobachten, wie sich die Wirklichkeit allmählich in einen Alptraum verwandelt.
Liebe Grüße
Ekki

 Moja schrieb daraufhin am 27.03.21:
Ja, Ekki,
die Veränderungen gehen tiefgreifend vor sich, langsam erst, fast unmerklich, aber zunehmend irreversibel, scheint mir.

Liebe Grüße,
Moja

 Moja äußerte darauf am 27.03.21:
Ja, Ekki,
die Veränderungen gehen tiefgreifend vor sich, langsam erst, fast unmerklich, aber zunehmend irreversibel, scheint mir.

Liebe Grüße,
Moja

 TassoTuwas (26.03.21)
Liebe Moja,
du schilderst die bedrückende Realität unserer Innenstädte. Mindestens genau so bedrückend ist, wie viele Menschen es inzwischen mit Gleichgültigkeit hinnehmen.
Ein starker Text!
Herzliche Grüße
TT

 Moja ergänzte dazu am 27.03.21:
Lieber Tasso,
vermutlich gewöhnen sich Menschen recht schnell an Veränderungen und nehmen sie mehr oder weniger hin, manche stumpfen ab. Beunruhigt nehme ich auch hier am Stadtrand die Entwicklungen wahr, tröste mich mit dem Gedanken: Es ist kein Krieg! - aber dennoch, wohin wird das führen?

Herzlichen Dank,
Moja

 harzgebirgler (27.03.21)
es ist ja sogar 'real,-'
schon geschichte sag' ich mal!

lg
harzgebirgler

https://de.wikipedia.org/wiki/Real_(Handelskette)Einseitige_Übernahme_durch_Edeka_und_Kaufland

 Moja meinte dazu am 27.03.21:
Nomen est Omen!

Danke und lieben Gruß,
Moja

 FrankReich (27.03.21)
Zuvor hatte auch ich eine ziemlich böse Vision:

Das ist so Uzi

🤔

Ciao, Frank

 Moja meinte dazu am 27.03.21:
Mit der Uzi auf Visionen schießen? 🤔

Eher: Einen Strich durch die Rechnung schießen,
meint Moja

 GastIltis (28.03.21)
Usus, ja jetzt dämmert es. Und ich dachte schon, ich wäre aus der Zeit gefallen. Oder aus einem Traum von dir. Kann ich mir was aussuchen?
LG von Gil.

 Moja meinte dazu am 28.03.21:
Aber gerne, such Dir was aus, für Dich immer...

Moja grüßt!

 nadir (07.04.21)
der traum ist diesmal recht unspektakulär, die realitätsbeschreibung aber grandios!

lg
nadir

 Moja meinte dazu am 07.04.21:
Langsam gehen Traum und Realität ineinander über, an diesem Beispiel konnte ich es mal nachvollziehen.
Vielen Dank!

lg
Moja
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