Vom ‚Wir‘ zum ‚Ich‘

Essay zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  tueichler

Klar, mir ist bewusst, das der Titel geklaut ist. Aber es macht mich traurig, lässt mich mich fremd schämen und macht mich manchmal wütend, was sich derzeit in unserer Gesellschaft abspielt.

Da wurde zum Beispiel einer Übersetzerin in Schweden der Auftrag entzogen, das Gedicht von Amanda Gorman ‚The Hill we climbe‘ zu übersetzen, da die Übersetzerin weder Ethnie, noch nationale Herkunft oder sexuelle Orientierung der Autorin hat.

In Deutschland hat man sich dem Druck sozialer Medien gar nicht erst ausgesetzt und gleich 3 Frauen beim Hofmann & Campe Verlag daran gesetzt, die den Kriterien der sozialen Medien genügen. Mit Folgen, die, wenn Amanda Gorman die Übersetzung lesen könnte, sicherlich nicht deren Zustimmung fänden.
Die Österreichische Kritikerin Daniela Strigl urteilte im Deutschlandfunk am 30.03.2021 etwa in der Art, es genüge nicht, bei Lyrik nur den Inhalt zu übersetzen, sondern bedarf auch des Verständnisses der im Original beabsichtigten Musikalität eines Gedichtes. Kurz, eine Rassismusforscherin ist nicht automatisch eine gute Lyrikübersetzerin und es ist ja sicherlich nicht rassistisch, wenn eine Übersetzung dicht am Original ist, jedoch von einer Weißen kommt.

Im Autoradio habe ich einen Kommentar gehört, der, gespickt bis zur Unhörbarkeit, das Binnen-I verwendete.

Die Diskussion um das generische Wortgeschlecht wird vom natürlichen Geschlecht des beschriebenen Objektes nicht mehr unterschieden und führt so, nach ordentlich Druck einer aufgepeitschten Meute von Individuen (nein, nicht als Schimpfwort gemeint sondern im Sinne von Individualmeinungen) zu einer Veränderung der Sprache, die Ihren Klang durch Berücksichtigung noch jeder Kleinstmenge an Ansprüchen ihren Charme, ja bisweilen ihre Sinnhaftigkeit verliert.
Gleichzeitig findet auch eine selektive Veränderung der Sprache hin zur Diskriminierung statt. Oder hat schon jemand gelesen, dass man von TerrorristInnen spricht, statt von Terroristen oder von VerbrecherInnen oder BankräuberInnen etc. etc.

Was hier stattfindet ist, meiner unbedeutenden Meinung nach, dass es nicht auf die sinnhafte Bedeutung einer Gruppe von Individuen in sozialen Medien ankommt, sondern nur darauf, wie laut, sprich mit wieviel Zorn, resp. Hass, diese Gruppe sich gegenüber anderen positionieren kann, um andere zu diskriminieren.

Es ist unabdingbar, dass zum Beispiel Schwule und Lesben sowie alle, die nicht dem biologischen Geschlecht sich einzuordnen vermögen, nicht diskriminiert werden. Dennoch betrifft es nur einen kleinen oder wenigstens nicht den größten Teil unsrer Gesellschaft. Warum muss dann auch hier eine Debatte geführt werden, allen eine genderneutrale Sprache zu oktroyieren (Schraubendrehy, Lehry, Schüly, etc., siehe Vorschläge von Kronschläger., vgl.   Spiegel )

Die Beispiele zeigen, dass unter dem Mantel der vermeintlichen Integration des ‚Was-auch-immer-sich-diskriminiert-Fühlenden‘ eine Ausgrenzung aller Anderen erfolgt, da jeder nur seine Eigenbefindlichkeit in den Vordergrund gestellt sehen will. Das führt unweigerlich zu einer Spaltung der Gesellschaft in Gruppen, die innerhalb ihrer Blase sich vortrefflich über Ausgrenzung beschweren können, ohne zu erkennen, dass eben diese Blasenbildung zu Ausgrenzung führt.

Sinnvoller wäre es wohl, Unterschiede anzuerkennen und diese - ohne wütenden Absolutheitsanspruch - in die Gesellschaft einzubringen. Langfristig wäre uns allen damit geholfen und wir würden es denen nicht noch leichter machen, die ohnehin zielbewusst an der Spaltung unserer Gesellschaft arbeiten.

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Kommentare zu diesem Text


 Jedermann (31.03.21)
Liebe Lesende, Leser:innen, wir leben im Zeitalter des Genderismus!
Die Kampagnen für das Gute[/b] sind evident und wenn ich mich nicht irre ein Markenzeichen der Ära Merkel.
"Mutti, können Männer auch Bundeskanzlerin werden?" (Das ist nicht von mir, sondern das hat die Sängerin von Juli in einer Anekdote verarbeitet)
Natürlich benutzen Gruppen den gegebenen Spielraum, um mit einer zugeschnittenen Aggression ihre Interessen umzusetzen.
Auf mich wirken diese vielen Kampagnen für das Gute, gerade in dieser Zeit, in der sämtliche demokratische Regeln außer Kraft gesetzt wurden, ganz besonders grotesk!

 GastIltis (31.03.21)
Hallo Tom,
das Lächerliche z.B. beim Lehry kommt erst dann richtig zur Geltung, wenn man das „y“ etwa eine Oktave höher spricht als die anderen Buchstaben. Das mit der Oktave wird nicht jeder hinbekommen, aber eine Quinte reicht auch schon. Und wir tun etwas für das musikalische Verständnis unserer Jugend. Oder wir kennzeichnen alle Personen mit einem „li“ nach dem männlichen Begriff. Dann wären die Lehrer (m, w, d) u.a. nämlich sächlich und entziehen sich zwar nicht der Lächerlichkeit, aber die Frage, ob Lehrerli, Schülerli, Autofahrerli, Dichterli, Leserli im Singular oder im Plural auftreten, ist völlig unerheblich. Man kann es wirklich übertreiben. Oder: es scheint Leute zu geben, die sehr viel Zeit haben. Mehr, als man eigentlich verplempern sollte.
Mach weiter so, Tom. Herzlich Gil.

 tueichler meinte dazu am 31.03.21:
Danke, lieber Gil! Man käme sich, so man sich mitreißen ließe, wie ein Demokratiebeschmutzer vor - die anderen sind ja die Guten mit der Konformmeinung. Aber dem ist nicht so. Man muss dem widerstehen!

😎

Antwort geändert am 01.04.2021 um 12:23 Uhr
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