Der Mensch im Spannungsfeld zwischen Gott und Teufel?

Essay zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Die Christen sind ja ziemlich simpel gestrickt. Auf der einen Seite wähnen sie Gott, Jesus, den Geist Gottes und die himmlischen Heerscharen. Auf der anderen Seite den Teufel mit seinen Fürsten und dem ihm untergebenen Dämonenheer.
  Und die Menschen, oftmals ohne es zu ahnen, sind mittendrin in diesem Spannungsfeld der unsichtbaren Mächte..
    Ja, und dazu kommt ja noch die vorgebliche Erlösung durch den Kreuzestod Jesu und dessen wundersame Auferstehung am dritten Tage. Das setzt dem Ganzen doch irgendwie die Krone auf, oder?

Man braucht sicher nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie das in den Ohren von überzeugten Atheisten und skeptischen Agnostikern klingt. Einfach absurd!
  Wie kann ein aufgeklärter und naturwissenschaftlich gebildeter Mensch des 21. Jahrhunderts bloß so einen Unsinn glauben?

Aber ist die Sache wirklich so unsinnig? Könnte es nicht sein, dass die Christen vielleicht gute Gründe haben, an die Existenz von Gott und Teufel zu glauben?
    Könnte es nicht doch sein, dass sie Erfahrungen gemacht haben, die ihnen die Augen für eine an sich verborgene Wirklichkeit geöffnet haben?
  Ihr Reden von subjektiver Gewissheit und erfahrungsbasierter Evidenz keine leeren Phrasen sind, sondern der Wahrheit entsprechen?
  Es letztlich nur der Mangel eigener persönlicher Gotteserfahrungen ist, der die Atheisten und Agnostiker zweifeln und widersprechen lässt?

Aus eigener Erfahrung möchte ich sagen, dass es vermutlich/tatsächlich einer solch augenöffnenden Gotteserfahrung bedarf. Eine, wie sie der atheistische Sklavenhändler John Newton, dereinst  machte.
  Als er 1748 in schwere Seenot geriet, dem Tode ins Auge sah, gelangte er zu tiefer Sündenerkenntnis und bat Gott um Vergebung und Errettung. Ihm verdanken wir jene weltberühmten Zeilen aus „Amazing Grace“:
Erstaunliche Gnade, wie süß der Klang,
Die einen armen Sünder wie mich errettete!
Ich war einst verloren, aber nun bin ich gefunden,
War blind, aber nun sehe ich.

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (04.04.21)
Da bin ich mir ziemlich sicher, daß ein Gott erlebt, erfahren werden kann. Man denke nur daran, wie Dionysos in Ekstase (ἔκστασις, d.h. Aus-sich-Heraustreten) und Ethusiasmus (ἐνθουσιασμός, d.h. göttliche Einwirkung, Verzückung) über die Menschen kommen kann.
Manchmal sogar im christlichen Kontext. Einmal habe ich eine Gospel-Messe (Bishop Samuel Kelsey and the Temple Church of God in Christ) erlebt, die in ekstatischen Rausch mündete, so daß ich mir gedacht habe: Das ist Dionysos, der Gott des Rausches!

 Dieter Wal meinte dazu am 04.04.21:
@Graeculus: Gib zu, Dir hätten die urchristlichen Umtiebe zu Pauli Zeiten in Korinth viel Freude bereitet!

 Graeculus antwortete darauf am 04.04.21:
Bemerkenswerterweise nicht, denn ich sehe das immer mit dem antiheidnischen Aspekt verbunden ... und dem Wissen, daß hier die Antike zugrunde gerichtet wird. Deshalb ergreift mich bei Begegnungen mit dem Urchristentum immer die teils melancholische, teils gereizte Stimmung der letzten Heiden: Palladas, Libanios, Symmachus, Zosimos, Kestos, Porphyrios und natürlich Julian, genannt Apostata.
Nach der Zerstörung des Serapeums in Alexandria durch die Christen schrieb der trauernde Heide Palladas:

Ἄρα μὴ θανόντες τῷ δοκεῖν ζῶμεν μόνον,
Ἕλληνες ἄνδρες, συμφορᾷ πεπτωκότες,
ὄνειρον εἰκάζοντες εἶναι τὸν βίον;
ἢ ζῶμεν ἡμεῖς τοῦ βίου τεθνηκότος;

Sind wir nicht tot und bilden uns nur ein zu leben,
wir Griechen, die wir tief ins Unglück sanken, und
im Traume bloß das Leben sahen? Oder leben
wir selber zwar - indes das Leben unterging?
(Anthologia Graeca X 82)

 Graeculus schrieb daraufhin am 04.04.21:
An den Bibliophilen:
Das aus überlieferten Bruchstücken zusammengesetzte Werk "Contra Christianos" des Porphyrios war mir jetzt 150 Euronen wert.

 Bluebird äußerte darauf am 04.04.21:
Als die Zeit erfüllet ward, ....!

 Dieter Wal ergänzte dazu am 04.04.21:
Überdeutlicher Nachteil der an sich lobenswerten Hinwendung Jesu zu sogen. Untergruppen und derselben sich noch zuspitzenden Tendenz des paulinischen Christentums mit ihrer plakativen Vereinfachung für Idioten. Von der Hinwendung zu Idioten hat sich das Christentum wie die griechische und römische Antike nicht erholt. Wenn man sich Protagonisten wie Bluebird ansieht, darf angenommen werden, dass sich selbst Jesus entschieden von solchen Idiotismen in Jesu Namen angeekelt abgewandt hätte.

Ich finde des bunten synkretistischen Mix, von dem die Korintherbriefe berichten, interessant. Dass er etwas mit Jesu Predigten zu tun hat, erkenne ich nicht.

Antwort geändert am 04.04.2021 um 18:22 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 04.04.21:
Diese Deutung liegt Dir nahe. Meine ist eine andere. (Bezieht sich auf "Als die Zeit erfüllet ward ...")

Falls Du Lust hast, Dich einmal mit der schon etwas älteren Hypothese, das Christentum samt Auferstehung sei eine Erfindung des Paulus, in einer aktuellen Form zu beschäftigen:

https://orf.at/stories/3207538/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Antwort geändert am 04.04.2021 um 18:22 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 04.04.21:
Danke für den Link. Interessant. Paulus schlecht, Jesus gut, ist eine grenzwertig sinnvolle These, wenn man sich zB die Passionsgeschichte bezogenen Textzeugnisse im NT ansieht, die nicht von Paulus, sondern der Jerusalemer Urgmeinde stammen. Die sich dort verbreitende Volksfrömmigkeit mit Jesus als Gott erscheint mir zumindest mindestens ebenso idiotisch und peinlich wie bei Paulus.

 Graeculus meinte dazu am 04.04.21:
An den Bibliophilen 2:

Claus Priesner

Dinge zwischen Himmel und Erde
Eine Kulturgeschichte des magischen Denkens

Darmstadt 2020
(Wissenschaftliche Buchgesellschaft)

"Claus Priesner lädt zu einem Gang durch die Kulturgeschichte ein, der in der Steinzeit beginnt, die Entstehung von Astrologie/Astronomie und Alchemie in den antiken Hochkulturen schildert, das magische Denken im Mittelalter und der Frühen Neuzeit erklärt und mit den Versuchen zur Erforschung 'paranormaler' Phänomene im 19. und 20. Jahrhundert endet."
(Text aus dem wbg-Prospekt)

 Graeculus meinte dazu am 04.04.21:
An den Bibliophilen 3:

Johannes Fried

Jesus oder Paulus
Der Ursprung des Christentums im Konflikt

München 2021
Verlag C. H. Beck


Besprechung in der heutigen Ausgabe der FAS.

 Graeculus meinte dazu am 04.04.21:
Die Zerstörung des Serapeums von Alexandria, das der größte und, wie man hört, schönste Tempel der Antike war, mit "Als die Zeit erfüllet ward ..." zu kommentieren, das hat schon etwas; der Vorgang erinnert mich an die Taliban, die die berühmten Buddha-Statuen von Bamjan in die Luft gesprengt haben. Heidnisch eben. Da kennen die Monotheisten kein Pardon.

 Dieter Wal meinte dazu am 05.04.21:
An den großen Bibliophilen: Nochmals danke, danke, danke. Dabei solltest Du vielleicht eher Werbung für eigene Werke machen. Dein bzw. Euer

"MAN WILL LEBEN UND MUSS STERBEN – MAN WILL TOT SEIN UND MUSS LEBEN
Die Kontroverse zwischen Optimismus und Pessimismus. (zusammen mit Rolf Schäfer)"

https://www.goldstadt-autoren.de/?page_id=1123

ist blendend geschrieben und von enormer Qualität.

 Dieter Wal (04.04.21)
Bluebird ist des Teufels bester Mann. Bei dem würde sogar Jesus Atheist.
ich (54) meinte dazu am 05.04.21:
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 DanceWith1Life (05.04.21)
ich denke, es ist nicht so wichtig, mit welchen Bildern man das Spannungsfeld, in dem ein Mensch sich wiederfindet, zeichnet.
Man sollte es nicht dämonisieren, die Buddhisten haben da einen für mich sehr interessanten Satz, Gedanken kommen und gehen, servier ihnen keinen Tee.
Erst dann kann man meiner Meinung nach überhaupt anfangen, das sogenannte "göttliche" zu erkennen. Das gilt wahrscheinlich für alle, ganz egal ob Christ, Buddhist, Menschen die im Koran die Wahrheit lesen, Hindu oder was es sonst noch alles gibt.
Sogar die Dummheit kann ohne den Menschen nicht existieren. Sie ist auf sein Mitwirken angewiesen.
Imwieweit Bluebird hier Tee serviert, möge jeder selber herausfinden.
Amazing Grace, absolut, christlich, unter anderem.

Kommentar geändert am 05.04.2021 um 12:40 Uhr
ich (54) meinte dazu am 05.04.21:
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 Rudolf (05.04.21)
Ich halte es für meinen Teil mit dem  apostolischen Glaubensbekenntnis darin kommt kein Teufel mit Dämonenfürsten vor. Es steht aber immer noch genug darin, um von Atheistinnen und Agnostikerinnen als absurd angesehen zu werden
ich (54) meinte dazu am 05.04.21:
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ich (54)
(05.04.21)
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 DanceWith1Life meinte dazu am 05.04.21:
einer echten Errettung zu kommen, in dieser biblischen Zeit. Man kann es auch übertreiben, oder?
Scheint fast als wäre die Langeweile unser schlimmster "Dämon"
ich (54) meinte dazu am 05.04.21:
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