Wer fürchtet sich vor großen Tieren?

Anekdote zum Thema Angst

von  EkkehartMittelberg

Gestern erinnerte mich ein Freund an die Autorin Luise Rinser und da fiel mir diese Geschichte wieder ein.
Vor sechsunddreißig Jahren führte Luise Rinsers Sohn ein sehr schönes Hotel in der Toscana oberhalb von Montecatini. Meine Frau und ich fuhren mit unserer damals zwölfjährigen Tochter dorthin.
Das Hotel lag weit ab vom nächsten Dorf einsam in den Bergen und war mit einem hohen Zaun aus Eisenstangen gegen Eindringlinge geschützt. Als wir mit unserem Auto ankamen, wurden wir  von zwei großen Labradoren mit wütendem Gebell empfangen. Ich muss gestehen, dass ich Angst hatte, aus dem Wagen auszusteigen, obwohl mich das Eisengitter vor den Hunden schützte. Aber ich unterdrückte meine Furcht und betätigte am Eingangstor eine elektrische Klingel. Darauf ertönte ein Pfiff und die Hunde verschwanden.
Ich war bereit, den Wunsch meiner Tochter zu erfüllen, die in diesem Hotel zum ersten Mal ein eigenes Zimmer haben wollte. Aber das Problem war, dass das ihr zugewiesene Zimmer mit gläserner Balkontür par terrre lag. „Machen Sie sich deshalb keine Sorgen“, meinte Herr Rinser, „ich werde eine Lösung finden.“
Als wir mit unserer Tochter am Abend ihr Zimmer aufsuchten, sahen wir erleichtert die perfekte Lösung, denn die beiden furchterregenden Hunde lagen ganz friedlich vor de Balkontür, wo sie bis zum anderen Morgen Wache hielten. Bald hatte sich Nina an die Hunde gewöhnt und wenn meine Frau und ich sie abends auf ihr Zimmer geleiteten, wurden wir von von den Wächtern als selbstverständliche Begleitung unserer Tochter akzeptiert.
Damit habe ich schon verraten, dass die Labradore sich jeden Abend vor der Tür einfanden. Sie bellten auch nicht mehr, wenn wir von Ausflügen zurückkamen, weil sie uns am Motorengeräusch unseres Autos erkannten. Wir wussten unsere Tochter so sicher wie in Abrahams Schoß und so fühlte sie sich auch. Wer jetzt glaubt, dass es im Laufe der 14 Tage zu Schmusereien zwischen Nina und den Hunden kam, der irrt sich. Man ging respektvoll miteinander um und wahrte Abstand.
Später haben wir erfahren, dass die Hunde nach unserem Besuch wieder in ihrer Hütte schliefen.

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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (06.04.21)
Eine schöne Hundegeschichte! Hunde sind oft sehr froh, wenn sie eine Aufgabe haben.

An einer Stelle habe ich gestutzt: Mit "dass das uns zugewiesene Zimmer mit gläserner Balkontür par terrre lag" meinst Du sicher "das ihr [der Tochter] zugewiesene Zimmer", oder?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.04.21:
Merci, Graeculus, du hast zu Recht gestutzt, Ich werde das sofort korrigieren.
Stelzie (55)
(06.04.21)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 06.04.21:
Vielen Dank, Kerstin, das sagt mir mein Verstand auch. Aber wer einmal ohne Vorwarnung durch Gebell oder Knurren kräftig gebissen wurde wie ich, kann sein Angst nicht immer beherrschen.
Liebe Grüße
Ekki

 FrankReich (06.04.21)
Hi Ekki,

in diesem Fall scheinen die Hunde weder überzüchtet noch verzogen gewesen zu sein. Wer jedoch schon einem wahnsinnigen Hund begegnet ist, hat allen Grund Angst, zumindest aber Vorsicht walten zu lassen. Glücklicherweise ist die genetische Veranlagung bei diesen Tieren das geringere Problem, wenn Herrchen oder Frauchen allerdings nicht richtig ticken, werden sie entweder eine Gefahr für andere oder können einem wirklich nur noch leid tun.

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 06.04.21:
Gracias, Frank, ich stimme dir zu. Ich finde, dass es Tierliebe gar nicht in Frage stellt, wenn man auch bei Tieren wie bei Menschen darauf gefasst ist, dass sie gelegentlich nicht richtig ticken.
LG
Ekki
Agnete (66) äußerte darauf am 07.04.21:
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Al-Badri_Sigrun (61)
(06.04.21)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 06.04.21:
Grazie, Sigi, kennst du die wunderschöne Erzählung "Wolfsblut" von Jack London, die von einem Hund berichtet, der durch seinen bösartigen Herrn verdorben schien und durch einen gütigen neuen Herrn mit liebevoller Erziehung zu einem liebenswerten Tier geformt wird.
Herzliche Grüße
Ekki
Al-Badri_Sigrun (61) meinte dazu am 06.04.21:
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Agnete (66) meinte dazu am 07.04.21:
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 GastIltis (06.04.21)
Hallo Ekki,

deine Begegnung mit großen Tieren erinnert mich daran, dass ich früher meinem Jungen immer Geschichten erzählt habe. Manchmal haben wir uns auch abgewechselt. Einmal hatte er sich so verhaspelt, dass folgender Satz fiel: „Der Hund ist ein Mensch, und der Mensch ist ein Hund!“ Der Satz ist in unserem Bewusstsein haften geblieben, und bei jeder passenden Gelegenheit bringen wir ihn wieder an. Zum Glück ist unsere Erzählfreude auch auf seine beiden Kleinen übergegangen, zumal man da oft überraschende Sätze zu hören bekommt. Aber dazu bei passender Gelegenheit (vielleicht) mehr.

Sei herzlich gegrüßt und lass deiner Erinnerung so oft es geht freien Lauf. Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.04.21:
Gracias, ein denkwürdiger Satz, Gil. Er hat eine große Berechtigung, denn viele Menschen bezeichnen Hunde als ihre Freunde. Es gibt Hunde, die einen auf eine so treuherzige Art anblicken können, wie es kaum ein Mensch vermag.
Beste Grüße
Ekki
Agnete (66) meinte dazu am 07.04.21:
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Sin (56)
(06.04.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.04.21:
Merci, Sin, Rinsers Verstrickung in den Nationalsozialismus ist inzwischen unbestritten. Aber für meine Erzählung ist wichtig, was ich bei heute nicht wusste, dass eines ihrer letzten Werke "Bruder Hund. Eine Legende" lautete.
LG
Ekki
Sin (56) meinte dazu am 06.04.21:
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 LottaManguetti (06.04.21)
Schöne Erinnerung, Ekki.
Von Rinser habe ich nur Abaelards Liebe gelesen.
Bislang ...
:D


Lotta

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.04.21:
Danke, Lotta, da hast du mit sicherem Instinkt zu einem ihrer besten Werke gegriffen. Ich schätze sie als Kritikerin der katholischen Kirche.
LG
Ekki

 AchterZwerg (06.04.21)
Tiere, insbesondere Hunde, haben sehr fein entwickelte Sinne und einen natürlichen Beschützerinstinkt gegenüber Kindern. Wird der ihnen nicht ausgetrieben (!) oder weggezüchtet, werden sie Kinder nicht angreifen, sich allenfalls belästigt fühlen und entnervt abwenden.

Liebe Grüße
der8.

Ich hätte mir - um der Geschichte willen - auch ein anderes Ende vorstellen können: den Verbleib der Tiere als ewige Wächter ... :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.04.21:
Grazie, Piccola, du hast das Verhalten von Hunden gegenüber Kindern genau und richtig beobachtet.
liebe Grüße
Ekki
Agnete (66) meinte dazu am 07.04.21:
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Hilde (62)
(06.04.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.04.21:
Vielen Dank, Hilde, so ist es. Sie gehört zu den gemeinsamen Erinnerungsschätzen der Familie.
Liebe Grüße
Ekki
Agnete (66)
(06.04.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 06.04.21:
Merci, Agnete, darf ich dich als Hundekennerin mal fragen wie ein Kampfhund auf Unterwerfungsgesten eines Menschen reagiert. Akzeptiert er die?
LG
Ekki
Agnete (66) meinte dazu am 07.04.21:
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 TassoTuwas (07.04.21)
Hallo Ekki,
"Vorsicht ist die Mutter der...", würde ich hier raten.
Man weiß ja nicht ob der Bello schon gefrühstückt hat.
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.04.21:
Gracias, Tasso, ich wurde als Junge ohne jede Vorwarnung von einem Schäferhund gebissen. Seitdem bin ich sehr vorsichtig.
Herzliche Grüße
Ekki
Agnete (66) meinte dazu am 07.04.21:
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 harzgebirgler (07.04.21)
wie ein hund tickt merkt man meist ziemlich schnell
doch täuscht mitunter wütendes gebell.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.04.21:
Vielen Dank, Henning

Merkt man es, wenn man gebissen,
fühlt man sich trotzdem beschissen. :)

LG
Ekki

 Moja (07.04.21)
So schön friedlich kann es also auch mit Hunden zugehen, lieber Ekki! Gut zu wissen. Mein Nachbarhund würde mich am liebsten in der Luft zerbeißen, wenn er schlecht gelaunt ist, bellt er die ganze Straße zusammen. Der kennt mich nach zehn Jahren immer noch nicht. Ich würde ihn gern gegen die beiden Labradore aus Deiner Geschichte tauschen

Liebe Grüße,
Moja

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.04.21:
Grazie, Moja, du bringst einen interessanten Aspekt ins Gespräch, der von Tierliebhabern oft verschwiegen wird: Auch Hunde haben Launen.

Liebe Grüße
Ekki
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