Fleischmarkt

Groteske zum Thema Beziehung

von  RobertBrand

Fleischmarkt

Wir befinden uns als singuläre Entitäten auf dem Markt.
Auf dem Fleischmarkt.
Folgen wir dem Neoliberalismus - so regelt der Markt alles.
Angebot und Nachfrage werden alles selbst regulieren.
Wir bieten uns an.
Wir dienen uns dem anderen Geschlecht an.
Oder auch dem eigenen - was mensch eben beliebt.
Gleichzeitig suchen wir beim Vis-á-Vis Angebot nach dem passenden Gegenstück.
Gut - wir betrachten.

Rekapitulieren wir das am Fleischmarkt beobachtete Angebot für meine bescheidene Person innerhalb der letzten Wochen.
Die Liste an Eigenschaften, die man von sich annimmt zu haben und zu geben und die man von sich glaubt, zu suchen, sind lang und mannigfaltig - so sei hier nur eine exemplarisch erwähnt, die aber weder die wichtigste noch die einzig definierende Eigenschaft für eine mögliche Partnerin darstellt. Aber aus dramaturgischem Grunde sei sie hier angeführt, um daran den roten Faden für diese wenigen Gedanken festzumachen. Dies sei nur der weiteren allgemeinen Verwirrung halber angeführt und um ein daran anfallendes Autorenbashing so weit wie möglich abzumildern.
Vorzugsweise würde ich eine Partnerin in der Mitte ihrer Dreißiger suchen.
Eine Person, die den Reproduktionsgedanken noch nicht komplett über Bord geworfen hat.
Häufigste Antwort der besagten Zielgruppe zu Annäherungsversuchen meinerseits - egal wie plump oder elaboriert - um es kurz zu machen - „Nein.“
Erweitern wir das Spektrum der Suche - auf Anfang bis Mitte der Vierziger bei einer potentiellen Partnerin mit Kinderwunsch ist - meiner Beobachtung und bescheidenen persönlichen Erfahrung nach - ein Zusammenfinden eher schwierig. Mann befindet sich permanent auf dem Prüfstand, ob Mann denn auch als potentieller Erzeuger, Versorger und Aufzuchtpartner taugt. Durchaus legitime und sinnvolle Ansätze von Frau, die mit der schwinden Anzahl ihrer fruchtbaren Eizellen haushalten will und muss, aber für das nervlich eventuell schwach kostümierte Männchen ein Dauerstreßzustand, dem es mitunter nicht standhält und wenig glorreich unter der Last einknickt und mutlos in die Knie geht.
Anders als das Männchen, das mit der Fähigkeit, seine Keimzellen regelmäßig zu reproduzieren auf die Welt kommt, kommt das Weibchen mit einer von Anfang an festgelegten Zahl von Keimzellen zur Welt. Was nur rein biologisch betrachtet zur Folge hat, dass eine Eizelle, wenn diese zu Anfang der Vierziger ihrer Besitzerin befruchtet wird, diese nämlich Eizelle natürlich das gleiche Alter inne hat - während das befruchtende Spermium mitunter ein paar Tage erst alt ist.
Wir schweifen ab.
Die Macht des Fleischmarktes.
Rekapitulieren wir die Nachfrage nach meiner Wenigkeit aus den letzten paar Wochen.
Zahlreiche Damen mit bis zu zwei oder mehr Jahrzehnten an Lebenserfahrung bekunden mir ihre Sympathien in Form von Likes, Smileys, Winks, Grüßen, Beantwortung der Flirtfragen, Swipes nach rechts - abhängig von der jeweiligen Plattform - und derer gibt es mannigfaltig, man möge mir hier Glauben schenken.
Es schmeichelt einem, tut es doch gut, Interesse zu erfahren, doch wäre es auch interessant zu erfahren, ob besagt Damen schlaue und schöne - und auch singuläre - Töchter in meiner Altersklasse und etwas unterhalb dieser haben.

Hin und wieder auch die eine oder andere Dame in fast schon vermessen gleichem Alter - jedoch in der Nähe von Moskau.
Ein Blick auf den Atlas zeigt dann, dass auch Nähe in Russland relativ zu sein scheint. Mitunter relativ weit weg von Moskau und näher an Vladivostok.

Auch schon regelmäßig das wöchentliche Sich-anbieten einer Dame, die an der Ukrainisch Ungarischen Grenze nach der großen Liebe sucht - und dazu Wien als Zielgebiet auserkoren hat.
Die Gründe dazu lassen wir dahingestellt - jedoch müssen wir jede Nachricht durch ein Übersetzungsprogramm laufen lassen.
Sowohl ihre als auch meine Antworten.
Da ich aber keine Ministerin bin, die in der Slowakei eine Doktorarbeit unschuldsvermuteterweise nach bestem Wissen und Gewissen möglicherweise plagiiert, muss ich feststellen, dass solche Übersetzungsarbeiten elend sind und aufhalten, wie Seepocken an einem Schiff.

Ja, ja, der Markt reguliert.
Wer schon einmal am echten Markt - am Jahrmarkt war - oder auch auf einem Bazar im fernen Osten, wo es auf den Märkten noch zugeht, wie bei uns vor hundert oder hundertfünfzig Jahren - der weiß, wie der Markt reguliert, wer am Markt anpreist, wer am ehesten Gehör findet und wer hierbei hilft.
Der Marktschreier.
Marktschreier tun mit lauter Stimmt kund, welche Produkte wohlfeilgeboten werden.
Und leider ist es so, dass die lautesten mitunter auch die qualitativ schlechtesten sind.
Ein altes Sprichwort besagt nicht umsonst, „wer billig kauft, kauft teuer“.
So sind die, die viel Fleisch zeigen - und hier ist es unerheblich ob männlich oder weiblich - diejenigen, die optisch am lautesten auf sich aufmerksam machen.
Aber wo sind die, die die Stille, den Tiefgang schätzen?
Und wir wollen jetzt inhaltliche Tiefe nicht mit tiafen Inhalten verwechseln.
Von letzterem gibt es zur Genüge in den unendlichen Weiten des Netzes.

Das Angebot - üppig und unübersichtlich.
Die Nachfrage - bescheiden und sehr übersichtlich.
Wem hilft es?
Dem Anbieter - dem Veranstalter des Fleischmarktes, der mit überhöhten Monatsgebühren und komplizierten Kündigungsmechanismen uns die sauer verdienten Euro aus der Tasche zieht.
Anbieter am Fleischmarkt zu sein ist schließlich kein altruistisches Geschäft.
Wir wenden uns neuen - weniger irritierenden Abenteuern zu - das Bücherregal ist voll, nein, es quillt über!
Sich ständig präsentieren strengt an.
Vielleicht - nein, ganz bestimmt wird es Zeit, eine Pause vom Fleischmarkt zu nehmen.
Und dem Intellekt zu frönen.

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Kommentare zu diesem Text

Aries (34)
(29.04.21)
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