Erinnerung an "le méteque" .. oder Georges Moustaki

Tagebuch zum Thema Historisches

von  eiskimo

Mit meiner Ausländer-Visage
Typ heimatloser Jude, Typ Balkan-Flüchtling,
mit meinen langen Haaren,  vom Wind in Rage
Mit meinen weit gereisten Augen,
die nach den letzten Träumen fragen,
Ich, der ich kaum mehr zu träumen wage….

Die Fans des französischen Chansons werden die Melodie sofort wieder im Ohr haben, und sicher auch die rauchig-traurige Stimme, die dieses Chanson zu einem internationalen Hit machte – damals, 1969, als er in Frankreich zum Star wurde: Georges Moustaki und das Lied „Le méteque“, für das er mit seinem Vagabundenleben buchstäblich Pate stand.

Heute vor genau 87 Jahren wurde der Chansonnier und Dichter als Giuseppe Mustacchi  in Alexandria (Ägypten) geboren. Anfang der 50er Jahre kam er nach Frankreich und traf dort Georges Brassens, der ihn für das Chanson begeisterte. Moustaki  machte sich rasch einen Namen als „parolier“ für die damaligen Stars wie Yves Montand, Serge Reggiani, Barbara, Juliette Gréco  und vor allem Edith Piaf, mit der er auch eine kurze Liebesaffäre hatte.  Für die Piaf schrieb er den Welthit „Milord“.
Seine Karriere als Sänger mit Soloauftritten in den großen Sälen Frankreichs begann 1968. Mit Titeln wie „Ma liberté“,  „Ma solitude“ , „Hiroshima“,  "Sacco et Vanzetti“  begeisterte er ein ganz großes Publikum, nicht nur in Frankreich.
Bis 2009 war er ein immer wieder auf Tournee, unverwechselbar mit seinen langen, längst grau gewordenen Haaren , mit seiner rauchig-traurigen Stimme, immer noch als  „le métque“ in seiner Wahlheimat Frankreich.
Moustaki , der sich nach seinem Vorbild Brassens den Vornamen Georges gegeben hatte, starb 2013.
Er ist in Paris auf dem Friedhof Père Lachaise begraben.

PS: Vielleicht ist er nur verreist. In seinem Chanson "Déclaration"  deutet er an, wohin:                                                                                               

... Hiermit erkläre ich den Zustand des immerwährenden Glücks
  Das nicht nur aus schönen Worten besteht vor säuselnder Musik
  Das wir nicht irgendwo erst im Jenseits bei einem Messias genießen
  Und das schon gar nicht von Politikern dekretiert werden muss.

    Ich erkläre, dass wir selber dafür verantwortlich sind
    Das wir keine Erlaubnis brauchen und auch keine Begründung 
    Wenn wir den Zufall umformen werden in unsere Bestimmung
    An Bord eines Schiffes, das nur uns gehorcht , nicht Gott, nicht Satan.


Anmerkung von eiskimo:

"Le méteque" heißt so viel wie "Fremder" oder abwertend "Kanake".
Die Übersetzung der ersten Strophe stammt von mir, ebenso die deutsche Version seiner "Déclaration", die ein tolles politisches Manifest ist, romantisch und radikal zugleich - formuliert von einem Ägypter italienischer Abstammung, der Franzose wurde.

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Kommentare zu diesem Text


 IngeWrobel (03.05.21)
Gerade habe ich (leider erfolglos) nach dem Titel einer Picasso-Zeichnung gesucht, die ich sofort mit dem Titel "Le Méteque" und Georges Moustaki in Verbindung bringe.
Das Bild zeigt einen dürren Mann mit Vollbart in abgerissenen Klamotten – ich glaube, es heißt "der Bettler". Ich bewahre diese Kunstpostkarte in der Plattenhülle von dem Chanson auf. Für mich gehört das irgendwie zusammen: traurig und schön.
Danke für diese Erinnerung!
Liebe Grüße
Inge

 eiskimo meinte dazu am 03.05.21:
Merci, sage ich Dir, für dieses Bild, das so perfekt passt und nostalgische Erinnerungen wachruft!
Traurig und schön, mit der Betonung auf schön!
Voilà!
Eiskimo

 Dieter Wal (03.05.21)
Wo?  Georges Moustaki - C'est là (1981)

Mag den Text besonders.

 eiskimo antwortete darauf am 03.05.21:
Danke! Dem kann ich nur beipflichten.
Ich kannte diesen Text noch nicht; er hat Tiefe! Und er bestätigt mein Faible für Moustaki. Es reizt mich geradezu, mehr von ihm zu übersetzen
"La paresse" gefällt mir auch besonders oder "Votre fille a 20 ans"
Ich lege gleich mal eine CD ein....
LG
Eiskimo

 Dieter Wal schrieb daraufhin am 03.05.21:
Mein Vater übersetzte für mich Lieblingschansons von Brassens, Brél und Moustaki. Ich kannte die Texte auswendig, ohne ein Wort zu verstehen. Darauf schrieb ich mir die Vokabeln ab. Wiederholte sie mehrere Wochen. In wenigen Wochen hatte ich damit einen Wortschatz von ca. 20.000 Vokabeln. Richtig Französisch mit Grammatik etc. lernte ich erst Jahre später in der Schule. Aber es war witzig in Frankreich, weil ich praktisch alles verstand, doch so gut wie nicht sprechen konnte. In den 80ern gab es wegen dem 1. und 2. WK verständlicherweise noch viele Vorurteile gegen Deutsche. Alle sprachen darüber, solange sie davon ausgingen, dass ich nichts verstand. :)

Der Text kann in jeder erdenklichen Form interpretiert werden. Die Vertonung ist daran leider das Schwächste. Vielleicht wird der Text ja eines Tages von besseren Komponisten entdeckt. Ich hoffe es sehr. Nur dürfte ich es eher nicht erleben. Nach uns Kommende.

Antwort geändert am 03.05.2021 um 14:13 Uhr

 eiskimo äußerte darauf am 03.05.21:
Ich bin als Knabe nach Frankreich gekommen, mit 9 Jahren. Kein Wort Französisch; musste ins kalte Wasser springen. hatte aber bald Spielkameraden, und so lernte ich schnell Französisch - übrigens auch mithilfe von Chansons. Da hat man ganze Sprachmodule im Kopf....
Ressentiments habe ich in Frankreich ganz selten nur erlebt, viel mehr ist da große Bewunderung für uns Deutsche.
salut
Eiskimo

 DanceWith1Life (03.05.21)
Gut, dass du mich an den erinnerst, der lief auch oft, in der "Teestube"

 GastIltis (28.06.21)
Hallo eiskimo,
dass du an Georges Moustaki erinnerst, finde ich bemerkenswert, zumal ich „Le Meteque“ auch (oder überhaupt) zu meinen Lieblingsliedern zähle. Ich spreche kein Französisch, habe mich aber versucht, mit dem Text vertraut zu machen. Zwei Bemerkungen habe ich dazu: Dass der Kanake in verschiedenen Übersetzungen auftaucht, ist für mich total verfehlt. Wer sich mit der griechischen Geschichte ein wenig beschäftigt hat, und Moustaki hat es zweifellos, denn wozu verwendete er Penelopes Namen in seinem ebenso schönen Chanson Grand-pere, wüsste doch um die Bedeutung der Metöken in der Stadt Athen, die erstaunlicherweise eine Steuer in der Stadt entrichten mussten.
Und eine zweite Geschichte ist mir noch aufgefallen. Den von dir mit „heimatlos“ charakterisierten Juden kann man durchaus auch als „Ewigen Juden“ benennen. Wir wissen, dass mit dem Begriff viel Unheil angerichtet worden ist. Dafür stehen wir aber nicht!
Dennoch, manchmal liest man Texte viel zu spät.
Hier nicht, viele herzliche Grüße von Gil.

 eiskimo ergänzte dazu am 28.06.21:
Danke, Gil, für diese vertiefenden Gedanken. Ich freue mich, dass auch andere eine so positive Erinnerung an Moustaki haben. Speziell an den "méteque"..... Dessen Träume sind auch heute noch aktuell!
lG
Eiskimo

 Quoth (28.06.21)
Hallo Eiskimo, habe mir "le métèque" von Moustaki auf youtube gerade mal (wieder) angehört. Der Chanson löst völlig andere Gefühle in mir aus: Es ist ein Element von Larmoyanz in seiner Selbstdarstellung. Indem er sich mit allen Eigenschaften des Outsiders schmückt, schein er sich bescheiden klein zu machen, macht sich zugleich als Individuum aber immens groß und erinnert an den Aphorismus (de La Rochefoucauld?): Bescheidenheit ist die schlimmste Form von Eitelkeit. Ich begreife, dass gerade diese Widersprüche seine Kunst so wirksam und erfolgreich gemacht haben - aber ich finde mich in ihr nicht wieder, fand es aber gut, mich hier mal von ihr angrenzen zu können. Danke! Gruß Quoth
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