Traurigerweise

Parabelstück zum Thema Mystik

von  Terminator

Glücklich sind, die glücklich sind, wenn sie glücklich sind, und die traurig sind, wenn sie traurig sind, - ein elementarer Satz der Mystik. Glücklich sind, die glücklich sind, wenn sie glücklich sind. Die glücklich sind, aber nicht glücklich sind, sondern dankbar sind, dass sie glücklich sind, sind nicht glücklich. Wer glücklich ist, ist glücklich, und muss nicht um sein Glück in Furcht oder in Dankbarkeit bangen.

Die traurig sind, sind aber schon traurig, - wie können diese noch glücklich sein? Mystik ist nicht Psychologie, es geht nicht darum, dass etwa traurige Kinder auf Befehl der Eltern nicht traurig sein dürfen, sprich keine Traurigkeit zeigen dürfen, und deshalb depressiv werden. Wir betrachten den weniger banalen Fall: jemand ist traurig, und darf es auch sein, und seine Traurigkeit ist nicht grundlos, - und wir behaupten nichts weniger, als dass er trotzdem glücklich sein kann.

Wer traurig ist, ist nicht bloß traurig: auch er bangt und fürchtet sich, wie der Glückliche um sein Glück. Ein Glück, das nicht als Glück angenommen wird, ist kein Glück. Eine Traurigkeit, die nur Traurigkeit ist, und keine Verzweiflung, ist ein Glück.

Glücklich sind, die hungern, doch nicht ans Verhungern denken, sondern einfach hungrig sind. Glücklich, die sich fürchten, doch nicht das Schlimmste bereits vorwegnehmen, sondern sich einfach nur fürchten. Glücklich, die trauern, und nicht daran verzweifeln.

Es gibt jeden Grund, traurig, hungrig, durstig, beschämt und ängstlich zu sein. Doch es gibt keinen Grund, diese Zustände als unentrinnbares Schicksal an die Wand zu projizieren und anzustarren. Der nächste Augenblick kann alles verändern.

Traurigerweise hält man fest, was man hat, und sei das, was man hat, Trauer, Durst, Scham oder Furcht. Glücklicherweise muss man nicht festhalten, was man behalten will. Traurigerweise hält man an Gründen fest, wie an einem Grund, hält sich fest am Boden, - wo man gleichzeitig versucht, zu fliegen. Glücklicherweise passiert alles, was wichtig ist, grundlos, nämlich aus der Freiheit des Willens. Mystik ist Vernunft, keine Zauberei. Wer das Gesagte so verstanden hat, als müsse man nur sich etwas, das man will, mit größter Sehnsucht wünschen, hat nichts verstanden.

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Kommentare zu diesem Text


 Teichhüpfer (18.09.22, 19:33)
Das sind Generations Unterschiede. Die einen erleben Traurig und Glück nicht wie die anderen.
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