Völkerverbindendes Singen im Flugzeug

Anekdote zum Thema Musik

von  EkkehartMittelberg

Vor dreißig Jahren überquerten meine Frau und ich auf dem Flug von den Fidschi-Inseln nach Hawaii zweimal die Datumsgrenze. Das hatte zur Folge, dass ich an zwei Tagen hintereinander Geburtstag feiern konnte. Die Quantas-Fluglinie zeigte sich großzügig und spendierte uns reichlich Sekt. Auch Mitglieder unserer deutschsprachigen Reisegruppe kamen in den Genuss, die mir mit „Happy Birthday“ ein Ständchen brachten.
Mitreisende Australier und Neuseeländer wollten da nicht zurückstehen und schenkten mir ebenfalls singende Congratulations, die gleichfalls von Quantas mit Sekt honoriert wurden.
Sie können sich bestimmt vorstellen, dass das ungewöhnliche Singen im Flugzeug in kurzer Zeit sowohl die Fluggäste als auch die Crew in Hochstimmung versetzte.
Die Aussis offenbartensich bald als Fans deutscher Volkslieder und baten die Deutschen um einen diesbezüglichen Beitrag. Diese trafen genau den Nerv der Zuhörer mit die „Gedanken sind frei“ und „ Kein schöner Land in dieser Zeit“, denn sie wussten um deren Vorliebe  für deutsche Romantik oder das, was sie dafür hielten.
Wir baten die Australier und Neuseeländer sich mit Folksongs in ihrer Sprache zu revanchieren. Diese trafen eine Wahl, die es jetzt den meisten Mitreisenden ermöglichte, in den Gesang einzufallen, denn wer kannte nicht „My Bonnie is over the ocean“ und „Oh my darling Caroline“
Ich weiß nicht, ob die Crew so etwas schon einmal erlebt hatte. Sie schien jedenfalls glaubwürdig überrascht und begeistert, ließ sich nicht lumpen und ölte die Kehlen der fleißigen Sänger mit Wein und Sekt.
Es dauerte nicht lange, bis sich wegen der großen Zahl der  SängerInnen die Lieder in deutscher und englischer Sprache pausenlos ablösten. Die ungewöhnliche Situation hatte die Seelen so heiter gestimmt, dass sich alle bemühten, landestypische Folklore möglichst schön zu singen.
Ich weiß noch, dass das letzte Lied, bevor die Fluggäste beschwingt den Flieger auf Hawaii verließen, „Good night Ladies“ war.

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Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (15.05.21)
Ich wunderte mich auch schon über die kurvigen Kondensstreifen, aber schön, dass das so glimpflich ausging. 😂😂

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.05.21:
Hallo Frank, das hast du aufmerksam beobachtet.. Ein Mitreisender meinte auf Hawaii, der Flieger sei Zickzack geflogen, doch die allgemeine Meinung war, dass es sich um Schlangenlinien handelte.

 Regina (15.05.21)
Die Beschwingtheit beruhte möglicherweise auf Sauerstoffmangel. Normalerweise darf in Räumen unter 5m Höhe nicht in Chören gesungen werden. Nochmal glück gehabt. LG Gina

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 15.05.21:
Merci, Gina, jetzt, wo ich das weiß, werde ich mich wegen der Beschwingtheit zum Bunkersänger entwickeln.
Jo-W. (83)
(15.05.21)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 15.05.21:
Merci, Jo, die ungewöhnliche Situation hat wahrscheinlich die meisten Sänger von Hemmungen befreit.

LG
Ekki

 Moja (15.05.21)
Was für eine wunderbare Geschichte, lieber Ekki, ich stelle mir das lebhaft vor - ein Himmel voll klingender Stimmen und dann noch zweimal Geburtstag feiern hoch droben.

Beschwingte Grüße,
Moja

Kommentar geändert am 15.05.2021 um 09:14 Uhr

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 15.05.21:
Grazie, so war es, Moja. Es waren sich wohl alle bewusst, etwas Besonderes zu erleben und deshalb gab es auch niemanden, der einen "falschen Ton" in den Gesang getragen hätte.
Beschwingte Grüße zurück
Ekki

 harzgebirgler (15.05.21)
super, sehr stimmungvoll!...

...nationales liedgut so zu kosten
ließ auch dank des sekts die kehl'n kaum rosten.

lg
henning

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 15.05.21:
hallo Henning,
manchmal kann es ja mit dem nationalen Liedgut peinlich werden. Ein Glück, dass niemand ein Lied anstimmte, das deutsch national belastet war.

LG
Ekki

 Habakuk (15.05.21)
Gefällt mir. Mein bescheidener Beitrag, den ich zum Besten (wohl eher zum Schlechten, was die Stimmqualität anbelangt) gegeben hätte, wäre folgender gewesen:

[exturl=http://www.youtube.com/watch?v=6P7VXSQSySU
]ext. Link[/exturl]

Ein wahres deutsches Volkslied mit einer langen Geschichte, auf Wikipedia nachzulesen.

BG
H.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.05.21:
Merci, Habakuk, das Lied "Hohe Tannen weisen die Sterne" wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in deutschen Jugendherbergen oft gesungen.. Wir waren noch zu jung, um über ideologische Implikationen nachzudenken und fanden arglos die Melodie bezaubernd schön.

Beste Grüße
Ekki

 AZU20 (15.05.21)
Ich bin zwar auch viel gereist, aber solch ein Vergnügen hatte ich nicht. Toll. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.05.21:
Danke, Armin, unsere Generation hatte bei ihren Reisen den Vorteil, dass die Tourismusbrache noch nicht so perfektioniert war und dass sich einige Erlebnisse aus der Tatsache ergaben, dass nicht so scharf kalkuliert und improvisiert wurde. Ich kann mir zum Beispiel die Großzügigkeit mit den Getränken, die Quantas damals zeigte, heute nicht mehr vorstellen.

LG
Ekki

 Graeculus (15.05.21)
Anschauliche Schilderung einer bemerkenswerten Flugreise. Schon der zweimalige Geburtstag ist eigentümlich, und dann löst das Geburtstagsständchen eine musikalische Kettenreaktion aus.
Unvergeßlich!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.05.21:
Gracias Graeculus,
mal angenommen, man würde diese Reise mit denselben Rahmenbedingungen wie vor dreißig Jahren noch einmal machen, das Publikum wäre aber von 2021 (ich blende Corona aus), wäre ich nicht sicher, ob die musikalische Kettenreaktion entstehen würde. Ich vermute, dass man nicht mehr bereit wäre, in dem Maße aus sich heraus zu gehen. Ich weiß, dass ich spekuliere.

 Graeculus meinte dazu am 15.05.21:
Das vermag auch ich Dir nicht zu sagen - dafür fliege ich zu selten. Beim letzten Mal sprach man noch von Flugschein, wo doch heute alles mögliche Ticket ist.

 AchterZwerg (15.05.21)
Im Grunde ein Text für bluenote: "Wunder geschehen immer wieder!"

Gut, dass die Reiselust im Alter etwas nachlässt ... vermutlich machst du jetzt auch seltener Bungee Jumping als früher, nicht wahr?

;-)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.05.21:
Merci, Piccola, das Fatale ist, dass meine Reiselust ungebrochen bleibt, dass inzwischen aber die Versicherungssummen gegen die Folgen von Bungee Jumping so unverschämt hoch sind. :)

 TassoTuwas (16.05.21)
Hallo Ekki,
ich erinnere mich dunkel an einen Vorfall auf dem Airport Hawaii, der seinerzeit um die Welt ging.
Eine Maschine der Quantas blockierte für Stunden das Rollfeld weil die Insassen sich einen Gesangswettstreit lieferten an dem sich auch die Crew beteiligte. Da alle Appelle den Flieger zu verlassen keinen Erfolg zeigten, mussten Ordnungskräfte die Maschine räumen, wobei die Reisenden beim Abtransport tapfer weiter sangen.
Wieder ein Beweis dafür, "Wo man singt da lass dich ruhig nieder",
Schöne Geschichte.
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.05.21:
Vielen Dank, Tasso. Falls jemand den Wahrheitsgehalt meiner Erzählung bezweifelt haben sollte, hast du seine Bedenken bestimmt zerstreut.
Herzliche Grüße
Ekki
Agnete (66)
(16.05.21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.05.21:
Merci, Agnete, ich freue mich, dass auch deine Erlebnisse mit Aussies, Kiwis und Quantas meine Erzählung bestätigen.
LG
Ekki

 Dieter Wal (24.05.21)
Völlig berechtigter Augenzeugenbericht. So etwas sollte man unbedingt schriftlich fixieren.

Der Titel wird wesentlich ansprechender und aussagekräftiger, wenn Du statt "Völkerverbindendes Singen im Flugzeug" einfach "Völkerverbindendes Singen" schreibst. Dann erfüllt er stärker seinen Zweck, möglichst viele geeignete Leser anzusprechen.

Dass es im Flugzeug stattfindet, muss nicht im Titel gesagt werden, obwohl es natürlich völlig korrekt ist. Hier macht es den Titel jedoch leider schwach. Und das ist schlecht.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.05.21:
Merci, Dieter, ich hoffe dich überzeugen zu können, dass der von mir gewählte Titel doch berechtigt ist. Völkerverbindendes Singen findet häufiger statt. Aber in Flugzeugen wird höchst selten gesungen. Gerade deswegen findet mein Titel Aufmerksamkeit.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.05.21:
So ist der Titel ein guter Laubsägearbeits-Titel. Schwerfällig, hölzern, unbeholfen.

Ohne das Flugzeug im Titel erhöhst Du Deine Zielgruppe und sprichst damit etwa 70% mehr Menschen an. Denn dann titulierst Du den eigentlichen Hauptinhalt. Das "Völkerverbindende Singen" (Friedenssehnsucht und Wunsch nach Harmonie des Menschen), den Gesang, die menschliche Stimme, die Kunst, die Grenzen überwindet, den Geist, der Frieden stiftet, ist der Hauptinhalt. Ein guter Titel muss nicht immer alles sagen, sondern bei möglichst vielen Lesern Interesse wecken, den Text darunter zu lesen. Willst Du die Fans des Fliegens darüber hinaus zusätzlich ansprechen, finden sich wesentlich bessere Titel.

Die Diskussion ließe sich mit dem Lektor fortsetzen, so Du die Anekdote in ein Buch beförderst.

Antwort geändert am 26.05.2021 um 11:49 Uhr

 Lluviagata (25.05.21)
Hallo Ekki,

ich habe vergnügt gelesen und mitgeschunkelt. Habt ihr euer Hotel dann gefunden?

Liebe Grüße
Llu ♥

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.05.21:
Merci, Andrea, wir haben unser Hotel gefunden, sahen aber vom Balkon aus ein Flugzeug starten, das Schlangenlinien flog. :)

Liebe Grüße
Ekki
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