Nicht nicht nicht kommunizieren geht

Minisaga zum Thema Gesicht

von  Terminator

Watzlawicks Postulat "Man kann nicht nicht kommunizieren" ist kein deskriptiver, sondern ein normativer (extranormativer) Satz. Nichtkommunikation ist emotionale Privatsphäre. Viele Missverständnisse entstehen gerade dadurch, dass eine nichtkommunikative (sachlich notwendige oder willkürliche, aber private) Tat als kommunikative Handlung gedeutet wird. Der selbsternannte Empfänger bezieht das Resultat des Kopfschmerzes, der Müdigkeit oder der Konzentration auf den eigenen Gedankenfluss des unfreiwilligen Senders auf sich und fühlt sich unfreundlich angeguckt, respektlos angegähnt oder ignoriert.

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Kommentare zu diesem Text


 Soshura (09.06.21)
"Nichtkommunikation ist emotionale Privatsphäre."

Hui, ich weiß nicht so ganz ... Ich selbst glaube, dass eine Nichtkommunikation unmöglich ist. Ich glaube auch, dass dies anzweifelbar ist. Ich glaube vor allem, dass der Konsens beider Aussagen in meiner Unwissenheit liegt.

Eine emotionale Privatsphäre halte ich nur sehr eingeschränkt, wenn überhaupt möglich. Ziehe ich die Abwesenheit eines Senders (als mögliche Ausprägung seiner emotionalen Privatsphäre) in Betracht, kann dies trotzdem zu einer Kommunikation führen. Der Empfänger kann die Abwesenheit als Ignoranz seitens des Senders deuten. Voraussetzung dafür sind die Phantasie und die Erwartungshaltung des Empfängers.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass der Empfänger monologisierend den Senderpart übernimmt, indem er ihn einfach in seiner Phantasie erschafft, und das Ergebnis des geführten Monologs externalisiert.

Ich orientiere mich bei meinen Gedanken an Claude E. Shannons Kommunikationsmodell, dass der Empfänger die Botschaft bestimmt.

 Terminator meinte dazu am 09.06.21:
Wenn der Empfänger die Botschaft bestimmt, ist das eben nicht die Botschaft des Senders, sondern sein eigenes Kopfkino.

 Soshura antwortete darauf am 09.06.21:
Ja, und doch ist das Teil der Kommunikation.

 Terminator schrieb daraufhin am 09.06.21:
Ich will gerade die Grenze zwischen Kommunikation und Nichtkommunikation ziehen, damit der Begriff der Kommunikation sinnvoll, und nicht beliebig ist. Ein innerer Monolog, der durch die bloße Anwesenheit eines anderen Menschen provoziert wird, ist eben keine Kommunikation.

 Soshura äußerte darauf am 09.06.21:
Da kann ich Dir nicht behilflich sein. Wie gesagt, für mich ist - salopp gesagt - alles Kommunikation. In meinem Bild gibt es keine Nichtkommunikation. Trotzdem, viel Glück!

Sosh

Antwort geändert am 09.06.2021 um 15:03 Uhr

 Terminator ergänzte dazu am 09.06.21:
Ich suche keine Kompromisse. Ich stehe unnachgiebig für Intronormativität. Wer meine Nichtkommunikation als Kommunikation deutet, ist am Missverständnis allein schuld.

 Soshura meinte dazu am 09.06.21:
Ich mag den Fehler. Ist sozusagen ein Individualitätsversprecher. Ausgehend von der Vermutung, dass Selbstgespräche und bruchstückhaftes Verstehen treue Begleiter sind, tröste ich mich damit, dass das Verständnis darüber ein wesentlicher Beitrag zur Veränderung meines Unwissens ist. Ab und an habe ich dann sogar etwas zu Lachen.

 Terminator meinte dazu am 09.06.21:
Und mir geht es um moralisch richtiges Handeln. Es gibt keine Pflicht zur Kommunikation bzw. jeder hat das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. Wenn ich in der S-Bahn ein Buch lese, dann lese ich das Buch, und kommuniziere nicht, dass ich kein Bock auf Kommunikation habe.

Der Default-Zustand der Privatsphären-Grenze ist "zu". Es muss für eine Bitte um Grenzöffnung einen zureichenden Grund geben.

 Soshura meinte dazu am 09.06.21:
Anwesenheit ist mehr als zureichend. Da Du Deine Umwelt selbst beim Buchlesen wahrnimmst, vermute ich, ist der Default "auf". Abgesehen davon gibt es private Bereiche, innerhalb derer wir uns gegenüber anderen sicher, komfortabel, intim fühlen. Eine Verletzung jener Grenzen meintest Du jedoch nicht, oder?

 Terminator meinte dazu am 10.06.21:
Wahrnehmung ist noch nicht Kommunikation. Kommunikation ist intentional.

 Soshura meinte dazu am 10.06.21:
Ist es vorstellbar und vielleicht auch einigermaßen verständlich, dass zwischen dem "Sender-Ding" und dem "Empfänger-Ding" unendlich viele Sender-Empfänger-Paare geschaltet werden können, ohne dass dies von den beiden Vorgenannten wahrgenommen wird? ((Sozusagen eine unbemerkte Stille-Post-Kette))

 Terminator meinte dazu am 10.06.21:
Das ist anscheinend so, allein schon, weil die eigene Psyche ständig mit sich selbst kommuniziert (nach Freud: Es/Ich/Über-Ich, nach Jung die kognitiven Funktionen als archetypische Personen innerhalb einer einzigen Person).

 Soshura meinte dazu am 10.06.21:
Fritz Riemann reiht sich mit seinen Persönlichkeitstypen unter anderen Betrachtungsaspekten ebenso ein. Ich fragte oben, weil mir, um Dir folgen zu können, dass "Wahrnehmung ist noch nicht Kommunikation." unklar ist, wo die von Dir gemeinte Wahrnehmung beginnt und endet. Vielleicht ist ja dort die Grenze, die Du suchst? Vielleicht sind es sogar mehr als eine? Ich habe darauf keine abschließende Antwort, die ich in Worte fassen kann - siehe auch meinen ersten Post.

;-)
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