Das kleine Mädchen

Geschichte

von  AnneSeltmann

Illustration zum Text
Tuschezeichnung(AnneSeltmann)
(von AnneSeltmann)
Das kleine Mädchen

Da saß sie nun, in einem Vorzimmer eines Heimes. Wie zur Schau gestellt , hoffend und wartend. Heute sollte ihr großer Tag sein. Ihre kleine Freundin war ja nun auch nicht mehr da, hatte endlich Eltern gefunden, die sich ihrer annahmen. Sie war ein Waisenkind, von Geburt an. Ihre leibliche Mutter hat sie einfach weggegeben. Sie weinte viel nach ihrer Mutter, die sie doch nicht kannte. Dann endlich, endlich wurde sie aus diesem Vorzimmer geholt, für ein Kennenlernen. Da saßen sie nun, eine Frau und ein Mann und sofort sprang ihr kleines Herz über. Sie hatte es sofort gewusst, dass diese Menschen sie für immer behalten wollten. Jedes Wochenende wartete sie sehnsüchtig  auf ihre „neuen“ Eltern. Sie machten regelmäßig Sparziergänge mit ihr.  Aber dann, wenn es hieß „Wir müssen wieder zurück“ rollten ganz leise dicke Tränen über ihre Wangen. Die Frau fragte, warum sie denn weinte. Das  kleine Mädchen antwortete stets mit derselben Antwort: “Ach das ist nur der Wind“ und das bei schönstem windstillen Wetter. Hin und wieder bekam sie kleine Geschenke von den „neuen“ Eltern, aber sie durfte sie nicht behalten, sie musste sie stets bei den Erzieherinnen abgeben. Und das machte sie noch mehr traurig. Wie gerne wäre sie mit dem kleinen weißen flauschigen  Hund Abends ins Bett gegangen, hätte mit ihm gekuschelt um sich an die liebe Frau und dem Mann zu  erinnern. Dann eines Tages, als hätte sie es gespürt, kam das Wochenende, das alle übertraf.  Man packte plötzlich  Koffer und Taschen. Sie kaute vor Aufregung an ihren Fingernägeln, was sie immer tat, wenn sie sehr aufgeregt war.
Es war der 4. November 1965 ein Tag vor ihrem 6.Geburtstag. Da standen sie nun, die „neuen“ Eltern, was nicht ungewöhnlich war. Sie kamen ja jedes Wochenende. Aber diesmal kamen sie, um das kleine Mädchen für immer zu holen.
Für immer! Wie schön das klingt.  Als sie ihr neues Zuhause betrachtete, fing sie  wieder an zu weinen.  Aber diesmal nicht aus Traurigkeit. Nein, sie konnte schon erfassen, dass diese Tränen aus reinem Glück geweint wurden. Gegen Abend brachte die neue Mami das kleine Mädchen zu Bett. Sie bekam eine Gute Nachtgeschichte vorgelesen. Oh wie herrlich war das. Das kannte sie überhaupt nicht. Sie schlief glücklich ein .Am nächsten Morgen stand sie schon sehr früh auf, um nachzusehen, ob dies nicht ein schlechter Traum war.  Aber was war das?  Da stand ein Geburtstagstisch mit einem Kerzenkranz, indem  sechs bunte Kerzen brannten. Hatte sie doch tatsächlich in all der großen Aufregungen der letzten Tage, völlig vergessen, dass sie Geburtstag hatte. Diesen Geburtstag hat sie aber ein Leben lang nicht mehr vergessen.


© Anne Seltmann


Anmerkung von AnneSeltmann:

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Kommentare zu diesem Text

Anne (56)
(28.09.13)
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 Dieter_Rotmund (21.06.18)
Guten Morgen. Der viel besseren Lesbarkeit wegen ist es gute Sitte (und eigentlich auch Regel), dass man hinter jeden Satzpunkt ein Leerzeichen macht.

 AnneSeltmann meinte dazu am 21.06.18:
Wo du Recht hast, hast du Recht!
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