Keine Geschichte

Kurzprosa zum Thema Innenwelt

von  Anyango

Der Gestank hunderter Parfumflaschen in glitzernd strahlender Umgebung war mir schon immer verhasst. Als ich das Geschäft betrat schlugen mir die wabernden Kompositionen so heftig entgegen wie zuvor die Menschen in der Einkaufsstrasse. Mir war immer noch nicht klar, wie es mir gelang so ruhig durch die Fußgängerzone zu gehen, innerlich tobend, aber immerhin ohne einen von ihnen am Kragen zu packen und zu schütteln, als ob es mir gelingen könnte ihn wachzurütteln.
Ich ging weiter zur Rolltreppe und fuhr nach oben während bunte Schilder mir Bettlaken für 9,99, Winterjacken für 49,99 und Mützen für 12,99 anboten.
Ich dachte darüber nach, ob das vielleicht eine Idee von Wirtschaftspsychologen war. Möglichst früh im Jahr, am besten August, Winterartikel in die Geschäfte zu stellen, um die Käufer mit dem Gedanken an die kalten Monate zu frustrieren und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zu bieten den Frust durch Einkäufe loszuwerden. Ich werde entweder langsam paranoid oder bin wieder einmal auf eine Verschwörung des Kapitalismus gestoßen.
In der Schreibwarenabteilung angekommen ging ich so direkt wie möglich zu den Blöcken, den Kugelschreibern und dann zur Kasse. Wie nicht anders zu erwarten war stand eine ältere Dame mit Stock und Hut vor mir, die sich bei der Verkäuferin über den Euro beschwerte und die Preise von damals lobte.
Nachdem ich gezahlt hatte, fuhr ich wieder nach unten und verließ das Geschäft wie auf der Flucht vor den Waren und Verkäufern.
Auf meinem Rückweg zum Englischen Garten war ich so sehr in mir versunken, dass ich mich nicht einmal über Passanten mit Anzug und Handy am Ohr oder die vollen Versacetaschen aufregte.
Ich betrat, von Kameras beobachtet, deren wahren Sinn ich jetzt nicht näher ausführen möchte, den Englischen Garten in der Nähe der Universität und setzte mich an den Bach. Vor etwa einer Stunde hatte ich an der selben Stelle bemerkt, dass ich ohne Schreibsachen, also praktisch völlig nackt war und nun mit meinem Neuerwerb fühlte ich mich schon deutlich wohler.
Ich wollte ein Gedicht schreiben, oder vielleicht auch eine Kurzgeschichte, wenn mir auf die Schnelle etwas einfiel. Eine Geschichte, die all das beschrieb, was ich in dem Moment fühlte. Aber von was anderem hätte diese Geschichte handeln können als von mir im Konflikt mit dem Rest der Welt. Eine Geschichte über mich, eine Tragödie oder eine Komödie – in jedem Fall ein Drama. Eine junge Frau, die versucht die Welt zu verbessern und bereits am Gartenzaun scheitert. – Die Anthologien haben nur darauf gewartet! Um dem Trend zu folgen könnte die Protagonisten noch von Existenzängsten geplagt Carnegie lesen. Ich fragte mich, ob Konstruktivisten Existenzängste hätten und merkte, ich war abgelenkt.
Ein paar Minuten lang saß ich nur da und lauschte dem Rauschen des Baches bis mir mein Vorhaben wieder einfiel. Ich sah wieder auf mein leeres Blatt und fing an den Rand mit kleinen Mustern zu verzieren. Ob ich tatsächlich eine Arbeitsstörung habe? Ich war aus anderen Gründen in Therapie und wollte mir keine zusätzliche Diagnose zumuten.
Das diebische Gelächter des Großstadtdschungels ging gerade unter, als ich mich mitten im Park in einer einsamen überfüllten Ecke wiederfand.
Das half mir auch nicht weiter. Ich saß ja wirklich in einem Park und um mich herum passierte nichts, das mich hätte inspirieren können. Warum also sollte ich darüber schreiben? Ich strich die Worte mit der Gewissheit, dass mir besseres einfallen würde wieder durch.
Ich überlegte, ob es vielleicht dieses Lebendige in mir war, dass es mir unmöglich machte zu schreiben. Noch wenige Monate zuvor hatte ich, dem Tod näher als jemals zuvor, wie von einer unbekannten Macht diktiert ein Gedicht nach dem anderen geschrieben. Diese Lust doch irgendwie zu leben schien mich daran zu hindern meine Gedanken so zu hinterfragen, dass ich sie schriftlich fixieren könnte. Eine Art Selbstschutz, um nicht wieder in alte Schemata zu verfallen.
Ich gebe zu, ich suchte nur nach Ausreden. Mir war klar, dass ich erst jetzt, da es mir besser ging, das volle Spektrum der Gefühle und Empfindungen erfassen und eigentlich auch verwenden könnte, wenn ich nur eine Idee hätte, wofür...

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text

kiddo (22)
(25.04.05)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
kiddo (22) meinte dazu am 25.04.05:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Anyango antwortete darauf am 25.04.05:
Danke für den Hinweis, habs schon geändert.
Schön zu wissen, wie produktiv ich manchmal bin Liebe Grüße, Anyango
shadowhunter (28)
(04.10.05)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram