Die Beerdigung I

Anekdote zum Thema Ironie

von  Bellis

Klar war die Beerdigung der Mutter meines Schwagers traurig. Ich habe einige Tränchen vergossen, aber mehr vor Rührung und vor Mitleid mit meinem Schwager und meinen Nichten und Neffen, denn die waren alle mächtig betrübt. Aber drollige Momente gab´s auch.

Die alten Leutchen haben bestimmt zu sich gesagt: "Eine schöne Beerdigung war´s!" Und es waren hauptsächlich alte Leutchen da: Freundinnen, Kollegen, Nachbarn, ihre Familie (Geschwister und Tanten) und einige aus der Familie ihres (2001 verstorbenen) Mannes. Alle kamen vorbildlich in Schwarz, und man sah den Klamotten an, dass sie entweder nur zu Beerdigungen oder hohen Kirchgängen aus dem Schrank geholt werden oder dass sie hastig aus der Alltagskleidung zusammengestellt oder sogar zusammengeborgt wurden. Hauptsache schwarz. Ich gebe zu, dass ich auch vor der Beisetzung noch was gekauft habe: Eine schwarze Jacke, die nicht hätte sein müssen, es war kalt genug für meinen schwarzen Wollmantel.

Meine Eltern und ich waren eine halbe Stunde vor Beginn der Trauerfeier auf dem Friedhof. Das macht man so, sagte meine Mutter, man kommt nicht auf den letzten Drücker, weil das keinen guten Eindruck macht. Wir waren beinahe die ersten dort. Das schien ihr wiederum auch irgendwie peinlich zu sein, denn sie zog mich auf Umwegen an der Trauerhalle vorbei, weil es sich wiederum nicht gehörte, vor den Leidtragenden am Eingang zu sein. Aha?
Vor dem Eingang standen das Kondolenzbuch auf einem Pult, daneben der Trauerredner und ein junger Mann, welcher mir zunickte: Das war Thomas, der mit mir früher im Volkskunstensemble jodelnd tanzte und jetzt die Funktion des Trauersängers (sowas gibt´s?) übernommen hat; wahrscheinlich, weil gute Jobs nach dem Musikstudium rar sind. Sehr seriös sah er aus, in seinem langen schwarzen Mantel, und sehr erwachsen.
Die anderen Trauergäste trafen ein, gruppierten sich um den Eingang. Dann kam die Familie meines Schwagers. Ich winkte erst mal nur von weitem zaghaft meiner Schwester zu, die mit verweintem Gesicht meinem Schwager und dessen Schwester in die Trauerhalle folgte und dort in der ersten Reihe Platz nahm. Meine Nichte und mein Neffe standen noch eine Weile weinend draußen, ließen sich von uns umarmen und waren wirklich sehr traurig. Da musste ich auch schlucken, wobei ich mir nicht sicher bin, was mich mehr betroffen machte: Ihr offener Kummer oder mein Gefühl, selbst gar nicht so sehr Gram über den Tod eines Menschen empfinden zu können. Denn bisher habe ich noch nie so heftig um jemand Verstorbenen getrauert.

Dann standen wir im Vorraum der Trauerhalle in der Schlange, ganz am Ende, und warteten, regungslos, schweigend, mit ernsten Mienen. Meine Eltern hatten netterweise daran gedacht, mich mit auf dem Trauergebinde zu verewigen: In stillem Gedenken... In dem Blumenmeer vor dem Urnenaltar sah ich das Gebinde allerdings nicht, ich war zu sehr damit beschäftigt zu gucken, wie sich die Leute vor mir verhielten, damit ich nichts falsch mache.
Fürsorglich hatte ich meine Mutter untergehakt, eigentlich hielt ich mich aber an ihr fest, weil ich mich steif und unsicher fühlte. Immerhin war das erst meine dritte erlebte Beerdigung, viel Erfahrung hatte ich mit dem Zeremoniell also nicht.
Die Frau vor uns stand nun für ein paar Gedenksekunden vor dem an der Urne lehnenden Foto, das mein Vater gescannt und extra vergrößert ausgedruckt hatte, und trat dann zur ersten Reihe, um flüsternd zu kondolieren. Meine Mutter zog mich einen Schritt nach vorn, wir starrten auf Urne und Bild und heimlich aus den Augenwinkeln zur ersten Reihe, aus der die Vorgängerdame endlich abzog. Dann waren wir dran.

Und da passierte mein Fauxpas! Meine Mutter hatte mich vor sich hergeschoben, so dass ich als erste in die Reihe trat und prompt bis ganz zur Kapellenwand durchlief. Dort saß aber nicht mein Schwager (als einer der beiden Haupt-Leidtragenden), sondern meine Schwester, der ich als erstes kondolierte! Auweia! Meinem Schwager ist es auf jeden Fall aufgefallen, denn der guckte etwas verwirrt. Ob meine Schwester das wirklich mitgekriegt hat, weiß ich nicht, sie war nervös; wenn ja, war es ihr bestimmt peinlich!
Nun, es war passiert und nicht zu ändern, und hinter uns drängten schon die nächsten Kondolierenden. Ich schüttelte und umarmte die Reihe durch, je nachdem, ob Mann oder Frau, denn außer dem Schwager ziemt sich das Umarmen von Männern durch alleinstehende Frauen nicht, wurde mir angedeutet.
Dann nahm ich neben meinen Eltern in der letzten Reihe Platz.

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Kommentare zu diesem Text


 BrigitteG (26.05.05)
Hallo Bellis. Also ich könnte mir vorstellen, wenn Du das um ca. 70 % kürzen würdest, dass das eine schön knackige Kolumne werden könnte, prinzipiell ist alles dabei, was Spaß macht zu lesen. *g* Liebe Grüße, Brigitte.

 Bellis meinte dazu am 26.05.05:
Oh, Brigitte, glaub mir, ich bin mir bewußt, daß das viel zu lang ist. Aber vom Inhalt möchte ich nichts kürzen, weil die Details wichtig sind! Und ich finde keine geeignete Stelle, an der ich dieses Kapitel nochmal unterteilen könnte, ohne daß es auseinandergerissen wirkt. Ich möchte nach und nach nämlich noch mehr Kapitel über Friedhofserlebnisse einfügen (bin ich morbid??), die auf jeden Fall für sich allein stehen werden. Hilf mir!! ;o)

 BrigitteG antwortete darauf am 26.05.05:
1.) Morbid ist Quatsch, denn Menschen beobachten kann man auf dem Friedhof genauso wie in der Parfümerieabteilung bei Karstadt.
2.) Na, so wirds natürlich keine Kolumne ...

 Dieter_Rotmund (21.01.21)
Inhaltlich etwas betulich, aber handwerklich flüssig und geschmeidig geschrieben.
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