erkennst du ihn wieder

Text zum Thema Alltag

von  redangel

du, ich habe heute versucht. deinen alltag für dich zu verkleiden. anfangs hörte er mir nicht zu. du hattest ja das graue schon zum anziehen bereitgelegt. aber ich habe es ihm wieder ausgeredet. ihn überredet dazu, ganz etwas anderes anzuziehen. ich habe ihm das graue abgenommen und den samtweichen schwarzen rock und das durchscheinende rote seidenoberteil aufgeschwatzt. zuerst hat sich dein alltag noch gewehrt, etwas von völlig unpassend zum anlaß und
etwas von total unpraktisch gemurmelt. aber als er erst einmal den schwarzen rock über das rote korsett gestreift hatte, in das du ihn heute gepresst hattest, deinen alltag da fand er es schon gar nicht mehr so ungewöhnlich. ich meine, er hatte nichts mehr dagegen, diesen weichen langen rock mit dem unverschämt hohen schlitz an der seite zu tragen. der alltag war geübt darin, im ertragen. heute war dein alltag anders als gewöhnlich. fast so launisch, wie eine eitle frau, die sich bewundernd vor dem spiegel hin und herwiegt. das mieder brachte deinen alltag gut in form. es unterstrich alles, was daran vorteilhaft war. dein alltag war wohlgeformt mit hübschen runden brüsten. wenn dein alltag sich ein bisschen streckte, konnte man seine brustwarzen kurz sehen. manche finden das unverschämt. deswegen wurde dein alltag ein bisschen rot im gesicht und stellte sich sofort wieder ordentlich hin. als alltag durfte man nicht schamlos kokettieren. das blieb den feiertagen überlassen. die zur schau stellung hatte ein normaler alltag zu unterlassen. im alltag wirkte mann seriös. aber dazu war es heute schon zu spät. denn, ich muß es dir leider sagen, dein alltag war längst nicht mehr nüchtern. er hatte sich an einem glas champagner vergiffen. dein alltag kicherte ausgelassen, als er sich das seidene oberteil überzog und am ausschnitt zurechtzupfte, so dass man den ansatz sah, du weißt schon wovon. zwar hatte das rote mieder deinem alltag noch nie glück gebracht, aber es betonte vorteilhaft seine schönen aussichten. dein alltag hatte durchaus schöne aussichten zu bieten. er kicherte ein bisschen frivol bei dem gedanken daran, dass er keine unterwäsche trug. dein alltag hielt sich heute unten nicht bedeckt. aber nach außen hin sah das keiner.
nur der alltag und ich und nun du wissen über dieses geheimnis bescheid. als dein alltag sich noch schnell die nase puderte und rouge auflegte fand er sich richtig schön. verschönt, dein alltag hatte sich verschönt, richtig hübschgemacht. er sah einem gewöhnlichen alltag nicht mehr im geringsten ähnlich. dein alltag benahm sich wie eine übermütige, ein bisschen aufgekratzte, frisch verliebte frau. er parfümierte sich mit verführerischen düften von oben bis unten, denn schließlich wollte er dich verführen mit ihm auszubrechen. er klebte sich den herzförmigen schönheitsfleck direkt unter das grübchen von der linken wange. mouche nannte dein alltag diesen fleck, denn deinem alltag fielen plötzlich lauter fremde, lauter hübsche französische wörter ein. deinem alltag war das alltägliche heute gänzlich fremd. er wollte dir savoir vivre zeigen. sich wegschleichen aus dem üblichen. dein alltag hatte lust heute mit dir in dieses etablisment zu gehen und sich ein bisschen zu vergessen. dein alltag war sehr leichtsinnig und recht übermütig. lief leichtfüssig los. vorher zog er sich noch die langen schwarzen handschuhe über. ohne diese handschuhe ging eine frau früher nicht aus dem häuschen. dein alltag verbarg sein gesicht hinter einem fächer um nicht erkannt zu werden. aber dein alltag hat sich einen knallroten mund
aufgemalt für dich.er fordert dich mit den augen auf, ihm unauffällig aber unverzöglich zu folgen. dein alltag bittet dich mitzukommen, um mit ihm wilde dinge zu treiben. er bittet dich ausnahmsweise die pflichten zu vergessen. er bittet dich darum dich aus dem üblichen wegzudenken sich frei zu nehmen. du ich habe heute versucht, deinen alltag für dich zu verkleiden. ich hoffe, dass ich nicht mehr wegzudenken bin aus deinem.
auch wenn es heute wieder einmal nicht danauch aussieht.
den alltag, erkennst du ihn wieder?
© redangel

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram