Wenn Gedanken auf die Reise gehen

Gedanke zum Thema Lust

von  Martina

Wenn meine Gedanken wieder einmal auf Reisen gehen, dann bist du wie sooft ihr Ziel. Meist fängt es völlig harmlos und unscheinbar an. Es beginnt mit einem Bild, das ich von dir sehe. Ein Foto, oder die Erinnerung an das letzte Treffen. Ich brauche nur einen kleinen Anhaltspunkt, und schon läßt sich meine Phantasie nicht mehr aufhalten. Sie breitet ihre Flügel aus, und fliegt! Und wenn sie erstmal in Freiheit gelassen ist, kommt sie so schnell auch nicht wieder. Sie hasst die Gefangenschaft, wie wohl jeder Vogel. Ich weiß das, darum gönne ich ihr den Ausflug ins Traumland.
Meine Atmung verlangsamt sich merklich, und mein Blick ist starr nach vorne gerichtet. Man könnte meinen, ich hätte die Gegenwart verloren und befände mich zwischen Traum und Wirklichkeit. Oft entscheide ich mich für die erste Variante. So sitze ich da, und lasse alles auf mich zukommen. All die Gedanken, die wirren, sie ähneln vielen durcheinander gewirbelten, abgerollten Wollknäulen. Man gibt schon auf sie sortieren zu wollen, bevor man überhaupt anfängt den Entschluss zum aufwickeln und ordnen zu fassen. So lässt man sie besser in dem Zustand des heillosen Durcheinanders. Und mitten in diesem Chaos schwebt dein Bild wie ein Damokles Schwert vor meinem geistigen Auge. Komisch, in Wirklichkeit bin ich ziemlich kurzsichtig, aber hier, sehe ich alles gestochen scharf. Ich runzele die Stirn. Die einzige Bewegung, die bezeugt, das ich noch lebe.
Ich betrachte dich, und ein Seufzer verlässt einsam meine Lippen. Auf leicht wackeligen Beinen, mit Stock und Hut, geht er in die Welt. Wo er ankommt weiß ich nicht. Ich schicke ihm einfach noch eine Gesellschaft hinterher, zu zweit ist es doch immer schöner...seufz.....
Während ich dich also weiter mustere, so intensiv, wie ich es nie machen würde, wenn du wahrhaft vor mir stehen würdest, spüre ich ein alt bekanntes Gefühl. Die Lust auf dich! Unentdeckt schleicht sich von hinten an mich heran, umarmt mich, ich seufze, und noch ein Wanderer geht in die Welt. Bestimmt holt er die beiden anderen vor ihm noch ein. Baaahhhh, nun sitze ich hier, dein Bild vor mir, meine Lust in mir. Und ich steh außen vor, wie ein
einsamer Beobachter. In meinen Gedanken bewegst du dich, kommst auf mich zu, streichelst mich, liebst mich. Mir wird ziemlich warm, und ein wohliges Kribbeln durchzieht meinen Unterleib. So sehr ich mir auch jetzt einreden will, das alles nur eine Vorstellung ist, eine Fata Morgana, es hilft nichts. Meinem Körper scheint das nicht im Geringsten zu interessieren, er reagiert instinktiv auf diese Art von Visionen. Dabei ist es ihm auch völlig schnuppe, ob seine Reaktionen Anklang finden, oder in was für Unannehmlichkeiten er mich damit bringt. Ich meine, okay, im Moment bin ich allein, da wäre es nicht so das Problem. Aber da gibt es auch noch andere Situationen, in denen ich keinerlei Möglichkeiten habe, mich seiner Energien zu entledigen. Dann fühle ich mich, als hätte ich mir sämtliche Finger verbrannt, und kein Eis zum Kühlen weit und breit in Sicht. Ich widme mich nun wieder ganz meinen Empfindungen, die dein Bild zum Leben erweckt haben. Sie nehmen zu, Emotionen werden geboren und nähren sich an meinen inneren Bildgeschehen. Schnell nehmen sie an Größe und Gewicht zu, wie ein Kind, das gut genährt wird. Nur geschieht das in einer rasenden Geschwindigkeit. Beide zusammen, Phantasie und Emotionen, verbinden sich zu einer Urgewalt, dessen Kraft ich mich nicht mehr entziehen kann. Sie sind stärker als mein Wille, mich dagegen aufzulehnen. Schließlich ärgert es mich unglaublich, das ich nicht das Oberwasser behalten kann. Und jetzt hat es mich wieder gepackt, ich hab es nicht mitbekommen, wo die Grenze lag. Vielleicht genau in dem Moment, wo du ins Bild kamst?
Ja, das wird es sein. Ich sollte einfach nicht mehr mit offenen Augen träumen....
Da spüre ich es wieder, diese Lust, dieses Kribbeln, und ob Traum oder Wirklichkeit, das ist meiner Gier nach Befriedigung völlig egal. Sie verlangt pochend auf ihr Recht. Ich gebe mich geschlagen, stehe auf, und tue was ich tun muss, vorher werde ich eh keine Ruhe finden.
Ach ja, und während ich DAS tue, schicke ich noch viele Wanderer auf die Reise, heute ist Wandertag

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Kommentare zu diesem Text

Sir-Giant (30)
(27.09.05)
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