Freude und Schmerz liegen nah beieinander

Erzählung zum Thema Erinnerung

von  Mondsichel

Irgendwann bekam Silven einen meiner Texte in die Hände und beschloss dazu eine passende Musik zu schreiben. Seit dem sang ich nicht nur, sondern war neben Sven der zweite Lyricwriter in dem gemeinsamen Projekt. Wir saßen fast jeden Abend in dem kleinen Kellerstudio von Silven und tüftelten an einigen Ideen. Nebenbei sang ich noch immer noch und ging auf Clubtour mit meinen Leuten. Doch nach einer ganzen Weile bröckelte die schöne Fassade. Wir waren uns irgendwann nicht mehr einig über das was unsere Band darstellen sollte. Ich konzentrierte mich auch viel mehr auf die Zusammenarbeit mit Silven und seinen Jungs, so dass es mir am Ende nicht wirklich wehtat, als sich die Band auflöste. Endlich konnte ich mich auf das Bandprojekt mit meinem inzwischen besten Freund konzentrieren. Da wir aber noch einen Live-Bassisten brauchten, kam Nolin schließlich mit in die Band.

Ein dunkelhaariger, braunäugiger Typ, der wie ein Spanier wirkte. Er war allerdings nur Live-Inventar, hauptsächlich spielte er in einer anderen Band. Nolin konnte sich gut einfügen und war spontan in jeglicher Hinsicht. Profi eben. Er machte jeden Spaß auf der Bühne mit, privat gingen wir allerdings getrennte Wege... Nachdem wir die ersten Auftritte in diversen Clubs hatten, waren wir fast am Verzweifeln, da man uns nicht ernst nahm. Einige Male wurden wir über den Tisch gezogen, die scheffelten die Kohle und ließen uns am langen Arm verhungern. Doch wir gaben nicht auf, denn wir lebten für unsere Musik.“ Darias Blick wurde noch ernster.

Ich goss mir neuen Tee in die Tasse, nippte daran und blickte stumm ins Leere. Es herrschte Schweigen. Ich atmete tief durch. „Nach und nach erspielten wir uns einen gewissen Bekanntheitsgrad. Und dann wurden wir schließlich auch von einem A&R auf einem unserer Konzerte entdeckt. Wir unterschrieben einen Plattenvertrag und begannen erst unser Land und dann die Welt zu erobern. Der Erfolg belohnte uns für all die vergangenen Niederlagen die wir einstecken mussten. Und dann trat sie in mein Leben.“ Ich stockte.

Darias Augen funkelten und sie kniff die Lippen zusammen. „Ist sie der Grund für Deinen Schmerz?“ Ich nickte vorsichtig. „Ich hatte sie während einer Tour auf einem Flughafen kennen gelernt. Hanna war Schauspielerin an einem Theater und reiste ebenfalls gerade ins Ausland, im selben Flugzeug wie wir. Verführt vom Aussehen und ihrer Art erlag ich dem Charme dieses Mädchens. Ich hätte nie gedacht, das ich so schnell jemanden finden würde, der wirklich mich und nicht den Sänger von Red Sky liebt. Wir heirateten dann endlich nach drei Jahren und ich wähnte mich im Himmel. Sie war wie die Barbiepuppen, mit denen die kleinen Mädchen immer spielten. Schlank, blonde lange Haare, blaue Augen und stets modern gekleidet. Sie war ein wenig naiv, aber auch auf ihre Weise sehr leidenschaftlich. Wir waren ganze fünf Jahre sehr glücklich, doch das Glück ist manchmal nicht weit von Unglück entfernt...“ Meine Stimme begann zu zittern.

Daria griff wieder nach meiner Hand. „Du musst nicht weiter reden, wenn es Dich so schmerzt.“ Ihr Blick war besorgt, doch ich schüttelte nur den Kopf. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, jetzt oder nie. Ich wusste nicht ob ich noch mal die Kraft hatte mich zu erinnern. „Ich war dauernd auf Tour, sie blieb meistens alleine Zuhause und wir konnten oft nur miteinander telefonieren. Es war eine schwere Zeit, ich liebte sie, doch ich konnte nicht bei ihr sein. Hanna ertrug diese ständige Distanz nicht, sie fühlte sich alleine und verlassen. So gerne wollte sie ein Kind um unser Glück perfekt zu machen. Doch ich hatte mir im Herzen immer vorgenommen, wenn ich Vater werden würde, dann wollte ich mich um mein Kind kümmern. Aber zu diesem Zeitpunkt waren wir richtig im Kommen und ich hatte für ein Kind einfach keine Zeit. Ich wollte nicht der Vater sein, der sein Kind nur einmal in 3 Monaten sah. Hanna wollte das aber nicht verstehen und betrog mich schließlich irgendwann mit einem ihrer Arbeitskollegen. Als ich davon erfuhr ertränkte ich meine Schmerzen im Alkohol. Ich konnte nicht glauben, dass ich so betrogen worden war, ich verzweifelte immer mehr. Der Alkohol brachte mir aber nicht diese Unbeschwertheit zurück die ich damals gefühlt hatte, als ich sie zum Traualtar führte. Trotzdem trank ich immer häufiger und war schließlich kaum noch fähig mich richtig auf die Musik zu konzentrieren. Der Erfolg fraß an mir wie ein Geier am Aas, ich verkraftete das alles nicht mehr. Meine schöne Welt lag in Trümmern vor mir und ich hatte meiner Meinung nach nichts mehr wofür es sich zu leben lohnte. Silven, Sven und Phil versuchten mich wieder zu klarem Verstand zu bringen, doch lieber stritt ich mich mit ihnen als zur Vernunft zu kommen. Ein böses Wort nach dem Nächsten fiel und bald herrschte eines solche Untergangsstimmung, dass es klar war, dass dies wohl vorerst unsere letzte Tour gewesen war.“

„Nachdem wir wieder nach Hause zurückkehrten, versuchte ich noch von meiner Ehe zu retten was zu retten war. Doch der Alkohol war inzwischen mein bester Freund geworden, so dass eines Tages für sie und ihre Lügen kein Platz mehr übrig war. Sie reichte irgendwann die Scheidung ein, doch viel Geld bekam sie nicht. Denn ich hatte schon fast alles in Alkohol investiert, der mir lieber war als jeder Mensch auf dieser Welt. Ich war dieses Lebens müde, verkroch mich immer mehr in der tiefsten Dunkelheit. Für viele Jahre war ich in mir selbst gefangen. Ich hatte meine Frau verloren, ich hatte meine Freunde verloren. Und ich wünschte mir oft, dass mein Herz einfach aufhören würde zu schlagen, damit ich endlich für immer meine Ruhe hätte. In dieser Zeit fühlte ich mich mehr wie ein Kadaver in der Savanne als wie ein Mensch. Schließlich gipfelte alles in einem Zusammenbruch der mich aus dieser Trägheit herausriss...“

Ich stand auf und ging hinüber zum Fenster. Ich stützte mich an der Wand ab und blickte schweigend hinaus. Ich sah ihre Umrisse in der Fensterscheibe. Sie saß still da, bewegte sich nicht, sagte kein Wort. Nicht einmal ihr Atem war zu hören. Diesmal dauerte meine Pause noch länger, denn die Erinnerung hatte mich doch sehr mitgerissen. Doch schließlich erhob ich meine Stimme wieder.

„Ich war am Ende, doch ich war auch bereit einen Neuanfang zu machen. So wagte ich es dann doch meine alten Bandkumpels anzurufen. Zunächst waren sie ablehnend, denn ich hatte sie schwer enttäuscht. Doch ich versprach eine Entziehungskur zu machen und mich nur noch auf die Musik zu konzentrieren. Es war ein schwerer Kampf ihr Vertrauen wieder für mich zu gewinnen. Doch der Erfolg der harten Entziehungskur überzeugte sie schließlich davon das ich es ernst meinte. Das war der Beginn einer neuen Ära. Selbst Nolin ließ sich nach einigen intensiven Gesprächen nochmals überreden als Live-Bassist einzusteigen. Ich erlebte alles noch einmal von vorne. Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums und die Akzeptanz der Presse. Es war eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen. Wir gingen wieder auf Club-Tour, signten erneut bei einem Label, da uns unsere alte Plattenfirma nicht mehr unterstützen wollte. Schließlich folgten Radio- und Fernsehauftritte und noch mehr Konzerte. Dann hatten wir es erneut geschafft uns in die Herzen der Menschen zu spielen. Doch diesmal war alles anders...

Die Liebe hatte ich tief im Herzen aufgegeben, nachdem ich einige mehr oder weniger angenehme Beziehungen hinter mir gebracht hatte. Ich war nun mehr der Einzelgänger, das brachte mir wenigstens keinen Schmerz mehr. Ich wollte auch nicht mehr eine Enttäuschung nach der nächsten erleben. Das erinnerte mich viel zu sehr an die Scheidung von Hanna. Die Medien hatten damals jede Menge Dreck geschleudert. Und jedes Mal, wenn eine meiner Beziehungen scheiterte kamen Gerüchte auf ich wäre schon wieder dem Alkohol verfallen. Allein Silven und den anderen hatte ich es zu verdanken, dass ich nicht rückfällig wurde, sondern geradeaus ging.“ Ich atmete nochmals tief durch. Meine zur Faust geballte Hand sank herab und ich schloss die Augen. Ich fühlte mich so unglaublich leer und es tat weh in meinem Herzen. Wahrheit tut sehr weh und diese ganz besonders. Ich hätte heulen können, doch ich schluckte alles hinunter.

Daria schwieg noch immer, kein Laut drang durch den Raum. Doch als ich mich zu ihr umdrehte und ihren Blick sah, da wusste ich, dass sie nachdachte. Vielleicht war es auch etwas wie Mitleid. Aber Mitleid wollte ich nicht haben, schon gar nicht von ihr. An diesem Abend habe Daria noch tiefer in mein Herz geschlossen und mir wurde bewusst, dass das Einzelgängerleben auf Dauer nichts für mich war.

(c)by Arcana Moon

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (17.10.19)
Verstehe ich nicht. Da taucht plötzlich ein End-Anführungszeichen auf, aber nirgends zuvor ein Anfang-Anführungszeichen!?
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