Physische Liebe

Erzählung zum Thema Liebe, lieben

von  Mondsichel

Chris zog ihn ein Stück von mir fort, doch ich konnte alles hören. „Dass Daria heute angeschossen wurde, hat den König zuhöchst beunruhigt. Er will kein Risiko eingehen. Du weißt ganz genau, was uns blüht, wenn wir erkannt werden.“ Jan nickte traurig. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Was hatte das zu bedeuten? Auf einmal kam Daria dazugetreten und ihre entrüstete Stimme klang noch lauter zu mir herüber. „Was denkt sich Vater eigentlich dabei? Er weiß doch ganz genau, dass unsere Aufgabe noch nicht erfüllt ist! Ich habe nicht diese weite Reise gemacht, um unverrichteter Dinge zurückzukehren!“ Chris versuchte sie zu beruhigen.

Inzwischen waren auch Marek, Rob und Skyle dazugetreten. „Das kann doch nicht sein Chris. Der König weiß doch ganz genau, dass diese Sache sehr wichtig für uns ist!“ versuchte Skyle seinem Freund zuzuflüstern. „Ich weiß auch nicht was los ist, er meinte nur, dass er eine schlimme Ahnung hat. Er möchte weder uns, noch seine Tochter an diese Welt verlieren. Und daher bat er mich, dass wir zurückkommen sollten.“ Chris versuchte die Nachricht seinen Freunden möglichst schonend beizubringen. „So ein Quark. Immer das selbe mit ihm. Er weiß genau, dass ich gut auf mich aufpassen kann.“ Daria wirkte nun sehr gereizt. Rob fügte hinzu: „Außerdem besteht das Team aus unseren Leuten, das weiß er auch. Selbst wenn die Kugel frontal getroffen hätte, sie wäre nicht wie die Menschen tot umgefallen.“ Marek hielt ihm sofort den Mund zu und herrschte ihn möglichst leise, aber dennoch bestimmt an. „Ja brüll noch lauter! Es sollte schließlich auch jeder wissen, dass wir unsterblich und aus einer fernen Welt sind.“ Rob blickte zu Boden.

„Genau deswegen will der König wahrscheinlich auch, dass wir zurückkommen. Stell Dir vor, jemand käme auf die Idee, uns zu seinem persönlichen Jungbrunnen zu machen. Das wäre das Ende für diese Welt! Du weißt ganz genau, dass Joelle ohne mit der Wimper zu zucken, seine Leute hier her schicken würde. Er würde seine Schwester niemals den Menschen überlassen“ fügte Marek hinzu.

Ich wusste nicht mehr was ich denken sollte. Das, was sich dort vor meinen Augen und Ohren abspielte war so unglaubwürdig und doch so real, wie nichts zuvor was ich bisher erlebt hatte. „Was machen wir mit ihm?“ fragte Skyle und schien auf mich zu weisen. „Er weiß mehr, als er wissen dürfte.“ Daria blickte ihre Jungs erschrocken an. „Er könnte eine Gefahr darstellen“ philosophierte Marek. „Seid ihr von Sinnen? Ihr wisst genau welchen Auftrag wir haben! Er lautet bewahren und nicht morden!“ Obwohl sie es so leise gesagt hatte, drang jedes Wort an meine Ohren. „Sollen wir unsere Flügel mit Blut beschmutzen und damit alles zerstören? Ihr wisst genau, dass ihm kein Haar gekrümmt werden darf! Ich werde mich persönlich um diese Sache kümmern, klar?“ Die Jungs nickten, nachdem Daria mit einem düsteren Blick ihrem Wunsch Nachdruck verliehen hatte.

Auch wenn sie Partei für mich ergriffen hatte, war mir sehr mulmig zumute. Ich sah da dieses Mädchen, das ich unendlich liebte. Mein Herz pochte immer lauter vor Freude, weil sie sich für mein Leben einsetzte. Und dennoch hatte ich ein unangenehmes Gefühl. Ich wollte nur noch weg. Ich wollte alles vergessen. Ich wollte da nicht hinein gezogen werden. Entweder sie waren alle komplett verrückt, oder ich war inmitten von Wesen aus einer anderen Welt, die bereit dazu waren ihr Geheimnis mit allen Mitteln zu behüten. Doch ich glaubte eher daran, dass sie verrückt waren. Und mit Verrückten sollte man nicht spaßen. Also zog ich den schnellen Weg der Flucht vor. Ich hatte Angst vor ihnen. Doch es war eher die Angst vor der Wahrheit, die mich nun rasch einholte. Denn Daria stand plötzlich wie von Zauberhand direkt vor mir... Zitternd blickte ich zu ihr auf, die mir in diesem Moment wie ein sehr böser Geist erschien, der zu allem fähig war. Sie kniete sich zu mir herab. Ihre sanfte Stimme benebelte vollkommen meine Sinne: „Ich denke es wird Zeit, einige Dinge zu erklären.“

Ich blickte tief in die Augen des Mädchens, das so unschuldig erschien. Doch wie sagte ich bereits schon: „Der Schein trügt manchmal.“ Und auf einmal erblickte ich wieder dieses Glimmen in den Augen, das ich schon gesehen hatte, als sie angeschossen auf der Bühne gelegen hatte. Mein Herz raste. Doch ich lauschte nur noch ihrer betörenden Stimme, die aus weit entfernten Sphären zu kommen schien. „Hab keine Angst, ich werde Dir nichts tun. Ich möchte Dich an einen fernen Ort bringen, der alles erklären wird, was Dir jetzt noch unverständlich erscheint.“ Doch weiter kamen wir nicht, denn in diesem Moment schreckten wir auf, als eine fremde Stimme dazwischen donnerte.

„Hallo ich bin Ann Jambly von Genesis TV. Sind sie Daria von der Band Angelnight?“ Perplex schauten wir gleichzeitig zu der blonden, recht hageren Frau auf, die in einem modernen Kostüm vor uns stand. „Störe ich?“ Daria und ich schauten uns an.

In diesem Moment war mir völlig egal, was eben gerade passiert war. Ich stand auf und herrschte die Reporterin an: „Wie sind sie eigentlich hier herein gekommen? Die Presse hat hier keinen Zutritt!“ Diese Ann blickte erst recht entsetzt zu mir auf. Doch dann sah man dieses typische Reporterneugierblitzen in ihren Augen. „Möchten sie vielleicht ein paar Worte zu dem Geschehen sagen, das sich hier heute auf der Bühne abgespielt hat? Laut mehreren Zeugen soll ein Verrückter auf Daria geschossen haben. Ich hörte es gäbe auch mehrere Verletzte im Publikum, da er bei seiner Festnahme nochmals wild um sich geschossen haben soll. Waren sie nicht mit auf der Bühne? Sind sie nicht Thelven von der Band Red Sky?“ Mir blieb doch glatt die Spucke weg.

„Sie haben doch alles genau beobachtet, oder nicht? Was ist da heute Abend passiert?“ Sie blickte mich durchdringend an. Dann setzte sie ein Siegerlächeln auf und versuchte es mit einer anderen Strategie mir ein Wort zu entlocken: „Es gibt Gerüchte, dass sie und Daria ein Paar sind, möchten sie sich vielleicht dazu äußern?“ Jetzt blickte ich sie recht entgeistert an. Nicht nur, dass diese Frau es geschafft hatte unbemerkt hinter die Bühne zu kommen, nein jetzt stellte sie mir auch noch ziemlich unverfroren Fragen, die rein gar nichts mit dem Geschehen zu tun hatten. So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Frech und ohne Scham stellte sich diese Frau vor mich hin und wollte mich möglichst noch nach meinem Sexleben ausfragen. Jetzt platzte mir doch echt der Kragen. Doch bevor ich richtig ausrasten konnte hatte Rob die Reporterin entdeckt. Ein lautstarkes „Chris!“ dröhnte durch den Backstagebereich. Und augenblicklich erkannte der die Situation... Er trat an uns heran und die Reporterin erschreckte sich im ersten Moment. Ein riesiger Schatten hatte sich über sie gelegt und ließ sie selbst klein wie eine Maus erscheinen. Besonders groß war sie wahrhaftig nicht. „Wer sind sie denn?“ Chris musterte die hagere Frau. „Ich bin Ann Jambly von Genesis TV. Ich würde gerne etwas über die kürzlichen Ereignisse erfahren.“ In ihren Augen war ein Blitzen zu sehen. „Hören Sie, Miss...“ er versuchte sich an den Namen zu erinnern. Sie fügte schnell hinzu: „Jambly! Ann Jambly!“ Er nickte nachdenklich. „Nun gut Miss Jambly. Es wird nachher eine Pressekonferenz zu den Geschehnissen auf dem Konzert geben. Bis dahin müssen Sie jedoch wie jeder andere Reporter draußen warten. Ich möchte Sie bitten, den Backstage Bereich jetzt zu verlassen. Ich werde Sie hinaus begeleiten lassen, damit sie auch die richtige Tür finden.“ Chris winkte zwei Securitys zu, die sofort hinzu kamen. „Bitte begleitet die Lady nett nach draußen, sie hat sich wohl in der Tür geirrt.“ Leicht beleidigt trottete die Reporterin mit den beiden Männern Richtung Ausgang..

Für einen Moment fühlte ich mich wieder geborgen in der Gesellschaft dieser Leute. Es war, als wäre nichts geschehen und doch musste ich der Wahrheit bitter in die Augen sehen. „Ich glaube wir sind unterbrochen worden.“ Darias Stimme klang wieder voller Sanftheit und Wärme. Ich blickte sie ängstlich an. Sie nahm meine Hand und sagte: „Hab keine Angst. Ich werde Dir nun etwas ganz besonderes zeigen. Vielleicht wird es Dir einiges erklären, was Du bisher nicht verstehen konntest.“ Ihr Lächeln wollte mich nicht ruhiger stimmen, doch in diesem Moment sagte mir meine innerste Stimme, dass ich ihr vertrauen könnte... „Schließ Deine Augen und werfe all Deine Zweifel ab.“ Ich lachte verbissen. „Das ist leichter gesagt als getan!“ Sie lächelte erneut.

„Glaub mir, es ist ganz leicht. Du musst nur Dein Herz und Deine Seele öffnen, dann wirst Du alles können. Vertrau mir, bitte!“ Die Angst mochte noch so groß sein, die Liebe zu diesem Mädchen war viel größer. Ich wollte ihr vertrauen und so schloss ich meine Augen. Auf einmal spürte ich eine unglaubliche Wärme auf meinem Körper, es war wie ein Feuer, das in den leidenschaftlichsten Herzen brannte. Wellen voller Gefühle erfüllten mein Innerstes, und es war als würde ich lebendig vergehen, in dem was ich fühlte. Ich konnte nicht anders und öffnete die Augen. Was ich dann sah, werde ich meinen Lebtag nicht mehr vergessen...

Grelles Licht blendete meine Augen, doch dann sah ich ihren Schatten. Sie war umhüllt von diesem grellen Licht, das aus ihrem Körper zu kommen schien. Ihr rotes Haar schien in einer wilden Briese zu wehen. Auf ihrer Stirn war ein leuchtendes Ornament zu sehen, auch die sonst gemalten Blüten unter ihren Augen leuchteten grell. In dem Moment wo sie ihre Augen öffnete, entfalteten sich an ihrem Rücken mächtige Schwingen. Und dann sah ich dieses Glimmen wieder, doch es war heller und leuchtender als jemals zuvor. Ich hatte keine Angst mehr, ich genoss eher das Bad in dem hellen Licht, das aus ihr heraus leuchtete. Und ich spürte all diese Gefühle, die ich für sie hatte, noch viel intensiver als jemals zuvor. Sie raubten mir fast den Atem... Ich wollte etwas sagen, doch ihre engelshafte Stimme sprach: „Nein, sag nichts Thelven. Spüre und fühle dies einfach nur, nimm es in Dich auf. Das ist meine Liebe, die ich Dir heute schenken möchte.“ Das Licht wurde immer intensiver, wärmer, leidenschaftlicher. Das was ich für sie fühlte, ließ mich etwas spüren, was kein Mensch jemals verspüren mag, wenn er nicht einen Engel wie sie träfe. Und endlich verstand ich auch was Daria und Jan damit gemeint hatten als sie zu mir sagten: „Es ist eine physische Liebe.“ Diese physische Liebe, gab mir mehr, als alles was ich bisher unter Liebe verstanden hatte. Ich war wie benebelt, und als das Licht langsam erlosch, fiel ich besinnungslos zu Boden. Doch ich war glücklich dies erlebt zu haben. Ich war glücklich als Mensch überhaupt von ihr geliebt zu werden. Von diesem Moment an wurde mir bewusst, dass dieser Engel mich wahrhaft liebte, auch wenn es nicht die selbe Liebe war, die uns Menschen innewohnt.

(c)by Arcana Moon

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