Glückspost

Kurzgeschichte zum Thema Humor

von  tastifix

Es war einmal ein nettes Menschenkind. So ganz klein war es nicht mehr. Immerhin zählte es bereits über 50 Lenze. Doch ihm war ein wenig beklommen zumute. Ausgerechnet heute, an einem hohen Feiertag, war es ganz allein!
In solchen Fällen hilft der liebe Gott!
Er war gerade damit beschäftigt, ein letztes Mal vor dem Schlafengehen das Treiben auf der Erde sorgsam zu prüfen, als ihm unser nicht mehr ganz so kleines Menschenkind ins Auge fiel. Das ließ doch tatsächlich an diesem Festtage traurig den Kopf hängen, anstatt strahlend herum zu laufen. Den Anblick eines dermaßen geknickten, zudem noch männlichen Wesens ertrug der liebe Gott nicht! Er beschloss: “Dem wird geholfen. Soo nicht!!“
Da der liebe Gott ja recht tüchtig ist, und sich nicht gerade über fehlenden Einfallsreichtum beschweren kann, kam ihm auch diesmal sehr fix die richtige Idee. Dringlichst befahl er den Schutzengel dieses armen Menschleins da unten zu sich und ernannte ihn in Blitzeseile zum Schutzengelbriefträger. Der Schutzengel, ganz gerührt und irre stolz, zeigte sich in Folge auch äußerst arbeitswillig. „Du fliegst sofort in die Klein-Kleckersdorfer-Str. 44 in Pusemuckel. Da wartet ein weibliches Wesen mit einem Eilauftrag auf Dich.! – Los, ab mit Dir, es ist höchste Eisenbahn!“
„Okay, Chef!“ antwortete der neu ernannte Schutzengelbriefträger, setzte eine wichtige Miene auf und zeigte dann seinem Herrn und Meister, was eine Beförderung solchen Ausmaßes so nach sich zieht. Selbst sein Herrgott konnte gar nicht so schnell gucken, wie sein himmlischer Diener abrauschte. Ein Adler hätte vor Neid alle Federn verloren. Mit rasanten 300 km/h düste das Himmelswesen dahin. Dabei war diesem zu anderen Zeiten ach so korrekten Diener des Herrn die Himmelsstraßenverkehrsordnung doch wirklich piepsegal!
Zum Glück hatte der allwissende, vorausschauende liebe Gott nicht gleichzeitig noch einen zweiten Boten auf Reisen geschickt. So kam es gottlob zu keiner Himmelskarambolage. Sonst wären eventuell bereits am frühen Abend zu Bett liegende Erdenbewohner vor Schreck recht unsanft aus demselbigen geplumpst. Denn Himmelskarambolagen machen sich für unsere Ohren durch ein ausgesprochen „zartes, liebliches“ Donnergrollen bemerkbar. Manchmal kommen zusätzlich noch Federn runter. (...bei den schwereren Unfällen in den oberen Gefilden!). Das allerdings finden die Vöglein auf Erden äußerst praktisch. Mit jenen Sternchen übersäten Luxusdaunen polstern sie sich ihre Nester gemütlich aus!
Unser pflichtbewusster Schutzengel prüfte per raschem Blick alle paar Minuten die Himmelsuhr. So eine Gemeinheit! Die machte sich einen Jux daraus, ihn dauernd zu blenden. Und das noch so kurz vor ihrem eigenen Untergang. Offensichtlich war der Arbeitstag der Sonne nicht anstrengend genug gewesen, dass sie zu einem für ihn dermaßen ungünstigen Zeitpunkt noch die nötigen Kraftreserven für solcherlei Unfug mobilisieren konnte.
„Verflixt!“ murmelte der Himmelsbriefträger vor sich hin. Was er noch viel lieber gemeckert hätte, verkniff er sich. Engel kennen ja keine unflätigen Ausdrücke. Höchstens in Ausnahmesituationen, wenn sie z.B. während der Flügelerneuerungsphase = Mauser einige Anteile ihrer Erkennungsmerkmale verloren haben. Dann wird –ist ja auch verständlich! - an Flüchen fleißigst alles nachgeholt, was man sonst als gottesfürchtiges Wesen runter zu schlucken hat!
Endlich landete er in Pusemuckel. Auf Grund seiner überirdischen Klugheit spürte er dort in der Klein-Kleckersdorfer-Str. 44 denn auch rasch das betreffende, bereits wartende weibliche Wesen auf. Das stand im Hemdchen schlotternd vor Kälte und zähneklappernd in der mittlerweile angebrochenen, eisigen Nacht, streckte dem himmlischen Briefträger per rotgefrorener Finger einen winzigen, weißen Briefumschlag entgegen und brachte beim Anblick des Engels nur stotternd mit äußerster Mühe heraus: „D..da n..nimm! B..bitte, beeil d..dich.!! Sonst kr..kriegt der diese wichtige Na..Nachricht erst im nächsten Jahr. Und das wär` dämlich!“ Sprach´s und starrte seinem Gegenüber flehendlich ins Gesicht. Da auch Engel Männer sind (es heißt: „der!“ Engel), rührte diesen Diener des Herrn der seelenvolle Blick der holden Weiblichkeit zutiefst. Er schnappte sich den Brief, kriegte im Abflug noch so eben das hingehauchtes „Danke!“ mit und erhob sich in für Engel typischer Weise mit kräftigem Flügelrauschen in die Lüfte. Schielte auf den Papierfetzen in seiner Hand: Wichtige Nachricht? Eventuell sogar preisverdächtige Zeilen?? Brummelte: „Hm, naja! In der Kürze liegt die Würze!“ Und, schoß es ihm durch den Kopf: „ Ähem. – wär´ aber nichts für Reich-Ranicki! Der liebt es länger. Vorzugsweise am laufenden Band und ohne Unterbrechung!“ Aber – mit solch unerquicklichen Überlegungen sich ausgiebiger zu befassen, fehlte ihm einfach die innere Gelassenheit. Konzentrierte sich stattdessen schleunigst wieder auf seinen Auftrag und legte noch an Schnelligkeit zu. Hilfsbereit, wie Engel stets sind! Die Zeit verstrich. Trotz Höchstgeschwindigkeit würde sein Flug noch Stunden dauern! „Bitte, beeil dich!“ hatte das weibliche Geschöpf dort in Pusemuckel gebettelt. Das ging ihm einfach nicht aus dem Sinn. Er raste wie ein Düsenjet am Himmel entlang. Ein paar Sterne wurden durcheinander gewirbelt und reagierten relativ sauer. Sie waren an Ordnung gewöhnt und bestanden auf ihre traditionelle Umlaufbahn. Heiße Rache war angesagt: Für diese sonst auffallend disziplinierten Füllpartikel des Universums eigentlich sehr unüblich, bezähmte eines von ihnen seine Glut nicht länger, zielte mit einem seiner heißen Strahlen auf des Engels Federkleid und erwischte ihn auch treffsicher am linken, hinteren Flügelende. Sternchen, darob sehr zufrieden: „Strafe muss sein! Dessen Benehmen verstößt geradezu in schamlosester Weise gegen den hier üblichen Knigge!“ Und, nach dann geglückter Aktion, ungläubig vor sich hin sinnend: “Und das(!) hat Gott gestattet? Ob mein Chef arbeitsüberlastet ist??“
„Aua!“ brüllte unser Briefträger sehr zutreffend, beäugte besorgt über die Schulter zurück seine angesengten Feder. Gottlob nicht seine längste, seine Prestigefeder! Bloß die zweite daneben!“ Um die sich anhaltend entrüstende Sternenschar kümmerte er sich trotz dieses gelungenen Denkzettels von deren Seite nicht die Bohne.
Er hatte schließlich Wichtiges zu erledigen. Die Monduhr war extrem unhöflich zu ihm und ließ doch tatsächlich ihre Zeiger munter weiterlaufen, anstatt aus universeller Solidarität heraus wenigstens ein paar Minuten die Zahnräder zu stoppen. Hoffentlich schaffte er es noch rechtzeitig, hoffentlich käme er nicht zu spät!? Bei unpünktlicher Erledigung seines Auftrages wurde er bombensicher seine Beförderung direkt wieder los. Er kannte ja den Meister da oben im Himmel lange genug. Da brächte es ihm auch keinen Freispruch vor dem überirdischen Gericht ein, dass er immerhin schon seit Jahrtausenden unaufhörlich gehorsamst „Halleluja“ gejubelt hatte. Gott war ein strenger Arbeitgeber!!

Er seufzte.
Nur noch wenige Minuten bis Mitternacht!
Da, hatte er seines Herrn Wegbeschreibung richtig verstanden, dann war das dritte Haus in jener kleinen Straße dort unter ihm sein Ziel. Aufatmend drosselte der Engel sein Tempo und setzte seinen Flug ein wenig gesitteter fort. (Na ja, in dieser Nacht hätte er wohl keinen Strafmandat von oben zu befürchten!).
Pünktlich 1 Minute vor 24 Uhr faltete er dann vor dem betreffenden Häuschen seine Flügel ordentlichst zusammen. Das ramponierte Federchen verbarg er schamhaft unter der Flügelspitze. Um doch noch einen guten Eindruck zu hinterlassen. Nunmehr mit wieder restauriertem Outfit, nahm er kerzengerade Haltung an und schaltete den ihn umgebenden Strahlenkranz auf “Blitzen!“ Die Zeit drängte. Er schellte nachdrücklich. Wie eine Sturmsirene dröhnte die Klingel durchs Haus.
Das zwischenzeitlich todmüde ins Bett gefallene, männliche Wesen schreckte aus seinem erholsamen Tiefschlaf auf , rieb sich wütend ob der gestörten Nachtruhe die Augen, krabbelte halbwach aus dem Bett, griff sich seinen Morgenrock, Bademantel oder was auch immer (seiner guten Kinderstube wegen war es darauf bedacht, selbst einen so späten Gast anständig bekleidet zu begrüßen!), wankte zur Tür und öffnete. Ein langes Gespräch zu führen, fühlte es sich aber außerstande. Selbst ein männliches Menschenkind hat damit um 1 Minute vor Mitternacht diverse Schwierigkeiten! Die Ansprache seines im gleißend hellen Himmelslicht leuchtenden Gegenübers ging zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. War aber nicht weiter blamabel, denn Engel kennen uns Erdenbewohner und unsere in einer solch ungewöhnlichen Situation verminderte Auffassungsgabe. Sehen diese uns gnädig nach!!
Das schlaftrunken schwankende Menschlein griff sich aus der dargereichten Hand des Himmelsboten den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Weltliteratur zu zählenden Brief. „Danke!“ zu flüstern, war einfach nicht drin. Es brachte es nur zu „D!“ Schlurfte zurück ins Bett und rollte sich aufseufzend in seine Decke.
Ob es wohl an dem(!) Abend noch seine Post gelesen hat? Das wissen nur der Engel und der liebe Gott!!

Jetzt fragen wir uns:
Was stand eigentlich so Wichtiges in dem Brief?
Wie gesagt:
In der Kürze liegt die Würze!!

Es waren nur wenige Worte:
Alles Gute zum Geburtstag!!!                                             

Gaby Schumacher,27. Januar 2004

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Kommentare zu diesem Text

Gisela (55)
(30.07.04)
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 tastifix meinte dazu am 30.07.04:
Liebe Gisela!

Ich freu mich sehrüber diese tolle Bewertung.
Und stimme Dir unbedingt zu, dass dieser Text so gut abwandelbar ist, so dass man diese Geschichte ohne Weiteres auf den jeweiligen Menschen "zu schneidern" kann.
Ich bin stolz darauf, dass meine Geschichten sehr vielen Menschen gut gefallen. Ich habe nie irgendwelche Seminare besucht. Ich schreibe rein intuitiv. Und das mit wachsender Bdegeisterung.

Dankeschön nochmals.
Vielleicht hast Du ja Lust, auch noch andere Geschichten zu lesen. Dann wäre ich auf Deine Kritik sehr gespannt.

Einen Gruß aus Düsseldorf
Gaby Schumacher
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