Wanda und das Weltgeschehen

Aktuelles


Eine archivierte Kolumne von  Songline

Samstag, 31. März 2012, 15:11
(bisher 348x aufgerufen)

Wie wahr

Es gibt ja Leute, die sind Meister im Beschönigen. Politiker zum Beispiel, besonders an Wahlabenden. Die machen schon mal gerne aus einem Verlust von 8 Prozentpunkten einen strahlenden Sieg, weil man ja immer noch die Partei mit den meisten Stimmen ist. Der redliche Zuschauer kann da echt was lernen. Wird er dann selbst zum Chef gerufen, der sich über sinkende Umsatzzahlen beschwert, erwidert er einfach: „Aber im Vergleich zu xyz sind wir immer noch besser!“ und schon ist wieder alles in Butter.

Es gibt aber Karren, die stecken so tief im Dreck, dass man sie selbst mit der schönsten Beschönigung nicht reinwaschen kann. Das Wahlergebnis der FDP im Saarland zum Beispiel. Die hat da 8 Prozentpunkte verloren und blieb mit ihren 1,2 % noch hinter der Familienpartei und auf gleichem Level wie die NPD. Da blieb den Herren Rösler und Döring jeder Kommentar buchstäblich im Halse stecken. Ich gebe zu, mich hat’s gefreut.

Der Herr Rösler hat aber seine Worte wiedergefunden, als es um die Schlecker-Frauen ging. Die mögen sich doch bitteschön – hat er gesagt – selbst um neue Jobs bemühen. Mit dieser Argumentation lehnte die FDP Bürgschaften für Schlecker ab, so dass die Auffanggesellschaft scheiterte. Nun halte ich selbst Auffanggesellschaften auch nicht für die beste aller Lösungen, aber die Einstellung von Herrn Rösler ist eine Unverschämtheit ohnegleichen. Wenn die Freie Demokratische Partei schon den Frauen ganz viel Freiheit ohne Unterstützung lassen möchte, dann doch bitte auch den Banken und den Griechen und allen anderen, denen die FDP nur allzu bereitwillig Bürgschaften in den nicht vorhandenen Allerwertesten schiebt.

Aber mich tröstet, dass es dem Herrn Rösler bald auch so geht wie den Schlecker-Frauen: Wenn die FDP in NRW genauso gut abschneidet wie im Saarland und dann hoffentlich auch bei der Bundestagswahl 2013 nicht mehr über die 5% Hürde springt, dann sähe ich Herrn Rösler gerne beim Berater des Arbeitsamtes sitzen. Wobei: Er ist ja gelernter Arzt und Landärzte werden händeringend gesucht. Er könnte schön eine kleine Praxis betreiben, bei den älteren Herrschaften Hausbesuche machen und sich für eine mindestens-60-Stunden-Woche mit genauso viel Geld abspeisen lassen wie die Fachärzte, zu denen die Leute in die Praxis kommen. Schließlich hat Herr Rösler ja selbst dafür gesorgt, dass das Hausärzte-Honorar trotz höheren Aufwandes nicht höher sein darf als das der Fachärzte. Tja. Pech für ihn, dass er seine Facharztausbildung um der politischen Karriere willen abgebrochen hat.

So holt einen die eigene Vergangenheit bisweilen recht unangenehm ein. Die kann wirklich lästig sein. Mindestens so lästig wie die Lobbyisten, die ständig um so einen Minister rumwuseln. Vielleicht waren es ja gerade die, die Herrn Rösler davon überzeugt haben, dass die Solarförderung reduziert werden muss und stattdessen Subventionen in Braunkohlekraftwerke fließen sollen. Als wäre die Erde nicht schon CO2 belastet genug. Von dem sonstigen energiepolitischen Unsinn, den Herr Rösler so von sich gibt, will ich gar nicht reden. Wenn ihr mich fragt, sollte der mal mehr an das künftige Wohlergehen seiner Zwillinge denken als an den Profit von Großkonzernen, aber mich fragt ja keiner.

Und so schaue ich Woche für Woche, welchen Lapsus sich Herr Rösler als nächstes leistet. Bis zur nächsten großen Wahl. Anlässlich derer er dann hoffentlich in der Versenkung verschwindet.

Bis bald mal,
Wanda

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wortverdreher (36)
(01.04.12)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Songline (01.04.12)
Hallo Wortverdreher

Danke für den ausführlichen Kommentar.

Es ist so, dass die Länderbürgschaften für Schlecker nicht zustande kamen, weil die FDP dagegen war. Es ist auch so, dass Herr Rösler wörtlich gesagt hat, die Schlecker-Frauen (und er nannte explizit Mütter und Alleinerziehende) sollten sich doch allein um eine neue Anstellung bemühen. Wie gesagt, ich bin auch gegen eine Auffanggesellschaft, aber es hätte Herrn Rösler gut zu Gesicht gestanden, wenn er den Schlecker-Frauen wenigstens geraten hätte, zum Arbeitsamt zu gehen. Mir ging es vor allem darum, die Arroganz bloßzustellen, mit der er über 11.000 Beschäftigte sprach.

Herr Rösler hat im Netz der Bundeswehr sein Studium abgeleistet und wird im Netz der Politik weich fallen, selbst wenn die FDP die Wahl verliert. Mit so wenig Geld wie die Schlecker-Frauen wird er jedenfalls nicht auskommen müssen. Dass er in dieser Situation keinerlei Fingerspitzengefühl für Menschen aufbringt, die um ihre Existenz bangen und denen am Ende jeden Monats das Geld kanpp wird, zeugt von einem erschreckenden Abstand zum Bürger.

Die Politiker der anderen Parteien haben durchweg betont, dass die Arbeitsämter genausogut für die Schlecker-Frauen sorgen könnten, wie es eine Auffanggesellschaft tut. DAS war ein ausgewogenes Argument dagegen.

Zum Thema Landärzte:
Du fragst, ob eine Erhöhung der Honorare die Kassen zu sehr belasten würde. Ich frage, wie denn die Leute auf dem Land ärztlich versorgt werden sollen, wenn es keine Landärzte mehr gibt? Dein Argument ist ein Städter-Argument. Fahr mal in die Eifel oder in andere dünn besiedelte Gebiete (ich nenne die Eifel, weil ich mich dort auskenne). Da stehen Arztpraxen leer oder die Ärzte arbeiten bis weit über die Altersgrenze hinaus, weil sie keine Nachfolger finden und ihre Patienten nicht allein lassen wollen. Wie soll denn ein älteres Ehepaar, das gerade so noch zuhause zurecht kommt, aber nicht mehr mobil ist, in die nächste Stadt kommen? Nein, die öffentlichen Verkehrsmittel sind auf dem Land nicht so gut ausgebaut wie in der Stadt. Wenn du alle älteren Leute, bei denen ein Landarzt Hausbesuche macht, in ein Altenheim tust, damit sie ärztlich versorgt werden können, dann wird das für die Gesellschaft wesentlich teurer, als den Landärzten mehr Geld zu geben. Deutschland überaltert. Auch auf dem Land. Und auch auf dem Land müssen wir unsere überalternde Gesellschaft ärztlich betreuen.

Zu den Subventionen für Kraftwerksbetreiber: Wenn man sich deren Gewinne anschaut, fragt man sich, ob sie die Subventionen überhaupt brauchen.
http://www.welt.de/wirtschaft/article10414592/Stromkonzerne-verdienen-100-Milliarden-Euro.html
Kohlekraftwerke zu subventionieren fördert die großen Unternehmen, während von der Solarförderung viele mittelständische Betriebe profitieren.
Wo wollen wir denn in der Energiepolitik hin? Wenn jeder eine Solar- oder Erdwärmeheizung hätte oder wenn Blockheizkraftwerke gebaut würden, wären wir nicht von wenigen Konzernen abhängig, die seit ihrem Bestehen den Strommarkt diktieren, weil sie es immer wieder geschafft haben, ihre marktbeherrschende Stellung zu verteidigen.

Bundespräsident Gauck hat angemahnt, dass sich Politik und Bürger wieder annähern sollen. Das ist nur möglich, wenn sich die Bürger von der Politik in ihren Sorgen wahr- und ernstgenommen fühlen. Herr Rösler trägt mit seinen Äußerungen nicht dazu bei.

Und das darf gesagt werden. Auch so, wie es der Stammtisch spricht. In der Kneipe bietet sich die beste Gelegenheit für Politiker, dem Volk aufs Maul zu schauen und zu erkennen, wie das eigene Handeln bei denen ankommt, für die sie Vertreter ist.

Ich nehme mir deinen Vorschlag, doch lieber nur ein Thema zu behandeln und dieses intensiver zu analysieren, zu Herzen.

 Dieter_Rotmund (01.04.12)
Nun, eine Kolumne soll per se keinen Erklärbärtext leifern, sondern darf durchaus Wissen voraussetzen. Aber irgendwie hast Du schon recht, viele Kolumnenschreiber schreiben eher Kommentare (oder, wie Du, Wortverdreher, treffend bezeichnetest: Tiraden) als kurze Essays, was dem Genre besser zu Gesicht stünde.
Wortverdreher, magst Du mal einen Kolumentext schreiben? Ich lade Dich ein, an einem Donnerstag (m)ein Gastkolumnist zu sein...

 Dieter_Rotmund (02.04.12)
Jaja, die "Schlecker-Frauen": Jahrelang galten sie als die Vorzeige-Ausgebeuteten par excellence, jetzt sind sie plötzlich alles ganz loyale und zufriedene Angestellte, die sehr gerne weiterhin für Schlecker arbeiten würden...
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram