Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Dienstag, 25. Dezember 2012, 17:37
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Sie soll brennen

Wir haben es überlebt! Nein, ausnahmsweise meine ich nicht das klischeeüberladene Weihnachten, sondern spiele auf den vermeintlichen Weltuntergang von letzter Woche an. Das „überlebt“ ist dabei sarkastisch gemeint! Der 21.12.2012 verging und, wer hätte es gedacht, die Prophezeiung vieler Apokalyptiker trat nicht ein. Das Eschaton blieb aus. Das selbst solch eine Koryphäen wie Erich von Däniken die Endzeit vorab als „ein Schwachsinn [der nicht von ihm stammt]“ bezeichnete, half nicht, den Hype zu bremsen. Wäre es allerdings sein blödsinniger Einfall gewesen, wer weiß…

Ich fand es sehr interessant und belustigend, was für ein Aufsehen bereits Jahre zuvor um dieses angebliche Weltereignis gemacht worden war. Keine Sparte blieb verschont, sehr zur Freude der Wirtschaft wie ich vermute. Allein „Google“ listet über 30 Millionen Links zum Thema, der Buchmarkt ist überschwemmt mit Pseudosachbüchern, die sich auch noch verkauften und bereits 2009 erschien der Katastrophenfilm „2012“ der ebenfalls vom Ende der Erde kündete. Das kein Mensch zu sagen vermochte, was denn nun genau passieren sollte, beim angeblichen Untergang, schien niemand zu stören. Aber die Mayas hatten auf jeden Fall recht. Denn sie konnten natürlich tadellos in die Zukunft sehen. Darum gibt es auch noch so viele von ihnen und ihre Zivilisation blüht.

Allein der Gedanke, dass eine Kultur, die sich vor 1200 Jahren bereits im Niedergang befand, in der Lage gewesen sein soll, die Zukunft vorherzusagen und wir heute, mit fortschrittlicher Technik und Wissenschaft, nicht mal im Stande sind, die scheinbaren Gründe einer solchen Katastrophe zu finden, erscheint mir doch recht gewagt. Versteht mich nicht falsch, die Maya-Hochkultur war und ist sehr beeindruckend, ihr Kalender war präziser als das ägyptische Pendant und ihre Städte hatten teils mehr als 10.00 Einwohner. In Europa lebte zur selben Zeit gerade Karl der Große, Island wurde „entdeckt“, die erste Windmühle erdacht und bereits mindestens fünf Weltuntergänge etwaiger Propheten und anderen religiöser Wirrköpfe überstanden.

Insgesamt gab es bisher bereits über 100 Apokalypsen, Götterdämmerungen und Untergänge. So richtig nach Plan sind sie alle nicht gelaufen. Unter den Verkündern des Endes befinden sich durchaus bekannte Personen. Zum Beispiel Papst Sylvester II, der das Ausbleiben Armageddons mit seinen intensiven Gebeten begründete. Glauben hatte der Mann. Auch Luther verkündete den Weltuntergang; insgesamt drei Mal, da er vorher nie eintraf. Von Psychopathen wie Bhagwan oder Charles Manson, über Nostradamus und dem Millenniumswahn bis hin zu den Zeugen Jehovas und den Mormonen: Ohne Religion, wären solche Prophezeiungen nicht vorstellbar. Überraschung, Überraschung.

Die Menschheit war schon immer vom Ende der Welt fasziniert und religiöse Mythologie half dabei ordentlich mit. Ragnarök, Kalpa, Muspilli, Armageddon, I Ging und diverse Sintfluten entsprangen alle ihrem entsprechenden Glauben. Allein deshalb finde ich es bemerkenswert, dass der 21.12.2012 so hysterisch propagiert wurde. Bei der christlichen Flut finde ich übrigens amüsant, dass „Gott“ dem Menschen erst den freien Willen schenkt, um sie dann dafür zu strafen, dass er benutzt wird. Doppelmoral? Oder wollte „Gott“ seine Anhänger mal wieder testen? Allerdings gibt es auch Mythologien wie ohne Weltuntergang auskommen. Nun ratet mal welche? Richtig! Die Mayas!

Diese Zivilisation ging davon aus, dass sich nichts ändern würde: Sie dachten, dass sie auch noch in aller Ewigkeit ihr Kultur leben würden. Denn ihr Kalender „endet“ zwar, beginnt allerdings von neuem. Diese sogenannte „Lange Zählung“ kennt diverse Einheiten und ist theoretisch unendlich. Erst die Spanier brachten apokalyptisches Gedankengut in Form einer Flut mit. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Maya-Hochkultur bereits seit über 700 Jahre zerfallen. Ihr Wissen war nur noch spärlich in Kodizes festgehalten, aus denen heutige Forscher einen Großteil ihrer Erkenntnisse über die Mayas schöpfen. Das meiste Niedergeschriebene wurde jedoch als Teufelswerk von den Invasoren verbrannt. Ebenfalls eine Katastrophe.

Es stimmt zwar, dass am 21.12. 2012 eine Ära, genannt Baktun endet, nämlich die Dreizehnte, allerdings folgen laut Kalender darauf mindestens noch sieben weitere Baktuns, die bis 4772 reichen. Die einzigen, die demnach wirklich von einem Weltuntergang berichten könnten, lebten vor 65 Millionen Jahren: Die Dinosaurier. Denn der Komet, der damals einschlug, ist Realität. Das sich der Krater zufälligerweise in derselben Region der Maya-Hochkultur befindet, erscheint da fast nur logisch. Die Gefahr vom Ende der Erde ist nämlich durchaus realistisch, aber nur in wissenschaftlichen Szenarien. Dazu gehören der Ausbruch eines Supervulkans, der Nukleare Holocaust, ein Kometen- oder Asteroideneinschlag sowie einige andere kosmische Ereignisse: Eine Supernova, ein Schwarzes Loch, die Kollision von Galaxien (was unserer Milchstraße ebenfalls bevorsteht) und spätestens in vier Milliarden Jahren wird unsere Sonne ihre Aktivität beenden und zu einem Roten Riesen expandieren – die Erde liegt da doch etwas ungünstig im Weg.

Ein Atomkrieg scheint momentan eher unwahrscheinlich, das nächste Schwarze Loch ist weiter weg (um es zu vereinfachen) und eine Supernova, die uns in Mitleidenschaft ziehen würde, ist auch nicht wahrscheinlich. Die Galaxienkollision wird erst einige Milliarden Jahre nach dem Kollaps der Sonne stattfinden. Doch verehrende Vulkanausbrüche gab es bereits viele in der Erdengeschichte. Der Materialausstoß (Tephra) dabei sind unvorstellbare Mengen. Der Mount St.Helens 1980 spuckte 1,2 Km³, der Vesuvausbruch, der Pompeji begrub entließ 3,3 km³ und der Eyjafjallajökull, der 2010 den Flugverkehr lahmlegte, kaum mehr als 0,14 km³. Zum Vergleich: der Ausbruch des Tambora von 1815, auf Grund dessen das „Jahr ohne Sommer“ folgte, warf 160 km³ Material in die Luft. Doch selbst das ist ein Witz im Kontrast zu den Giganten Yellowstone , Toba oder Taupo. Ihre letzten Ausbrüche sind zugegebenermaßen bereits länger her (mindestens 22.500 Jahre), doch ihre Hotspots gibt es noch und sind aktiv.
Zur Vollständigkeit:
Der Kratersee des Taupo ist 40 km lang und 28 km breit; sein größter Ausbruch spuckte 1.170 km³ Material aus. Der Yellowstone hat mehrere Krater; die stärkste Eruption lieferte 2.500 km³ Tephra. Beim Toba waren es sogar 2.800 km³. Sein Kratersee hat die Maße 87 km auf 27 km und ist damit mehr als dreimal so groß wie der Bodensee! Zumindest das hat der Film „2012“ einigermaßen richtig gemacht.

Auch „Armageddon“ und „Deep Impact“ bergen gewisse Wahrheiten. Und die Gefahr vom Zusammenprall mit Himmelskörpern ist durchaus aktuell. Denn 2004 wurde ein Asteroid entdeckt, der je nach weiterer Umlaufbahn im Jahre 2029, am 13. April die Erde treffen könnte! Die Wahrscheinlichkeit ist zwar relativ gering, aber dennoch möglich. Vermutlich wird er aber in ca. 30.000 km Entfernung an der Erde vorbeifliegen. Das ist näher als die meisten Satelliten! Der Name des Asteroiden ist übrigens „Apophis“, benannt nach dem ägyptischen Gott der Finsternis und des Chaos. Bestünde keine theoretische Gefahr, wäre sein Name vermutlich so was wie „Babykätzchen“. Im Falle eines Einschlagens würden wohl 510 Megatonnen freigesetzt. Die Atombombe „Little Boy“ (so viel zu harmlosen Namen) hatte gerade mal 0,015 Megatonnen. Die Folgen würden vom Ort und Winkel des Aufpralls abhängen. Auf Land wäre wohl im Umkreis von 250 km das meiste vernichtet. Ein Einschlag im Meer wäre verheerender, da Tsunamis von bis zu 100 m entstehen könnten. Langfristige, globale Auswirkungen würde es trotz allem aber nicht geben, denn dafür ist der Asteroid zu klein: nur 270 m.

Doch die NASA ist „pleite“ und die Welt lauscht lieber all dem New Age – Glauben vom Weltende. Deshalb muss man muss sie dämlichen Sprüchen und Kommentaren erwehren; in der Uni, bei der Arbeit und virtuell sowieso. Ich habe jeden aus meiner Facebook-Freundesliste geworfen, der am 22.12. ein „ich lebe noch“ postete. Ich ertrage Blödsinn einfach nicht. Es gab sogar einen verdammten Liveticker für den „Weltuntergang“! Warum? Ich möchte weinen!

Ekpyrosis und Kataklysmus blieben mal wieder aus. Die nächste Apokalypse ist für 2076 angekündigt. Dann wird der ganze Schwachsinn von neuem anfangen und vermutlich noch schlimmer werden! Wer weiß was sich die Industrie bis dahin neues hat einfallen lassen. Mich wird es wohl zum Glück nicht mehr treffen. Und die nächste Generation…

In neun Monaten wird es ein Babyboom geben und alle werden sie Nachkommen von Vollidioten sein!

Manchmal möchte ich einfach die Welt brennen sehen.

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