Gegenschlag

Verstand vs. Irrsinn


Eine archivierte Kolumne von  Melodia

Dienstag, 15. Januar 2013, 21:21
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Unter den Scheinheiligen ist einer des anderen Teufel

Man hatte schon an ein Wunder geglaubt, als sich die Deutsche Bischofskonferenz 2011 endlich dazu durchrang, eine Untersuchung zu den Missbrauchsfällen durchzuführen; eine rückwirkende Analyse bis zum Jahr 1945. Einstimmig wurde die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) beschlossen. Auf die Studie werden wir aber wohl noch warten müssen, falls wir überhaupt jemals Ergebnisse zu Gesicht bekommen werden.

Um ehrlich zu sein, mich hat es nicht sonderlich überrascht, als es sich nach knapp einem Jahr die drei Bistümer Regensburg, München und Dresden bereits wieder anders überlegten. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis das gesamte Projekt in sich zusammenfallen würde, was bekanntlich letzte Woche geschah. Das KFN hat zwar angekündigt unabhängig weiter zu forschen, jedoch dürfte es ohne Akteneinsicht schwer werden. Nicht, dass es ihnen zuvor leicht gemacht worden wäre; natürlich nicht, denn schließlich reden wir hier über die katholische Kirche.

Eine Gruppe, die sich anscheinend bedroht fühlte, war das „Netzwerk katholischer Priester“. Ihre Sorge war der Datenschutz und der „Generalverdacht“. Ich wage zu behaupten, dass zumindest Letzterer durch die Kündigung nicht zwingend aufgehoben wurde. Eher im Gegenteil. Dieses Netzwerk von sehr konservativen Geistlicher hatte sich an den Papst selbst gewandt, da man laut kirchlichem Gesetz, oder Dogma, bischöfliche „Geheimakten“ nur mit seiner Erlaubnis einsehen darf. Die Antwort blieb wohl aus.

Allerdings hielt dies den Sprecher des Netzwerkes, Guido Rodheudt, nicht auf, weiterhin seine Sorgen kund zu tun. Zitat: „Durch die Studie werden aus dem großen Kreis der betroffenen Personen- und Berufsgruppen ausschließlich die Kleriker herausgenommen und einem Generalverdacht ausgesetzt“. Selbstverständlich werden nur Kleriker untersucht! Genau darum geht es doch in der Studie! Weiter sprach er von „Verzerrung der Wirklichkeit“ und „dass nur wenige schuldig sind“. Natürlich kann das geschehen, allerdings wird es ohne Studie auch nicht einfacher wieder Vertrauen zu erwecken. Mal abgesehen davon: Wer hat denn den Klerus in diese Miesere geritten?

Man äußerte sich für eine interne Aufarbeitung der Akten; ohne Presse und Öffentlichkeit, ja ohne Ergebnispräsentation. Denn, so Rodheudt: „Kein Briefträger würde es sich gefallen lassen, wenn seine Daten ungefragt auf diese Weise so einsehbar wären, nur weil einige wenige seiner Kollegen das Postgeheimnis verletzt haben“. Lieber Herr Rodheut, ich glaube sie sollten weniger in ihrem alten Wälzer lesen und anfangen etwas mehr nachzudenken. Denn wie diese „internen Ermittlungen“ ablaufen, sieht man schon am Fall Mixa und außerdem: Vergleicht er ernsthaft das Postgeheimnis mit sexuellem Missbrauch?! So ein Paar Monate in einem Klischee-Gefängnis würden dem Guido ganz gut tun.

Dazu kommt noch, dass sich die Kirche ohnehin ständig außerhalb der Rechtsstaatlichkeit zu bewegen scheint. Warum eigentlich? Bei einem säkularen Staat habe ich irgendwie ein anderes Bild vor Augen. Dem Leiter des KFN wurde im Laufe des Projekts bereits angedeutet, dass man ohne eine Schweigevereinbarung den Vertrag kündigen würde. Dazu Verjährungsfristen, die recht kurz sind, auch wenn seit Jahren über eine Verlängerung diskutiert wird. Doch was nützen längere Verjährungsfristen und besserer staatlicher Zugriff, wenn Akten vernichtet werden? Laut KFN ist dies nämlich gang und gäbe in der katholischen Kirche. Nach zehn Jahren werden „alte“ Dokumente entsorgt, was die Recherche und Aufarbeitung vehement erschwert. Niemand wusste davon und die Kirche leugnet dies. Irgendwie kommen einem dazu einige andere historische Ereignisse in den Sinn.

Doch so beharrt die Kirche auf „unüberbrückbare Differenzen“ und fordert die an das KFN gezahlten Gehälter wieder zurück. Man kann nur spekulieren wovor der Klerus Angst hat. Aber „Geheimarchive“, kirchenrechtliche Vorgaben und Aktenvernichtung klingen in meinen Ohren stark nach Vertuschung. Aus den Augen aus den Sinn. Vergeben und vergessen. Da fragt man sich, wer in den Beichtstuhl Platz nehmen sollte. Wen wundert es, dass bereits Gerüchte und Theorien aufkommen, in denen der aktuelle Papst eine Rolle spielt. Schließlich war München eines der ersten Bistümer das austrat. Möge der Glaube mit ihnen sein.

Irgendwie vertraue ich dem KFN mehr. Zensur- und Kontrollwünsche hinderten eine erfolgreiche Arbeit. Auch das „Netzwerk B“, ein Verein, der sich für Betroffene von sexueller Gewalt engagiert, sieht die Schuld für das Scheitern bei der Kirche. So unsensibel, wie die Kirche mit dem Thema umgeht auch nicht weiter verwunderlich. Erst will man nach Jahren helfen und zu einer Klärung beitragen, dann weigert man sich zu kollaborieren. Beim nächsten Seminar über Missbrauchsfälle bieten sie womöglich noch Workshops und Internetumfragen an. Nun ist auch klar, weshalb es so wenige Geistliche auf Facebook gibt; verurteilte Sexualstraftäter werden unverzüglich gesperrt und gelöscht. Also falls sich jemand sorgen um seine Daten macht – es gäbe ein Ausweg.

Warum zum Teufel kann man dieses Zölibat nicht endlich abschaffen? Priester sind nicht zwingend homosexuell, wie bereits ähnliche und vor allem erfolgreiche Analysen in den USA gezeigt haben. So hat etwa die John-Jay-Studie gezeigt, dass die Übergriffe eher aus der Gelegenheit heraus entstanden sind. Und im jugendlichen Kirchendienst sind nun mal mehr Jungen vorzufinden. Außerdem wurde gezeigt, dass sie Anzahl der Fälle zurückgegangen ist. Eigentlich sollten sich Geistliche über ein solches Projekt freuen, es sei denn…

Dürften Priester offiziell heiraten oder zumindest zwischenmenschliche Kontakte pflegen? Dann müsste ich mich auch nicht solcher Gedanken hingeben, wie wohl eine katholische Dating-Website aussehen würde? Zum Beispiel - „Erste Frage: Auf einer Skala von 1-10, wie alt bist du?“

Das Motto der Analyse war „mehr Glaubwürdigkeit, weniger Vertuschen“. Das ging eindeutig nach hinten los.

Die Heiligen der Dreifaltigkeit zeigen erneut, dass sie in Wahrheit die Scheinheiligen der Einfältigkeit sind.

Da dreht sich selbst der selige Wilhelmus im Grab um.

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