andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 28. Oktober 2009, 22:53
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Eine politische Kolumne zu schreiben ist momentan recht schwierig. Dabei fällt es nicht schwer Häme und Ironie in solch einen Text zu legen, doch bleibt immer dieser Nachgeschmack, dass es sich hierbei nur um Galgenhumor handelt.
Herumgefragt im Bekanntenkreis wird der Trend deutlicher. Insgesamt herrscht eine Stimmung zwischen “war es denn anders zu erwarten?“ und “mal schauen, so schlimm wird es schon nicht werden“. Manchmal ist auch ein “noch schlimmer geht es ja kaum noch“ zu erfühlen, aber selbst das ist durch Unsicherheit geprägt.
Im Grunde ähnelt das der Einstellung zu den Arbeitgebern. Auch hier hat sich Resignation breit gemacht, die oft zu einer pessimistischen Einzelgängereinstellung geführt hat. Man hat sich damit abgefunden, dass die Mode der Stellenstreichung trotz hoher Gewinne (und bei Verlusten oder Stagnation sowieso …) weiter anhält und dass die oberen Etagen davon nicht betroffen sind. Dabei weiß jeder nur zu genau, dass dadurch nur ein Laufen auf dem Zahnfleisch erreicht wird, ein System voller übermotivierter Ackerer, die nach kurzer Zeit Konditionsprobleme bekommen. Da breitet sich dann nur noch ein gezwungenes Lächeln aus, wenn wieder von der Vorbildfunktion der Wirtschaft und der Misswirtschaft der öffentlichen Dienste gesprochen wird.
Gut, manchmal sind es auch Neid und Fehlinformation, die dazu führen, dass genickt und zugestimmt wird. Machen Wirtschaft und Industrie nicht vor, wie ein modernes Wirtschaften auszusehen hat? Immerhin schaffen sie es mit geringem Personalaufwand eine gute Bilanz hinzulegen und die öffentliche Hand macht mit viel Personal nur Miese.
Okay, die Einhaltung von Gesetzen und Regeln wird etwas lockerer gesehen. Etwa die Arbeitnehmerrechte, der Umweltschutz oder die Buchführung. Das sind variable Größen im wirtschaftlichen Handeln, die nur bei Kontrolle ordentlich abgearbeitet werden – und dann auch nur so ordentlich, wie es die Kontrollen erfordern. Ansonsten: Augen zu und durch.

Gute Beispiele für den Abstumpfungsprozess sind die vergangenen Diskussionen über Elite und Leistungsgesellschaft. Die Leute haben sich damit abgefunden, dass schon in den Schulen Mehrklassengesellschaften gewachsen sind und dass die Universitäten in die gleiche Richtung arbeiten. Bachelor und Master? Als wenn es darum ginge, wenn der erste Blick auf den Namen der Universität zielt.
Sogar die Privatisierung erntet als Idee nur noch ein Schulterzucken. Vergessen sind Bahn und Post, verdrängt sind die Insolvenzen von Branchengrößen in Industrie und Wirtschaft. “Privat“ gilt als positives Schlüsselwort. So trifft es auf offene Ohren, wenn Parteien von “Leistung muss sich wieder lohnen“ reden oder offen mehr Rechte für die private Wirtschaft fordern. Vermutlich würden sogar Pläne zur Privatisierung von Justiz und Polizei noch ziemlich viele Anhänger finden …

Das einzige Wort, das noch höher im Kurs steht ist “Reform“. Jede neue Regierung zaubert sofort neue Reformen aus dem Hut – und so sind auch jetzt wieder ganz viele tolle Veränderungen im Gespräch. Erneut soll wieder alles umgebaut und verbessert werden, was die Vorgänger vermurkst haben. Erneut ist von wirtschaftlicherer Arbeit die Rede und von Gerechtigkeit. Und da werden natürlich die besten Leute, hochqualifiziert und mit erwiesener Leistungsfähigkeit, von ihren vorherigen Posten in neue Aufgabengebiete gesteckt. Leute, die ganz tolle Abschlüsse an Eliteuniversitäten haben und sich nie etwas haben zuschulden kommen lassen. Fehlerlos, makellos … ja, da fällt es schwer zu verstehen, warum sich Resignation in der Bevölkerung breit macht.
Im Einzelhandel hat es die Discounterisierung gegeben, um die weniger begüterten Massen zu versorgen (nicht, um Geld zu verdienen, nein), während andere Geschäfte auf die Bedürfnisse (und Geldbeutel) der Minderheiten eingehen. Im Schulwesen wird das System schon länger erprobt, heißt aber anders. In den meisten Bereichen der Wirtschaft funktioniert das schon recht lange und in vielen Städten laufen Discounterpolizsten herum. In meiner tragen sie rote Kappen und sind angelernte Hartz-IV-Empfänger.
Im Einzelhandel sind die Discounter inzwischen die Marktführer. Sie bieten geringe Auswahl, überwiegend Erzeugnisse für die Grundbedürfnisse, Selbstbedienung und wenig Service. Die Kunden erfahren wenig Befriedigung und schleichen resigniert aus den Geschäften.
Ähnlich verhalten sich nur Wähler nach der Wahl. Geringe Auswahl, überwiegend Erzeugnisse für die Grundbedürfnisse, Selbstbedienung und wenig Service …

Entschuldigung. Es wurde dann doch nur Galgenhumor.


Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wortverdreher (36)
(29.10.09)
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