andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 16. Dezember 2009, 23:10
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Gerecht, aber unfair?

Wenn es um Fremdwörter geht, gehen die Meinungen ziemlich auseinander. Sind sie nun eine Bereicherung? Verkomplizieren sie die Sprache? Bieten sie feinere Nuancen und klarere Definitionen für Begriffswelten? Dienen sie der Verwirrung? Werden sie zur Ausgrenzung von Nichteingeweihten genutzt? Sind sie zur Unterscheidung und Benennung zwingend notwendig? Brauchen wir sie zur internationalen Verständigung?
Anscheinend stimmt alles davon … ein wenig.

Doch im Alltag ist schwer auseinander zu fusseln, was den nun passt. Immerhin kennen wir auch Teekesselchen und Synonyme in Mengen, es ist also mal zu wenig und mal zu viel Sprachauswahl vorhanden. Dazu die vielen Falschbenutzungen von Wörtern, die dafür noch nicht einmal Fremdwörter sein müssen. Manchmal ist diese falsche Bedeutung schon so tief durch die Gesellschaft gesickert, dass die Leute vom Duden sie unten auffangen und als weitere erlaubte Bedeutung in ihr dickes Buch tropfen lassen.

So kommt es immer wieder zu Fragen und Missverständnissen. Etwa:

A: „Das ist jetzt unfair.“
B. „Das Leben ist nicht gerecht.“
A: „Ich rede von Fairness und nicht von Gerechtigkeit.“
B.: „Und wo ist der Unterschied?“
A.: „Ähm …“
B.: „Siehste.“
A.: „Aber da ist ein Unterschied. Faire Menschen halten sich nicht nur an Regeln, sondern auch an Prinzipien.“
B.: „Und gerechte Menschen tun das nicht?“
A.: „Gerecht bedeutet nur, dass alle das Gleiche bekommen oder die Regeln befolgt werden. Das ist aber nicht fair.“
B.: „Häh?“
A.: „Beides ist natürlich subjektiv, denn Fairness und Gerechtigkeit können gar nicht objektiv sein. Aber die Gerechtigkeit strebt viel offensichtlicher zur Objektivität, während sich die Fairness an dem speziellen Fall hängt.“
B.: „Ich sehe da keinen Unterschied.“
A.: „Gerecht ist, wenn ein Kuchen in vier gleichgroße Stücke aufgeteilt wird, sobald vier Leute am Tisch sitzen. Fair hingegen ist, wenn der das größte Stück bekommt, der den Kuchen am liebsten isst. Dafür bekommt ein anderer dann das größere Stück Fleisch.“
B.: „Du sprichst von einem Tauschhandel, nicht von Fairness und Gerechtigkeit.“
A.: „Nein. Bei der Fairness bekommt jemand auch mal mehr, weil er es braucht.“
B.: „Wenn also jemand sowohl den Kuchen besonders mag, als auch den Gänsebraten, die Knödel und den Rotkohl, so bekommt er bei der fairen Methode jedes Mal …“
A.: „… den größeren Anteil, ja.“
B.: „Für mich klingt das so, als würde immer der etwas bekommen, der am lautesten schreit.“
A.: „Nein, das wäre unfair den Leisen gegenüber.“
B.: „Oder ungerecht.“
A.: „Das auch. – In diesem Fall.“
B.: „Und wenn jemand gar nicht das Bedürfnis hat das größte Stück zu bekommen.“
A.: „Nie?“
B.: „Nie.“
A.: „Das ist jetzt eine unfaire Frage.“




Andreas Gahmann

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