andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 11. März 2010, 00:31
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Chicxulub

Das Aussterben der Dinosaurier gilt noch immer als eines der großen Rätsel der Naturwissenschaft. Nicht, dass es nicht schon davor Massenaussterben gegeben hätte. Immer wieder starben nicht nur Arten aus, sondern gleich ganze Artengemeinschaften.
Die Liste dieser Ereignisse ist ziemlich lang und wird darum meist nur auf die wirklich großen und globalen Katastrophen zusammengestaucht. Aber auch hier gehen die Einschätzungen auseinander und so geben die Experten drei bis acht solcher Ereignisse an.
Über die Ursachen gehen die Meinungen und Theorien noch immer auseinander, doch inzwischen haben sich die meisten spinnerten Thesen verabschiedet und reinweg geowissenschaftliche Ideen kommen zum Zug. Also keine “Hand Gottes“ mehr, die Platz für die Menschheit machte oder Außerirdische Besucher, die sich Proviant für die lange Reise schossen.
So sind auch die Stimmen leiser geworden, die die Entstehung des Grases zu einer Vergiftung der pflanzenfressenden Dinosaurier hochstilisierten oder eierfressende Säugetiere als Ausrotter der “primitiven“ Riesen machen wollten.

Stattdessen wird praktisch nur noch über Supervulkane und Meteoriteneinschläge diskutiert, wobei beide Szenarien globale Klimaänderungen durch Staub in der Atmosphäre, großflächige Zerstörungen (u.a. durch Erdbeben und Tsunamis) und Kettenreaktionen des Sterbens innerhalb der Nahrungskette als Aussterbeursache anbieten.
Nun hatten 41 Wissenschaftler ein internationales Team gebildet, um gerade der Frage nach der Ursache für das Dinosaurieraussterben auf den Grund zu gehen. Sie analysierten die bestehenden Theorien und prüften die Faktenlage, um endlich den wahren Grund zu finden.
Ihr Ergebnis: Chicxulub.

Gemeint ist der Chicxulub-Krater in Mexiko, der mit gut 200 km Durchmesser einen guten Hinweis auf die gewaltigen Kräfte gibt, die bei seiner Entstehung freigesetzt wurden. Seine Entstehung vor etwa 65 Mio Jahren passt perfekt, wobei es immer problematisch bleiben wird, dass lang zurück liegende Ereignisse nie auf das Jahrhunderttausend genau berechnet werden können. Aber das kennen wir auch von Fossilien.
Interessant ist die Stellungnahme des Leiters des Wissenschaftlerteams, des Geologen Dr. Peter Schulte von der Universität Erlangen-Nürnberg: „Den exakten Beweis haben wir aber nicht. Möglicherweise wird es ihn nie geben.“ (Quelle: SPIEGEL [exturl=]spiegel.de[/exturl] )
(Solch eine Äußerung werden wir wohl auch in Zukunft nur von Wissenschaftlern hören können, wo es doch wieder einmal “in“ ist, bei seiner einmal gefassten Meinung zu bleiben und keine Zugeständnisse zu machen.)

Die Gründe für die Zweifel? – Zum einen besteht natürlich immer die Möglichkeit, dass ein Fundstück oder eine neue Erkenntnis das gesamte Thesengebäude zum Einsturz bringt.
Zum anderen aber ist das ganze Thema Massenaussterben eine heikle Sache. Klingt es nicht logisch, dass bei einem solchen Sterben vor allem die anzahlschwachen und spezialisierten Arten betroffen sind? Wäre nicht zu erwarten, dass die Alles- und Aasfresser klar im Vorteil sind?
So zumindest lehrt es die Schulbiologie und führt die Säugetiere als die Sieger auf. Dazu schwirren noch immer einige Meinungen durch den Raum: Dinosaurier seien Reptilien gewesen und Kaltblüter (wechselblütig), Säugetiere seien die jüngere und darum höher entwickelte Tiergruppe, Dinosaurier seien groß und Säuger klein gewesen und, und, und …
Das erklärt doch das Aussterben, nicht?

Das Problem ist wesentlich komplexer.
Dinosaurier waren mit ziemlicher Sicherheit Warmblüter und vielleicht trugen viele von ihnen wärmende Federn (zumindest deuten Funde darauf hin). Sie konnten riesig werden oder klein wie Haushühner bleiben und waren über mehr als 150 Mio Jahre allen anderen Tiergruppen überlegen.
Nun … so ganz stimmt das auch nicht, denn was wir heute landläufig unter Dinosauriern verstehen, gliedert sich in weitere Gruppen auf, die alle zu den Archosauriern gezählt werden. Dazu gehören dann auch Reptilien und Krokodile … und Vögel. Vielleicht würden auch die Säugetiere hinzu gezählt werden, wenn sich nicht die Meinung (oder der Wunsch?) durchgesetzt hätte, dass sie sich sehr früh abgetrennt hätten. Was zum nächsten Punkt führt: die ältesten Säugetierfossilien werden im Trias angesiedelt, was sie etwa gleichalt mit den “Dinos“ macht und sie vom Podest der Jüngeren wischt.
Was also?
Dinosaurier und die anderen ausgestorbenen Archosaurier waren den Säugern 150 Mio Jahre überlegen und füllten praktisch alle ökologischen Nischen. Sie schwirrten in der Luft, durchkämmten die Meere und stapften auf dem Land umher. Mit Sicherheit gab es viele Universalisten, Allesfresser und Aasfresser … doch sie starben aus. Krokodile, Schildkröten, Reptilien und Amphibien überlebten jedoch. Es ist wohl kaum zu behaupten, dass dies die flexibleren Lebewesen wären, die auch mit den widrigsten Verhältnissen zurecht kommen.

Darum sind die Antworten des internationalen Forscherteams nicht erschöpfend. Sie beantworten noch immer nicht die wichtigen Fragen.


interessante Links:
[exturl=] Impact Effects: Chicxulub[/exturl]
 Wikipedia
 Spiegel.de

Andreas Gahmann

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