andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 15. April 2010, 03:43
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blöde Jugend

Momentan scheint es ein Problem zu sein, dass die nachwachsenden Generationen sehr dumm und ungebildet ist. Im Gegensatz zu früheren Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind die derzeitigen überhaupt nicht auf das Leben vorbereitet und haben keine Ahnung von dem, was gebraucht wird. Zukünftige Auszubildende können nicht rechnen, schreiben und lesen, deutsche SchülerInnen versagen reihenweise bei der Pisa-Studie und Studenten versemmeln Prüfungen mit abstrusen Antworten.
Besonders bei der Rechtschreibung sieht es düster aus, Standardliteratur ist ungelesen, nicht einmal die wichtigsten Politiker sind bekannt und Fragen zum Allgemeinwissen erzeugen nur Fragezeichen in den Augen der dummen Jugend.
Ein schlimmes Bild.

Gestern hörte ich zum Beispiel von den Antworten angehender Biologielehrer bei einer recht einfachen Zoologieprüfung. Dort wurde etwa gefragt: „Nennen Sie zwei Tierarten, die sich von Aas ernähren.“
Einige der Antworten hatten nicht einmal Grundschulniveau. So hieß es etwa „Sperlingsvögel“ und „Säugetiere“, was den Frageteil “Tierart“ nicht einmal streift und ansonsten für angehende Lehrer (egal welchen Fachs) wirklich armselig ist.
Auch die Presse hat sich dem Thema angenommen und gibt etwa Firmenbesitzern die Gelegenheit darüber zu klagen, dass potentielle Lehrlinge nicht einmal Flächenberechnungen vornehmen können und darum ungeeignet für den Job seien oder Nachhilfe in Anspruch nehmen müssten.

Woran liegt es, dass die junge Bevölkerung offenbar verdummt ist? Liegt es daran, dass die Gesamtintelligenz der Menschheit gleichbleibend ist, aber die Zahl der Menschen zunimmt, wie ein Bekannter von mir behauptet?
Oder ist unser Bildungssystem so marode geworden, dass es inzwischen völlig versagt?
Oder bilden die Schule an der Realität vorbei aus?
Oder ist es die inzwischen normale Panikmache?
Oder ist es ein Fehlempfinden derjenigen, die sich nicht bewusst machen können, dass sie ihr jetziges Wissen nicht schon in ihrer Jugend hatten?
Oder hat es damit zu tun, dass Auszubildende gar nicht mehr als Auszubildende wahr genommen werden, sondern längst zu einer weiteren Form preiswerter Arbeiter geworden sind, die nach spätestens zwei Wochen voll zur Verfügung stehen müssen? Etwa wie Praktikanten und 1-Euro-Kräfte, die ja auch nicht nur “niedere“ Arbeiten machen, sondern normal eingesetzt werden?

Vielleicht hilft es auch sich zu vergegenwärtigen, dass Auszubildende auch noch begleitend zur betrieblichen Ausbildung die Berufschule besuchen müssen und Schüler und Studenten nicht in den Schulen und Universitäten sitzen, weil sie schon alles wissen (außer bei LehramtsstudentInnen, die auch schon vor dem Studium alles besser wissen …). Oder man hält sich mal vor Augen, dass sich Wissen im Laufe der Zeit verschiebt und heutzutage einfach ein anderes altersbezogenes Allgemeinwissen existiert. Oder man liest sich mal ein paar Stunden durch Internetforen mit älteren Usern, bevor man sich über die mangelnden Rechtschreibkenntnisse der Jugend aufregt.




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Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Lala (15.04.10)
Hallo Andie.

Auch ein spannendes Thema. Aber leider für mich zu komplex: keine Ahnung von Schule, Bildungssystemen oder Bildungspolitik. Allerdings, wenn ich mitkriege was da so meinen Verwandten beigebracht wird – auf ihrer Realschule oder ihrem Gymnasium – dann frage ich mich auch, ob die klassischen Fächer noch so wirklich kompatibel mit der Welt da draußen sind?

Aber andererseits glaube ich auch, dass es wurscht ist wie die Fächer heißen, bei einem interessierten Elternhaus und guten Lehrern und nicht zu vergessen: einer interessierten Gesellschaft.

Interessiert das Thema keinen? Glaube ich auch nicht. Mir ist noch keiner begegnet, der einem „Notopfer – Deutsche Schulen“ ablehnend gegenübergestanden hätte. Mit dem Notopfer meine ich verstärkte Investitionen in Schulen, die möglicherweise auch höhere Steuern bedeuten würden, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Einnahmen auch bei den Lehranstalten ankommen. Da ist aus meiner Umgebung noch keiner bockig geworden.

Aber mit Geld allein wird das Problem – befürchte ich – nicht zu lösen sein. Denn solange die Gesellschaft und auch die öffentlichen Einrichtungen nach „Quote“ anstatt nach Klasse schielen, materiellen Gewinn immer vor ideellen Gewinn setzen und ein Gewinner automatisch der ist, der viel Geld hat, ja dann brauchst Markenklamotten statt Markeninhalte. Ich weiß klingt platt und undifferenziert, aber leben wir noch in einer Gemeinschaft, die sich die Mühe macht Dinge differenziert zu erörtern? Ja, wenn ich endlich die Klappe halten würde?

Aber ich finde schon, dass der, der wie ein Schlonz bzw. keinerlei äußerlichen Attribute trägt, die ihn herausstellen, den guckt auch keiner mit dem Arsch an. Und das ist kein Problem der Unterschicht oder ungebildeter Kreise. Das zieht sich durch alle Schichten. Das iPhone z. B. macht dich wertvoller, interessanter und anziehender, als die Fähigkeit einen Dreisatz im Kopf auszurechnen oder zu wissen wo der Europarat ist oder wer die Räuber geschrieben hat.
Im übertragenen Sinne ist dieses Muster auch in den klassischen Medien zu finden, wenn jemand, sei es ein Politiker oder ein Boxenluder, es mit doofen Titten oder doofen Themen in die Schlagzeilen schafft. Schon schlimm genug das es geht, nein, es wird auch gelobt und Respekt entgegengebracht, dass der Boxenpolitikerludersepp ein Medienprofi sei. Am Ende steht vielleicht ein Werbevertrag oder ein prima Listenplatz? Tja, Soviel zum Dorf, welches das Kind miterziehen soll.

Zumindest habe ich das Gefühl, das uns allen dieser Wertebaum suggeriert wird. Aber vielleicht wurde er das ja schon zu Zeiten Kaiser Wilhelms? Ist ja auch gut für die Binnenkonjunktur, wenn wir lieber shoppen statt readen gehen, oder? Aber ich reade jetzt doch noch ein bisschen weiter.

 Dieter_Rotmund (15.04.10)
Andi, gute Kolumne, auch wenn ich es gerne etwas satirischer umgesetzt hätte, die aktuellen Jugendlichen geben dafür ja reichlichst Stoff her.
Sicherlich argumentiert hier noch einer, dass der Vorwurf, die Jugend würde verdummen, uralt sei. Doch wir ist egal, wie intelligent die Teenies vor 100 Jahren waren. Das jetzt und heute zählt und da stimme ich Andis Ausführungen mehr oder weniger schon zu. Aber ich halte die Jugendlichen nicht für überfordert. Ich denke eher, viele Eltern vernachlässigen ihre Bildungspflichten und dann entstehen solche Defizite. Kürzlich habe ich von einem jungen Nerd gehört, der felsenfest der Überzeugung ist, Schneewittchen sei eine Erfindung von Walt Disney. Nur so als Beispiel für Wissens"verschiebung".
Fremdkoerper (33)
(15.04.10)
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wortverdreher (36)
(15.04.10)
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wortverdreher (36)
(16.04.10)
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