andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 06. Mai 2010, 02:57
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Arbeit

Noch vor einigen Jahrzehnten war der Tenor zum Thema Arbeit, dass sie das Leben finanzieren solle und nicht beherrschen. Zwar galt auch damals der grundsätzliche Wert der Arbeit, wie er auf uns durch calvinistisch-protestantische und/oder katholisch-klösterliche Ansichten gekommen ist, aber diese Funktion stand hinter der Würde, der Gesundheit und dem persönlichen Glück im Hintergrund. Nur Spaß und Befriedigung standen noch weiter hinten, auch wenn sie ab und an als Ideal nach vorne gezerrt wurden.
Zur Hochzeit von Star-Trek gab es sogar die Zukunftsvision, dass die Menschheit irgendwann nur noch arbeiten würde, um die eigene Persönlichkeitsentwicklung anzutreiben. Es galt als ausgemacht, dass die meisten Arbeiten eh von Maschinen, Robotern und/oder Computern erledigt würde.
Inzwischen ist der Wind umgeschlagen. Die Gewerkschaften rudern mühsam herum und versuchen zu bremsen, bewegen sich aber nur mit dem Luftzug. Hinter den meisten politischen Ideen stehen heute wirtschaftliche Interessen, die nicht einmal geschickt mit anderen Gründen getarnt oder sogar offen ausgesprochen werden. Und in den Medien boomen Empfehlungen für den persönlichen Erfolg im Arbeitsleben.
Schauen wir uns mal die “sieben Gebote für den Erfolg“ von Frank Erdle an:

1. Engagieren sie sich! (Gemeint ist der Einsatz im Beruf und der Verzicht auf “Dienst nach Vorschrift“)

2. Knüpfen sie Netzwerke! (Gemeint ist das bewusste Herstellen und Pflegen von “Vitamin B“)

3. Verbessern Sie sich jeden Tag! (Gemeint sind: Nachdenken, Vorschläge und sonstige Aktivitäten zur Verbesserung der Leistungen innerhalb der Firma)

4. Erweitern Sie Ihr Wissen! (Gemeint sind: Fort- und Weiterbildung; auch in privater Initiative)

5. Erklären Sie Ihre Mission! (Gemeint ist die kontinuierliche Selbstdarstellung der eigenen beruflichen Ziele)

6. Beweisen Sie soziale Kompetenz! (Gemeint ist das der Umgang mit Konfliktsituationen im Job)

7. Sparen Sie sich jeden Luxus! (Gemeint ist die Sparsamkeit im beruflichen Umfeld; bei Dienstreisen, Arbeitsmaterial u. ä.)

Von Würde, Gesundheit, persönlichem Glück, Befriedigung, Spaß oder auch nur Existenzsicherung keine Spur. Stattdessen zieht sich eine achte Regel durch die sieben Gebote ohne ausgesprochen zu werden: Weise Deinen Chef darauf hin, dass Du geeigneter als die Kollegen/Kolleginnen bist!
Es ist also die Empfehlung einer exzessiven Selbstdarstellung, denn keines der Gebote wirkt karrierefördernd, wenn es im Dunkeln und Geheimen befolgt wird. Das setzt neben dem Talent zur Selbstdarstellung auch die Bereitschaft dazu voraus – und kostet eine Menge Energie. Energie, die entweder zusätzlich zur normalen Arbeit anfällt oder anstatt. Empfohlen wird hier also die Entwicklung zum Workaholik oder zum Blender.

Diese sieben Gebote sind nur ein Beispiel von vielen Empfehlungen, die sich durch Boulevardmagazine und –sendungen ziehen oder im Internet angepriesen werden. Die Menschen werden damit berieselt, ohne gleichzeitig auf die üblichen Sprüche über Leistung und Erfolg verzichten zu müssen. Von Zukunftsvisionen keine Spur.


Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Lala (06.05.10)
Hallo AndiG,

ja das ist gut erkannt und kompakt herausgearbeitet.

Ich habe diesen Spruch: Weise Deinen Chef darauf hin, dass Du geeigneter als die Kollegen/Kolleginnen bist!, als: Tue Gutes und rede darüber kennengelernt. Marketing - Leute die sowas mögen, mögen auch Leerverkäufe.

Was ich auch noch anmerken möchte, ist,weil es mir nicht deutlich genug da steht: es geht in kaum einer Firma mehr, um die Sache, sondern um die Selbstdarstellung. Fehler, die gemacht werden, die gemacht wurden, die gerade passieren, sind so schlimm, so peinlich und Karrierezerstörend wie Aussatz und daher mag keiner zugeben, einen Fehler gemacht zu haben, denn er schadet der Selbstdarstellung. Gilt auch auf kV. Aber: Wenn keiner mehr Fehler macht, dann nutzen wir nicht mehr den wichtigsten Lernpool: trial and error oder: Aus Fehlern lernen.

Gute Kolumne

Gruß

Lala
wortverdreher (36)
(07.05.10)
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 Dieter_Rotmund (07.05.10)
Wer ist Frank Erdle?
Als guter Journalist sollte man das erklären...
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