andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 13. Mai 2010, 04:54
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ganz tief

„Wir wissen mehr vom Universum und von unserem Sonnensystem als von der Tiefsee,“ heißt es populär ausgedrückt immer wieder. Leider ist da eine Menge Wahrheit dran, wie sich bei allen Forschungstauchgängen zeigt. Immerhin ist die Tiefsee das größte Biotop der Erde – und zwar mit Abstand.
„Was heißt schon Biotop?“ werden jetzt vermutlich einige denken, „Das ist doch nur ein Lebensraum von vielen.“ – Und das stimmt natürlich. Aber, und das ist das Problem: das größte Biotop (soweit es sich nicht um mehrere Biotope handelt) ist nicht wie der südamerikanische Regenwald oder ein Tümpel in der Eifel. Die Tiefsee umfasst etwa 50 % der Erdoberfläche und reicht von etwa 800 m Tiefe bis über 10.000 m Tiefe. Wie viel Millionen Kubikkilometer werden das wohl sein? Der südamerikanische Regenwald ist dagegen wie ein Tropfen in einem Tümpel.
Erforscht sind nicht einmal 1 % der Tiefsee, wobei mit erforscht nicht eine genaue Untersuchung gemeint sein kann, wie sie durch die Begehung des bayrischen (Ur-)Waldes möglich ist. Erforscht heißt hier eher das Abtasten der Oberfläche, eine Untersuchung gewisser geologischer Gegebenheiten und das Stichprobensammeln von Lebewesen. Heraus kommt eine Reliefkarte des Meeresgrundes, Darstellungen der Bodenschichten, präparierte tote Tiere und ein paar Fotos und Filme. Wissen sieht anders aus.
Über die Lebensweisen, Verknüpfungen und Wechselwirkungen haben wir fast keine Ahnung. Aber es ist klar, dass es sich um ein sehr altes Biotop handelt, das viele der Veränderungen und Katastrophen recht unbeschadet überstanden hat. Hier leben Tiergruppen, die an allen anderen Stellen der Erde längst ausgestorben sind und doch sind hier auch junge Tierarten vertreten, die sich in das Ganze einfügen konnten. Und es gibt Lebensweisen, die bei außerirdischem Leben kaum fremder sein können (siehe schwarze und weiße Raucher oder Methanquellen).

„Wir wissen mehr vom Universum und von unserem Sonnensystem als von der Tiefsee,“ klingt etwas verlogen, wenn wir daran denken, mit welchem Interesse und Aufwand die Erforschung des Weltalls vorangetrieben wird. Die Tiefsee ist unbekannt und wird es wohl auch bleiben, weil sich im Grunde kaum jemand dafür interessiert. Es gibt Bodenschätze und die Möglichkeit Müll sehr tief zu verklappen, aber als Touristenattraktion, Wohnort oder Anbaugebiet ist die Tiefsee nicht zu gebrauchen. Vielleicht ließen sich gewisse Industrien ansiedeln, die den hohen Druck nutzen könnten, aber das ist allerhöchstens Zukunftsmusik.
Wundert es da, dass der Aufschrei über ein unverschlossenes Bohrloch in 1.500 m Tiefe nur dem Schaden der Küstenregionen gilt? Die so genannten Fachleute haben keine vernünftige Methode des Abdichtens in Reserve und probieren wild herum. Für Tests fehlte immer das Geld und jetzt wird sogar über eine Atombombe spekuliert, die unabsehbare Folgen haben könnte.
Aber egal … „Wir wissen mehr vom Universum und von unserem Sonnensystem als von der Tiefsee,“ … daran wird sich nichts ändern. Es gibt nur Wirtschaftsinteressen und ansonsten Desinteresse für das “dunkle“ Land. Wie schon oft genug vorher erlauben wir eine Zerstörung, bevor wir überhaupt abschätzen können welche Bedeutung dahinter steckt. Damit ist nicht die momentane Katastrophe gemeint, sondern das, was auch danach noch kommen wird ... nämlich nichts.


Andreas Gahmann

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