andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 23. September 2010, 00:53
(bisher 931x aufgerufen)

Begleitung frei?

Es heißt ja immer wieder, dass in Deutschland viel zu viel über Gesetze, Verordnungen und andere Bestimmungen geregelt wird. Allgemein bekannt dürfte inzwischen sein, dass es wohl keinen Profi gibt (von einem Laien ganz zu schweigen), der mehr als einen groben Überblick über die unterschiedlichen Bereiche des Rechts hat. Rechtsanwälte, Richter und Verwaltungsexperten müssen sich schon spezialisieren, damit sie überhaupt eine Chance haben sich nicht lächerlich zu machen.
Oft genug muss man im Alltag feststellen, dass ohne nähere Auseinandersetzung (nicht immer ist ein Lehrgang oder Studium nötig) die Fallstricke und –gruben ganz schön nervig werden können. Und selbst wenn man sich sicher ist, kann einem immer noch eine unbekannte Sonderregel, eine Ausnahme oder ein beharrlicher Angestellter einen Strich durch die Rechnung machen.
Beispiele hierfür wird vermutlich jeder kennen, ob mit der Deutschen Bahn, aus der Schulzeit und Ausbildung, mit Behörden oder was auch immer. Sogar Verkäufer, Bademeister oder Museumsangestellte können absichtlich oder hervorgerufen durch interne Fehlinformationen (etwa von Vorgesetzten) zu echten Spaßkillern werden. So werden oft genug Regeln umgedeutet und selbst Gesetze gebrochen, doch eine Absicht steckt (zumindest bei den Beteiligten) gar nicht dahinter. Sollte man also das Glück haben, dass eine Autoritätsperson die Situation gerade rückt, wird man nur überraschte oder peinlich berührte Gesichter zu sehen bekommen. In anderen Fällen bleibt nur die geballte Faust in der Tasche und am anderen Ende jemand, der danach noch überzeugter von seinem Handeln/Reden ist.
Nehmen wir zum Beispiel ein Museum, etwa das LWL-Museum für Archäologie in Herne. Direkt am Eingang hängt ein großes Schild über die Staffelung der Eintrittspreise, was auch in den Flyern und der Internetpräsenz wiederholt wird. Klar und deutlich steht da: “… Menschen mit einem Grad der Behinderung ab 80 Prozent (eine Begleitperson frei) …“, doch versucht jemand mit einer 80 %-igen Behinderung eine Begleitperson mit in die Ausstellung zu nehmen, so muss er sich anhören: „Das gilt nur, wenn ein G eingetragen ist“.
Kennt sich jemand mit den Einträgen in Schwerbehindertenausweisen aus? – Da gibt es das “G“ und das “B“, das “aG“, das “Gl“, das “Bl“, das “H“, das “VB“, das “EB“, das “RF“ und das “1. Kl.“, die noch zusätzlich zu den Prozenten vergeben werden. Jedes Kürzel hat natürlich eine Bedeutung (gehbehindert, Berechtigung einer Begleitperson, außergewöhnlich gehbehindert, gehörlos, blind …) und definiert Sonderrechte, die sich daraus ergeben. Bei einigen ist die Mitnahme einer Begleitperson so selbstverständlich wie die Erlaubnis einen Blindenhund in die Lebensmittelabteilung eines Supermarktes mitzunehmen, - das “G“ gehört nicht dazu.
Warum also dieses: „Das gilt nur, wenn ein G eingetragen ist“? – Es ist vermutlich das Überbleibsel eines früheren freiwilligen Aktes der Stadt oder des Landes, der auch Gehbehinderten ab 80 % eine Begleitperson erlaubte (es könnte an den Rampen und Steigungen im Museum liegen). Damit ist es aber keine Einschränkung, sondern vielmehr eine Erweiterung der Vorgaben. Die neue Staffelung der Eintrittspreise beinhaltet nun eine weitere Erweiterung, doch scheint sich das in der Belegschaft des Museums noch nicht herumgesprochen zu haben.
Nun mag es vielleicht affig erscheinen, wenn man so etwas thematisiert, wo es sich doch nur um einen Museumseintritt handelt. Aber das Problem dabei ist, dass ähnliche Situationen immer wieder passieren, denn die Fehlinformationen grassieren, da es ständig Neuerungen, Reformen, Änderungen und Verbesserungen gibt, die, so gut gemeint, notwendig oder angemessen sie auch im Einzelfall sein mögen, nicht oder falsch weitergegeben werden. So kann es dann kommen, dass selbst eine freundliche e-mail seit Wochen auf eine Antwort harrt.
Ist es ein weiteres Indiz dafür, dass die hochgerühmten Zustände in der freien Wirtschaft mehr und mehr in die öffentlichen Dienste einziehen? Ist es eine Auswirkung des Sparzwanges? Oder gehört es nur zum altbekannten Beamtenstarrsinn?




Andreas Gahmann

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (23.09.10)
Wieso nur in der Lebensmittelabteilung? Ein Hund hat im gesamten Supermarkt nichts zu suchen!
LWL? Was soll das heißen? Erschließt sich nicht von selbst!

 AndreasG (23.09.10)
LWL = Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Blindenhunde gelten nicht als Hunde, sondern als Hilfsmittel (vergleichbar mit einem Rollstuhl). Sie haben vollen Zutritt in alle öffentlichen Einrichtungen, auch wenn diese ansonsten Hunde ausschließen. Immer gilt das für: Kirchen, Behörden, Arztpraxen, Krankenhäuser u.ä.. Prinzipiell besteht dieses Recht auch in Supermärkten, Bäckereien, Fleischereien und Restaurants, doch gibt es hier immer mal wieder Auseinandersetzungen, weil sich jemand auf das Hausrecht beruft. Geht so ein Fall jedoch vor Gericht, verliert das Hausrecht praktisch immer.

 AlmaMarieSchneider (27.09.10)
Ja, der Blindenhund darf. Ich kenne einen, der kauft sogar selbständig ein. Der hat je eine Tasche an den Seiten hängen und einen Einkaufszettel dabei. Das Personal bestückt ihn und weg ist er wieder.

Im Übrigem ein interessantes Thema, das ich mit Interesse aufgenommen habe.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram