keinEinhorn

keinEskapismus, keinRosa, keineLiebe.


Die Kolumne des Teams " keinEinhorn"

Dienstag, 14. Mai 2019, 22:59
(bisher 277x aufgerufen)

Wenn einer eine Reise tut ...

von  keinB


Festplattenrecherchen haben ergeben, dass es gut zehn Jahre her ist, dass ich für die damalige Mittwochskolumne einen Beitrag mit exakt dem gleichen Titel verfasst habe. Ich wusste, ehrlich gesagt, nicht mal mehr, dass ich mich damals thematisch auch schon am Thema Urlaub bedient habe. Interessanterweise drehte sich damals alles um die monatelangen Vorbereitungen, Terminplanung, Klamottenbeschaffung, Urlaubslandbestimmung, die Einweisung der Nachbarn in die Versorgung von Flora und Fauna. Der ganze Vorspielkram, der so anfällt, einschließlich der Beantragung von Expressreisepässen und nervendem Fastgöttergatten, der zehn Tage vor Abflug damit anfängt, diverse Liste ranzuschaffen und jeden Tag alles minutiös kontrollieren zu wollen. Müssen.
Machen wir es kurz: Sommerlich anmutende Kleidung ist inzwischen vorhanden, den Fastgöttergatten gibt es seit über vier Jahren nicht mehr, der Expressreisepass wurde vom vorläufigen Reisepass abgelöst und für Flora und Fauna gibt’s einen Mitbewohner. Und: Es ist in meinem Leben inzwischen so, dass langfristiges Planen oft zur Kür verkommt und ich meistens völlig schuldlos daran bin. Ich hab seit Wochen einen Besuch/eine Reise/wasauchimmer geplant? Auto kaputt. Platter Reifen, Steinschlag, irgendein Vollidiot fährt mir am Stoppschild hinten rein. Oder Migräne. Oder grippaler Infekt. Oder beides zusammen. Oder irgendwas anderes. Wasserschaden, Hund krank, ich glaub, das Prinzip ist jetzt klar.
Langfristig funktioniert also nicht. Spontan hingegen ist drin. Anscheinend schaltet das Universum nicht schnell genug, wenn es darum geht, kurzfristige Pläne zu vereiteln. Und so begab es sich Ende März, dass ich mit vier Wochen Zeitfenster in der Hinterhand, sonntags spontan einen Flug nach Phuket, Thailand, buchte. Für den darauf folgenden Donnerstag. Und einen Rückflug. Für fast drei Wochen später. Meine Urlaubsreisen bisher liefen alle so ab: mindestens vier Wochen vorher waren Daten und Orte bekannt, das Hotel war natürlich (sic!) durchgängig gebucht, wie es sich für anständige Pauschaltouristen gehört, und in diesen mindestens vier Wochen wurden in Ruhe alle benötigten Utensilien und Dokumente rangeschafft. Und jetzt hatte ich mich nicht nur in eine freestyle-Packerei manövriert, sondern auch in einen dreiwöchigen semi-improvisierten Alleinreisendentrip ein paar tausend Kilometer entfernt. Das erste Hotel buchte ich am Montag vor dem Abflug. Für fünf Tage. Außerdem einen Weiterflug nach Bangkok. Später kam dort dann noch ein Backpacker-Hostel für ebenfalls fünf Tage dazu, rein zufällig mitten in der historischen Altstadt gelegen. Außerdem frequentierte ich gefühlte fünfhundert Drogeriemärkte, um mich mit all dem Kosmetikkleinkram auszustatten, den zu brauchen ich völlig überzeugt war und ich schaffte es, vorher sowohl einen Friseur- als auch einen Pediküretermin zu organisieren.
Es war wirklich pures Glück, dass ich Dienstagmorgen noch sicherheitshalber das Datum in meinem Reisepass checkte. Es war ziemliches Pech, dass mir zu den für die Einreise nach Thailand erforderlichen sechs Monaten acht Tage fehlten. Es war wiederum ziemlich praktisch, dass es das Konzept des vorläufigen Reisepasses gibt und ich mittlerweile so irre weit draußen auf dem Land wohne, dass biometrisches Passfoto und vorläufiger Reisepass einschließlich der Beantragung diverser anderer Personaldokumente (Gelegenheiten wollen schließlich genutzt werden) sowie Fahrtzeit keine halbe Stunde dauerte. Ziemlich praktisch – und ein Stundensatz, von dem ich persönlich nicht mal zu träumen wage.
An- und Abreise verorte ich gedanklich in einem Paralleluniversum. Da gelten auch irgendwie die normalen Naturgesetze nicht. Die Anreise dauerte gute 24 Stunden, Taxi, Bahn, Flugzeug, Flugzeug, Taxi. Plus neun Stunden Wachsein vorher und vier danach. Man döst immer mal wieder, richtiger Schlaf ist Mangelware und irgendwann zieht sich alles wie Kaugummi und wird zäh und irgendwie unwirklich und irgendwann funktionieren Wahrnehmung und Denken nicht mehr richtig. Wie ein ewig langer Drogentrip. Zumindest bei mir. Die Abreise war noch länger, 34 Stunden, plus zehn insgesamt davor und danach. Einschließlich Kulturjetlag und temperaturbedingtem „Ach leck mich, ist das kalt hier!“.
Ich möchte und muss an dieser Stelle unbedingt Lanzen brechen:
Für Alleinreisen. Es quakt dir keiner rein. Du musst auf niemanden warten. Oder dich für niemanden beeilen. Wenn du xyz angucken willst, dann gehst du xyz angucken. Ich hab mich mehrere Stunden im thailändischen Nationalmuseum und der Nationalgalerie herumgetrieben. Find erst mal einen, der das mitmacht. Wenn du xyz nicht angucken willst, dann guckst du xyz halt nicht an. Natürlich fehlt ab und zu Gesellschaft, aber wenn man halbwegs offen mit den Menschen um sich herum umgeht, ist auch das nur bedingt ein Problem. Die meisten Menschen kommunizieren nämlich gern, wenn man sie ein bisschen ermuntert.
Für ungeplantes Reisen. Ohne ein zuversichtliches „Hotel buchen reicht auch in Thailand noch“ wäre ich nie im Leben in einer nicht-klimatisierten Bambushütte gelandet. Ich hätte auch im Leben nicht versehentlich einen kompletten Yogakurs gebucht (ich war verwirrt, ich glaube, das war die Nacht im ersten Hotel, in der ich mich durch die Cocktailkarte getestet habe), der erstaunlich viel Spaß gemacht hat. Man landet an spannenden Orten und macht komische Dinge. Wie zum Beispiel einen Speedboattrip mit Schnorchelpausen. Wär mir vorher im Leben nicht eingefallen. Fällt mir aber auch garantiert nicht noch mal ein. Oder ein Kochkurs für thailändisches Essen. Ich kann jetzt Pad Thai kochen – und es ist echt simpel. Vorausgesetzt, man hat alle Zutaten dafür. Was natürlich so irre weit draußen auf dem Land eher nicht der Fall ist, man kann schließlich nicht alles haben. Ich weiß, dass ein Kampf zwischen Schlange und Gecko, der nirgendwo anders als unter meinem Bambusdach direkt über meinem Bett ausgetragen wurde, nicht lange genug dauert, um den Mund zu schließen UND nach der Kamera zu greifen (der Gecko hat übrigens überlebt) und dass ein traditioneller thailändischer Wochenmarkt in Deutschland gegen mindestens 300 Vorschriften und Bestimmungen und Auflagen verstoßen würde. Hätte ich von Anfang an drei Wochen in einem Hotel gebucht, hätte all diese Dinge jemand anderes erlebt.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 drmdswrt (16.05.19)
Na klar ist Alleinreisen ne feine Sache. Das lernt man, wenn man z.B. regelmäßig alleine und nicht alleine einkaufen geht. Oder spazieren. Oder radfahren. Die Zeit, in der man wirklich Gesellschaft braucht, ist verdammt gering gestreut. Von daher kann ich mir das gut vorstellen, alleine auf Reisen zu gehen.
Würde ich das ungeplant angehen, bekäme ich wohl anfangs kurzzeitige Schnappatmung, aber irgendwie fügt sich immer alles zu einem (zumindest akzeptablen) Ende – auch, wenn man leblos in einem Müllcontainer einer Seitengasse landet.

Der Text triggert ziemlich. Nicht nur wegen eigener Reisen (die jetzt allerdings nicht mehr umplanbar sind). Vor allem klingt es abendteuerlich (hähä!) und ich möchte jetzt gerne einen Reisebericht in 24 Teilen bestellen.

 keinB meinte dazu am 16.05.19:
In 24 Teilen? Echt jetzt? :D
Ich meine - nicht, dass ich das nicht schaffen würde, aber ....^^

Ich kriege übrigens selbst auch jedes Mal aufs Neue Schnappatmung. Aber nicht lange. Und danach finde ich mich dann immer extrem cool. ;)

 drmdswrt antwortete darauf am 16.05.19:
Meinetwegen auch noch'n paar mehr. Ich bin da nicht so. Ich freue mich, wenn ich an was dranbleiben kann. Bin so'n Gewohnheitstier.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram