keinEinhorn

keinEskapismus, keinRosa, keineLiebe.


Die Kolumne des Teams " keinEinhorn"

Dienstag, 21. Mai 2019, 22:52
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Untertitel

von  keinB


Wir kennen sie alle.
Wer von uns hätte in 'Game of Thrones' Dothraki oder Valyrisch ohne Untertitel schon verstanden? Oder Arwens Elbisch in 'Herr der Ringe'? Ich kenne niemanden der fließend elbisch spricht. Sie etwa?

Was habe ich mir früher Nächte um die Ohren geschlagen, um auf Arte englischsprachige Filme oder Comedy zu sehen – natürlich mit Untertitel. 'Arsen und Spitzenhäubchen' im Originalton – wobei man zugeben muss, dass die deutsche Synchronisation nicht schlecht ist. 'French and Saunders' oder 'Black Adder'; zumindest bei letzterem ist die mir bekannte deutsche Synchronisation ein ganz tiefer Griff ins Klo. Holprige, sehr freie Übersetzungen und wenig den Mimiken angepasste Tonfälle verhunzen ein Glanzstück britischer Humorkultur. Wo doch zu Rowan Atkinson wirklich keine Stimme besser passt als seine eigene.
Oder 'South Park' – englisch um Klassen besser.
Ganz zu schweigen von all den asiatischen Filmen und Animes, die mir ohne Untertitel (und nur in Originalsprache) nie nachhaltig mitten in der Nacht auf Vox, Arte oder irgendeinem Dritten begegnet wären.
Sie merken schon, ich mag Untertitel.

So sehr, dass ich mir manchmal welche wünsche. Für den Alltag.
Als kleine Helferchen. Von wegen: Man ist im Gespräch mit der besten Freundin und ist dabei, etwas ganz Blödes zu sagen, zum Beispiel „Neulich hab ich deinen Freund mit einer schicken Blondine gesehen“ oder „Ich glaube, die haben dir das Kleid eine Nummer zu klein verkauft“ oder „Wie, du hast gekocht? Steht die Küche noch?“ und plötzlich ploppt ein Untertitel auf (natürlich nur im Kopf unseres Protagonisten), der besagt „Jetzt aber mal ganz schnell Fresse halten, sonst gibt’s Tote/blaue Flecken/nix zu essen“.

Oder als „instead of“-Anzeige.
Das Essen bei den Schwiegereltern schmeckt so, als seien die Zutaten schon vor sehr langer Zeit gestorben und fast schlüpft einem ein „Gleich läuft’s weg!“ raus, da pingt der Untertitel auf und man sagt stattdessen: „Das schmeckt sehr kreativ.“ Das hält nicht nur die Schwiegereltern bei Laune sondern auch die eigene Bluse frei von Suppe, Sauce, Brei und Getränk.

Als Sofortübersetzer/Notfallratgeber kämen Untertitel Millionen von Männern besonders zu Gute: Jeder noch so kleine, noch so unterschwellige, noch so missmutige Unterton einer Frau wäre mühelos interpretierbar, und – vor allem: Mann wüsste, wie man darauf zu reagieren hat. Bei jedem „Hast du der eben hinterher geschaut?“ würde ein Untertitel aufploppen, der je nach Gereiztheit der Frauenstimme ein „Ja, schau mal, die hat voll den fetten Arsch, oder?“, ein „Ist dir aufgefallen, wie muffig die gerochen hat?“ oder ein „Ja, aber deine Figur ist um einiges besser, Schatz“ anböte.

Ich persönlich hätte auch nichts gegen Untertitel, die einfach irgendwo herum stehen und Gedanken enthalten. Ich könnte sie schreiben, damit ich sie sehen kann und der Drang, sie auszusprechen weniger groß ist. So wäre ein „Was sind Sie denn eigentlich für ein inkompetenter Vollpfosten!“ im Arbeitsleben ein absoluter Faux-pas, wohingegen mich ein Untertitel mit diesem Wortlaut, den natürlich nur ich sähe, über dem Kopf des Vollpfostens bestimmt entspannen und mir bei jeder Unterhaltung mit besagtem Kollegen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern würde. Muss ja keiner wissen, dass ich nicht aus Höflichkeit lächle, nicht?

Oder bei Leuten, deren Stimme man nicht hören kann. Nicht, weil sie nicht sprechen können oder man selbst taub ist (ha, was für mannigfaltige Anwendungsmöglichkeiten gäbe es für Taube und Stumme), sondern weil die Stimme sich in einer Tonlage befindet, die bestenfalls das Trommelfell unangenehm vibrieren lässt. Zudem könnten diese Untertitel noch das relevant Wesentliche herausfiltern. Bei einigen Personen wäre das dann zwar kontinuierliche Untertitelverschwendung, weil außer „Bla, blabla, bla bla blabla, bla!“ nichts über ihren Köpfen stünde (Politiker, Mütter, Vermieterbesen), aber es wäre wenigstens ruhig.

In der Disco – wenn man sowieso sein eigenes Wort nicht versteht. Nebenbei könnte man dann noch die Rechtschreibung und Grammatik des Gegenübers abchecken und wüsste gleich, je nach Fehlerart, Fehlerquote und eigenem Anspruch „Könnte was Dauerhaftes werden“ oder „Auf keinen Fall länger als eine Nacht“.

Was genau ich meine, wenn ich Ihnen nun „Eine niedliche, restliche Woche“ wünsche, dürften Sie allerdings auch ganz ohne Untertitel verstehen.

Eine niedliche, restliche Woche.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Judas (22.05.19)
Untertitel im Leben: ja. Ja bitte.
Aber auch wenn du's nur kurz angesprochen hast bei der Synchronisation von Filmen in Deutschland: hier in Norwegen sind die alle englisch mit norw. Untertitel und gucke an, die Norweger können alle unfassbar gut englisch (okay: spricht ja auch außerhalb Norwegens keiner norwegisch)
Aber was soll das Unding, dass im Deutschen auch Filmtitel so gerne geändert werden und manchmal so absurd? Thor: Ragnarök wurde im Deutschen zu Thor: Tag der Entscheidung. Hatten die Schiss, das "Ragnarök" wieder zu nordisch klingt und direkt mit Nazi-Kram verbunden wird? Oder noch viel dämlicher: Zootopia im Orginal - Zoomania im Deutschen. Why?? eine Utopie (darauf spielt der Titel ja an) ist doch was ganz anderes als eine Manie und warum ersetzt man dann ein Fremdwort durch ein anderes?
Hach ja.

Kommentar geändert am 22.05.2019 um 10:37 Uhr

 keinB meinte dazu am 24.05.19:
Ich hab vor einigen Jahren mal eine Bachelorarbeit über Synchronisation Korrektur gelesen, ich meine, mich zu erinnern, dass keines der skandinavischen Länder synchronisiert, weil Bevölkerungs- und Besucherzahlen das nicht hergeben.

Filmtitel. Ja. Auch so eins von den Themen, über die man schreiben könnte. ;)

Danke :)

 Dieter_Rotmund (22.05.19)
Gerne gelesen.

Dass mit der Disco (sagt man das heute noch?) ist eine charmante Idee.
Ich mag auch lieber Filme "OmU", wie es so schön heisst. Leider fremdeln deutsche Kinogänger sehr mit Untertiteln.

Ansonsten ziehe ich persönlich im Real Life vor, klare Ansagen zu bekommen, die keine Untertitel brauchen. Aber das bleibt natürlich oft ein sog. frommer Wunsch, auch wenn man höflich darum bittet.

Kommentar geändert am 23.05.2019 um 15:36 Uhr

 keinB antwortete darauf am 24.05.19:
Ich hab keine Ahnung, ob man heute noch "Disco" sagt. ;)

Die meisten Menschen bekommen klare Ansagen nicht hin. Und noch weniger vertragen sie.

Danke :)

 drmdswrt (27.05.19)
Mir würde es helfen, wenn die Leute, mit denen notgedrungen kommuniziert werden muss, daheim blieben, wenn ich unterwegs bin. Das würde mir einiges ersparen.
Untertitel brauch(t)en die anderen bei mir. Oder Denkblasen. Das wäre fein. Dann müsste ich keine Energie verschwenden an egozentrische Allgemeinheitbehinderer und weitere Störfaktoren.
Ich merke schon, es ist gut, dass ich um wenige Stimmen am Sitz im EU-Parlament vorbeigeschrammt bin.
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