keinEinhorn

keinEskapismus, keinRosa, keineLiebe.


Die Kolumne des Teams " keinEinhorn"

Dienstag, 25. Juni 2019, 22:20
(bisher 231x aufgerufen)

Über Rätsel und Intensionen

von  Judas


„Near a tree by a river
There's a hole in the ground
Where an old man of Aran
Goes around and around
And his mind is a beacon
In the veil of the night
For a strange kind of fashion
There's a wrong and a right
But he'll never, never fight over you“
- Nik Kershaw – The Riddle

Ich sitz so vor mich hin, starre YouTube an und habe diesen komischen Ohrwurm der irgendwie so ging: „There's a dream and a riddle brabbelbrabble to the ground“ und dachte mir: cooler Song, war der nicht von Gigi D'Agostino (habe gegoogled, wie der sich schreibt) und irgendwie witzig? Und hieß der nicht The Riddle? Geb's ein, hör den Song – und sehe rechts daneben die Empfehlungen von YouTube. Aha, von dem Herrn ist ja gar nicht das Original, das ist von Nik Kershaw. Stimmt, den Song kennt man irgendwie aus dem Radio, das Originalvideo hab ich noch nie gesehen und Herrgott ist das schräg, aber gut, so waren die 80er.

Ich war mir ja immer im Ungewissen über diese Textzeile, die meinen Ohrwurm bildete und schaute jetzt endlich mal nach 30 Jahren Existenz den Liedtext nach. Gut. Da heißt es gar nicht „Blabla dream blabala riddle“ sondern „near a tree by a river“. Neugierig las ich den Rest des Liedtextes und dachte am Ende nur: Was. Zur. Hölle.
Es schien, als wäre der Text ein Rätsel (deshalb der Name des Liedes, nicht wahr?) und ich wollte hinter sein Geheimnis kommen, aber irgendwie erschloss sich mir so gar nichts. Also wälzte ich ein bisschen im Internet. Dazu ist's ja schließlich da.
Hier mal ein paar Perlen:
„It's about Doomsday.“
„A candle in the shelf of gods against evil.“
„We should discuss on the real except things well known to the public.
A reign of terror has come, by Jewish-plutocracies.“ (entschuldigung, aber wie bitte)
„America rises up against Armageddon and falls.“
Religiöser Unfug also, klar. Auch schön:
„a river: the Milky Way galaxy
a hole in the ground: gravity
Life can only exist in enough power of dark matter.
Gravity is very important in ESP.“
Okay das wird ja schon richtig absurd.

Es gibt noch viele weitere, lustige Beispiele. Ich hab mir natürlich auch selbst ein bisschen das Köpfchen zerbrochen (weniger religiös, weniger Judenhass, weniger schwarze Löcher, zugegeben). Die Wahrheit fand ich dann bei Wikipedia:
“In short, The Riddle is nonsense, rubbish, bollocks, the confused ramblings of an 80’s popstar. Please forgive me. I knew not what I did.”
[Übersetzung] „Kurz, The Riddle ist Unsinn, Müll, Quatsch, das verwirrte Gefasel eines 80er-Jahre-Popstars. Verzeiht mir. Ich wusste nicht, was ich tat.“
Zitat von Nik Kershaw.
Tja. Es ist ein wahllos zusammengewürfelter Text, den Nik ursprünglich als Fülltext über die Melodie gelegt hat und dann später keine Zeit mehr hatte, den Text zu ändern – und dann kam eben diese Version auf die Platte. Geblubber. Sonst nichts.
Das Ganze hat mich dann schwer über Autorintension nachdenken lassen. Und ich hatte flashbacks zum Deutschunterricht achte Klasse. Vielleicht ist der Himmel im Gedicht auch einfach manchmal blau. Vielleicht war der Dichter nicht melancholisch. Vielleicht soll das keinen traurigen Frühlingstag ausdrücken. Vielleicht war's einfach nur ein gottverdammt blauer Himmel.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 drmdswrt (26.06.19)
Ja, dieses verfluchte Interpretieren um jeden Preis. Und in der Literatur (und insbesondere im Deutschunterricht) wird das Interpretierte zur Religion. Aber nur, wenn es dem Blickwinkel des Lehrers entspricht.
Manchmal ist ein blauer Himmel nur ein blauer Himmel. Bei mir war es gerne das Zusammenspiel äußerer realer Einflüsse mit inneren Zuständen, das einen Text hervorgebracht hat. So ist es oft möglich gewesen, es auf viele unterschiedliche Weise zu interpretieren – oder es einfach nur als das zu sehen, wie es da steht.
An meine Intention hingegen ist so gut wie nie jemand gekommen. Und zu glauben, dass man diese gefunden hat, ist eh anmaßend. Denn am Ende spielt es keine Rolle, was der Autor sagen wollte oder was ihn bewogen hat, sondern nur, was es dem Leser sagt und gibt.
"The Riddle" ist, nebenbei, nicht der einzige Song, den ganze Generationen teils wörtlich, größtenteils inhaltlich nicht verstehen. Und es gibt noch eine gute Reihe weiterer, die tatsächlich nur Unsinn im Text haben, weil den Schreibern nicht rechtzeitig was Passendes eingefallen ist. Wäre jetzt aber ne längere Recherche, da Beispiele zu bringen. Ich erinnere mich nur sehr dunkel. Aber ein extrem interessantes Thema.

Am Anfang habe ich gedacht, Du hättest das Rätsel tatsächlich gelöst. Könnte ja aus einer norwegischen Sage stammen, dieses Loch im Boden nahe des Baums am Fluss.

 Judas meinte dazu am 27.06.19:
Definitiv nicht der einzige Song! Aber der, der mir eben über den Weg lief. Ich meine, viele Songs haben ja durchaus eine versteckte Bedeutung aber grade der überkomplexe "The Riddle" nicht. :D
Ansonsten: ja. Zu allem. Ich find's allerdings auch oft spannend, was Leser in meine Texte reininterpretieren auch wenn es manchmal meilenweit von meiner Intension entfernt ist.
bbx (68)
(30.06.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram