Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Mittwoch, 07. Dezember 2011, 09:20
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Nightmare on Mainstreet: Weihnachtsmärkte

von  Dieter_Rotmund


Ein typischer, immer wieder kehrender Smalltalk im Dezember unter Freunden und Kollegen ist, wo denn der kuscheligste, schönste und heimeligste Weihnachtsmarkt in der Stadt sei. Diese Smalltalkgespräche sind eine willkommene Abwechslung zum Dauerbrennerthema „Wetter“, erreichen aber dennoch schon nach kurzer Zeit eine ähnliche bleierne Belanglosigkeit. Der Grund: So etwas wie kuschelige, schöne und heimelige Weihnachtsmärkte gibt es nicht. Eine Verbindung dieser positiv besetzten Adjektive mit dem Begriff des Weihnachtsmarktes ist ein fundamentaler Widerspruch zwischen Substantiv und Adjektiv, eine sogenannte Contradictio in adjecto. Die Häufigkeit und Intensität der Smalltalkgespräche über Weihnachtsmärkte nimmt im Laufe des Dezembers schnell wieder ab, denn die Gesprächsführenden erkennen - ob sie wollen oder nicht - folgendes: Nicht Facebook, Justin Bieber und Banker sind die wahren Geißeln des 21. Jahrhunderts, sondern Weihnachtsmärkte. Sie sind rustikale, flächendeckende Open-Air-Absatzgebiete öffentlich zur Schau gestellten Plunders. Dieser Plunder wird nicht nur gezeigt, er wird auch noch zum Verkauf angeboten, zu vielfach völlig überzogenen Preisen, die weit über dem liegen, was diese Dinge im „normalen“ Einzelhandel kosten würden. Überwältigend ist vor allem die Nutzlosigkeit der dort feilgebotenen Produkte, ihr mangelnder Verwendungszweck entzieht sich jeder Beschreibung. Der Plunder scheinen einer Art halbkunstgewerblichen Meta-Welt zu entstammen, einem Kosmos voller subkultureller Pseudo-Artefakte. Verlässt man die Blase des Weihnachtsmarktes und kehrt in die reale Lebenswelt zurück, so verschwindet die Erinnerung an die auf dem Markt angebotenen Dinge nach kurzer Zeit aus dem menschlichen Gedächtnis. Zu grotesk sind die Bilder, die man aufgenommen hat, zu bizarr und damit zu abstoßend die Produkte. Es ist wie ein böser Alptraum, der zwar kurzfristig in Angst versetzt, der aber auch schnell wieder vergessen ist.
Nun ist es in unserer Kultur durchaus üblich, Sachen zu erwerben und dann zu verschenken, die keinen oder nur einen sehr geringen Zweck erfüllen. Blumen zu Beispiel, über deren Erhalt man sich aber trotzdem freuen kann, wenn sie der Schenker aus Gründen der persönlichen Zuneigung verschenkt hat. Leider taugen die auf einem Weihnachtsmarkt angebotenen Produkte auch für diesen Brauch nicht. Weil sie von überragender Hässlichkeit und geradezu monströser Kitschigkeit sind. Die mit Weihnachtsmarktplunder Beschenkten müssen Dankbarkeit heucheln und sind den Rest des Jahres damit gestraft, den Nippes in ihrer Wohnung auszustellen oder sie müssen sich intensiv Gedanken machen, wie sie ihn diskret loswerden.
Letzte Zuflucht: Alkohol. Unglücklicherweise bietet die erfreulicherweise gesellschaftlich voll akzeptierte Droge auf einem Weihnachtsmarkt nicht die vertrauten Problemlöserqualitäten. Der feilgebotene „Glühwein“ hat die Qualität übelsten Pennerdiesels und wird für viel zu viel Geld in den allerhässlichsten Gefäßen verkauft. Eine dauererhitzte Plörre aus Zucker und vergorenen Trauben, die das Recht auf die Bezeichnung „Wein“ schon lange verwirkt hat. Man tut den fleißigen und tüchtigen Winzern in Deutschland großes Unrecht an, wenn man sie irgendwie mit dem auf Weihnachtsmärkten angebotenen „Glühwein“ in Verbindung bringt. Fazit: Eine Vernebelung der Sinne und der damit einhergehenden besseren Erträglichkeit der innerstädtischen Menschen- und Mistmassen im Dezember mittels Weihnachtsmarktglühweins ist nur unter Inkaufnahme großer gesundheitlicher Schäden möglich.
Ein Ausweichen, ein Vermeiden von Kontakt zu Weihnachtsmärkten ist in den allermeisten Städten Deutschlands nicht möglich. Längst sind alle zentralen Plätze und freien Flächen mit den Buden, die der Vernichtung von Gemütlichkeit und des guten Geschmacks gewidmet sind, zugestellt. An ein halbwegs entspanntes Flanieren ist jedenfalls jetzt und in der Zukunft auf gar keinen Fall zu denken, solange es Weihnachtsmärkte gibt.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Bergmann (08.12.11)
Die W-Märkte geben mir schon seit vielen Jahren zu denken. Und werden mir nun immer widerlicher. Ich stimme deinen kritischen Gedanken voll zu.

 Didi.Costaire (08.12.11)
Hallo Dieter, ich habe auch schon daran gedacht, über die Thematik zu schreiben, nachdem ich am Wochenende an viel Krempel vorbeigelaufen bin. Bei dem sog. Glühwein finde ich außerdem bemerkenswert, dass die Leute ihn zu sich nehmen, um sich aufzuwärmen, wobei ihnen durch das Herumstehen erst so richtig kalt wird.
Ab und an gibt es übrigens positive Ausnahmen. So war ich am letzten Wochenende auch auf einem Weihnachtsmarkt, auf dem vergleichsweise hochwertige Kunst- und Handwerksgegenstände angeboten wurden.
Der Titel der Kolumne weist darauf hin, dass es inhaltlich um Horror geht, und hat zumindest einen geringfügigen Bezug zum Thema Film. Hier und da ein entsprechender Querverweis im Text wäre nicht schlecht.
Schöne Grüße, Dirk

 süßerMacho (08.12.11)
Die Spieler vom "Club" verkaufen jedes Jahr auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt Rostbratwürste. So hätten wir den Bezug zum Fußball hergestellt
http://www.fcn.de/news/artikel/grillen-fuer-den-guten-zweck/

 Dieter_Rotmund (09.12.11)
Tut mir leid, für mehr Vereise zu Wes Craven Nightmare on Elem Street von 1984 hat es nicht gereicht, dafür habe ich den Text (mangels Alternativen) zu kurzfristig online gestellt. Außerdem habe ich den Film vor mind. 20 Jahren das letzte Mal gesehen, er ist, trotz Johnny Depp, etwas in Vergessenheit geraten, mir jedenfalls sind weder im Kino noch in der Glotze WAs aufgefallen...
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