Gemälde der Neuen Sachlichkeit (1925-1933) ziehen mich immer wieder in ihren Bann. G.F. Hartlaub prägte den Begriff Die Neue Sachlichkeit für seine Ausstellung Deutsche Malerei seit dem Expressionismus, 1925 in Mannheim.
In nahezu jeder größeren Stadt, die in irgendeiner Form Platz für eine Kunstszene bot, fanden sich Gruppen von Malern zusammen, um in der neuen Sicht, im Blick auf das Alltägliche zu malen. In Hannover war es die Kunstgewerbeschule aus der ein kleiner Kreis Gleichgesinnter, an der Ausdrucksform der Neuen Sachlichkeit Interessierter, hervorging.
Mit im Kreis war die Grete Jürgens. Ein Selbstporträt stammt aus dem Jahr 1928. Es hängt im Historischen Museum Hannover.
Die Jürgens hat sich mit Kühle und Distanz in Pose gesetzt. Ihr Porträt füllt nahezu das gesamte Bild und lässt nur an den oberen Randbereichen Platz für Hintergrundkulisse. Sie nimmt eine abwartend-beobachtende Haltung ein und schaut dem Betrachter vorurteilslos-ernst direkt ins Gesicht. Im Hintergrund sieht man zerfallene Gebäude. Verfall und Abriss unterstreichen die fortschreitende Industrialisierung und den Umbau im Großraum der Stadt. Im Bild wirken diese Hintergrundmotive mit ihrer Banalität und Hässlichkeit. Tristesse und Fortschrittsoptimismus changieren im Selbstporträt der Jürgens.
Ich beschreibe den Ausdruck der Gemälde dieser kurzen und auf mich so stark wirkenden Epoche komprimiert durch Adjektive. So entfaltet Neue Sachlichkeit Wirkung:
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kühl-distanziert,
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schlicht-bescheiden,
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nüchtern-geschärft,
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vorurteilslos,
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fotografisch-scharf,
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statisch-präzise,
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alltäglich-banal,
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emotionsfrei-bedrückend,
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kantig-hart.
Christan Schad Sonja 1928
Carl Grossberg Jacquard-Weberei 1934
Erich Ockert Mädchenbildnis 1927
Franz Lenk Stilleben mit Kartoffeln Tasse Zwiebeln 1927
Rudolf Schlichter Bertolt Brecht 1926 und Helene Weigel 1928
Franz Radziwill Wilhelmshafen 1929