Im Blumengarten meiner Selbst

Parabel zum Thema Innenwelt

von  Rahel

Das Paradies, von dem ich mir tagein tagaus erzählt hatte, stellte sich als Moloch heraus, dessen Herrscher ich war. Ohne sie greifen zu können, rann die Zeit an mir vorbei, war das Antlitz im Spiegel zunehmend das eines Fremden. In meinem Moloch war  ich Herrscher und Verfolgter in Angst und allein.
Die kommende Befreiung füllte meine Gedanken und gab mir Hoffnung, diese Hoffnung füllte am Ende des Tages meine Ecken und Ränder, floss durch meine Adern und Windungen und rann wie die Erlösung an meinen schmerzenden, rastlosen Schläfen herab.
Der Schlaf der Zeronnenen gab mich frei, als ein neuer Morgen anbrach und ich aufstand, um den letzten Funken Hoffnung der deliriösen  Nacht meinen Geiern zum Frass vorzuwerfen, gemeinsam mit mir selbst, doch mochten sie mein Fleisch nicht, nur die Hoffnung füllte ihre Mägen .

Du standest in einer Ecke, einer Ritterrüstung gleich hatte ich Dich zur Dekoration auserkoren, in der Katakombe meines Palasts. Mühevoll, hatte ich Dich angemalt und geschmückt, nun warst Du nicht mehr erkennbar unter der Maske die nur mir glich. Hassend, begegnete ich Deinen streichelnden Händen und sorgenden Mühen, heulen und kreischen in meinen Ohren wenn Du mit schönster Stimme sangest. Ich hasste Dich, wenn du mir von Liebe und Paradisischem erzählen wolltest und die Maske, die ich Dir gab,  zu bröckeln begann. Als ich sie nachmalte, sah ich Dein Zittern, Deine Haare unter der Perücke waren längst ergraut. Hatten  die unzähligen erfolglosen Versuche auch Deine Seele grau gefärbt? Ich hoffte, du würdest es enden lassen. Zum Abschied dann füllte ich Schmerz in Dich, wie in eine Flasche, die ohne ihren Inhalt sinnlos geworden wäre und überließ euch einander.

Geängstigt, von dem schieren Durcheinander welches ihn beherrschte, fand ich mich gegen Mittag in meinem Blumengarten wieder. Ganz ohne mein Zutun wuchsen hier die  prächtigsten und feinsten Blumen in größter Vielfalt. Jeden Tag kam ich in den Garten und kümmerte mich um eine Blume, während ich die anderen vergass. Die Leichen vergangener Monate umgaben mich, denn, Opfer meines Wankelmutes, war die heute gegossene die morgen vergessene und sicher dem Tode geweiht. Neidend dachte ich an andere Gärten, in denen  die Vielfalt weniger erdrückend, ja die klar, gar einfach waren. Hätte ich doch  nur eine einzelne Blume, so würde sie gedeihen und leben, groß und stark würde sie über die anderen hinauswachsen, ich würde in ihrem Schatten ruhen und an ihrem Stamm in die Wolken steigen. Ich hingegen, schaute auf das Schlachtfeld von schüchternen Blüten und starrenden Toten und atmete die Verdammnis, die ich in den leeren Beeten ausgesät hatte. Ach wenn sie nur wüssten, die anderen Gärtner, ich war verflucht von der Vielfalt die sie nur ersehnen konnten.


Wenn der Tag einmal ins Land gezogen war, wenn die Schwalben tief flogen und die Berge bebten, so schwamm ich des Abends in meinem See, schwamm um zu trinken und um  zu ertrinken. Kostete sein modriges Wasser erquickt wie von süßem Wein, bis ich  merkte, dass die Züge schwerer wurden, dass ich in den See sank und er in mir schwimmen wollte. Ich trank und trank, bis die Algen von meiner Schönheit zu singen begannen bis meine Haare zu ihnen wurden  und meine Haut zu den Schuppen der Fische, die meinen Magen füllten, bis in enger Umarmung ich in der Tiefe versank. Doch vermochten  auch die zähesten Wasser nicht mich zu halten und  wieder und wieder fand ich mich ausgestoßen und nackt  wie ein Neugeborenes am Ufer vor. Unversehrt, Leer und fett vom Fischmahl,  würde ich mich umsehen, um dann über verbrannte Wege und Brücken zu Bette zu wandeln, um mich schließlich von den Sirenen der  kurzlebigen Hoffnung besingen zu lassen.

Allein heut ist’s anders, denn ich bin nicht allein. Ich sehe Dich, da stehend am Ufer, maskiert wie ich Dich habe lächelst Du heute weder liebevoll noch flehend. Dein Haar ist lang geworden und weiss, wie der Schnee auf den Bergspitzen umweht es Dich, als Du wie ein Falke Dich erhebst, um wie ein Anderer ins Wasser zu gleiten. War es, sag mir, war es endlich genug? Zeig es mir. Mein Gesicht, Deine Maske, rinnt mit Wasser und Elend an Deinen Wangen hinab in den See hinein, als ich zu mir fließe. Dieser Abend war anders, denn mit wässrigen Lippen habe ich mich getrunken, habe Dich getrunken bis wir beide leer waren, und als wir in nassen Blumenbeeten und überschwemmten Burgen versickerten, dachte ich an Dein schönstes Gesicht und bereute mich.


Anmerkung von Rahel:

Text: © Schaganeh Rahel Mertins 09.11.2020

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Kommentare zu diesem Text


 GastIltis (10.11.20)
Hallo Rahel,
ich hätte mir einen Titel gewünscht wie „Im Blumengarten meiner Seele“.
Vielleicht verwende ich ihn noch für ein eigenes Gedicht.
Viel Glück wünscht Gil.

 Rahel meinte dazu am 10.11.20:
Hallo Gil,
danke für das Feedback, tatsächlich hatte ich zwischendurch den Titel „Im Garten meiner Seele“ habe mich aber umentschieden.
So kommt es manchmal :)
Viel Glück auch von mir

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 11.11.20:
Kommt da noch mehr, oder war's das?

 GastIltis schrieb daraufhin am 11.11.20:
Für die Allgemeinheit nicht; Rahel hat von mir noch eine PN bekommen und sie auch schon beantwortet.
Gegenfrage: Wie sieht es bei dir aus?

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 11.11.20:
Morgen brandneue Kolumne!

 Dieter_Rotmund (10.11.20)
Herzlich willkommen bei kV.
Zum Text sage ich lieber nichts, außer: rein handwerklich in Ordnung.

 Rahel ergänzte dazu am 10.11.20:
Dankeschön (: Schade, ich hätte mich über eine inhaltliche Kritik gefreut. Trotzdem danke für das Feedback.

 eiskimo (10.11.20)
Sehr packend, dein Text! Und die Welt, in die du uns hinein holst, ist faszinierend, sehr stimmig und mit starken Bildern. Ich habe ein paar mal angesetzt, manches mehrfach gelesen. Du schreibst sehr dicht. Aber es lohnt sich, mit dir da einzutauchen.
vG
Eiskimo

 Rahel meinte dazu am 11.11.20:
Hallo Eiskimo, dankeschön :) es freut mich wirklich, dass du starke Bilder sehen und in die Welt eintauchen konntest. Ich schreibe meistens in diesem Stil aber werde mich auch mal an weniger dichten Texten versuchen. Liebe Grüße

 DanceWith1Life (10.11.20)
Ich kann dir nur meine Gedanken hierlassen, mit dem Kunstbegriff "Kritik" habe ich nicht viel am Hut. Ich bin ziemlich hin und her gerissen. Zum einen machen die verwendeten Bilder unglaublich Sinn, und dann wieder werden sie zu Unstimmigkeiten, das kann an Begriffen liegen, die mir etwas anderes sagen, als sie sollten. Ganz einfach weil sie in deinem Universum eine andere Bedeutung haben. Als Ganzes gefällt mir der Text, der sich gegen die Bedeutngslosigkeit auflehnt, die warum auch immer, unsere Traumbilder befallen hat.
Ich werde mich da noch ein wenig einstimmen müssen.
Viel Vergnügen auf dem Inselstaat KeinVerlag

Kommentar geändert am 10.11.2020 um 21:08 Uhr

 Rahel meinte dazu am 11.11.20:
Hallo, vielen Dank für deine Gedanken. Es stimmt, das Begriffe wohl in jedem Universum eine andere Bedeutung haben können und es würde mich sehr interessieren welche da bei Dir zu Anderen oder Unstimmigkeiten wurden? Ich würde mich freuen den Text aus einem andern Auge betrachten zu können :) Viele Grüße

 DanceWith1Life meinte dazu am 11.11.20:
Wenn ich ein Wanderer wäre, auf der Suche nach dem verlorenn Paradies, ich läse, dass, Lyri hat das auch gesucht und daran geglaubt, dass es auf dem Weg dorthin wäre. Eine jähe Erkenntnis, wodurch auch immer hervorgerufen, ruft alle Mechanismen auf den Plan, die Psychologen und viele andere, so gerne "Desillusionierung" nennen. Allein mit so einer platten Phrase kann dieses Lyri sich auf keinen Fall zufrieden geben. Lyrdu betritt die Bühne, seltsam unmündig, maskiert, in eine Rüstung gesteckt und in die Ecke gestellt, es ist gruselig.
Wie durch Zufall fast unbeabsichtigt findet Lyri sich im "Garten seiner Selbst" wieder. Das ist nicht der Garten der Erleuchteten, soviel steht fest, es ist etwas das bei mir die Assossation Spiegellabyrinth auf den Plan ruft, ein von mir als passend empfundenes Wort, für etwas das Anais so formulierte, "wir sehen die Welt nicht so wie sie ist, wir sehen sie so wie wir sind. Lyri scheint sich dessen bewusst zu sein oder zu werden. Lyrdu ist inzwischen nur noch Statist. Es werden noch ein paar Szenen beschrieben, die den Zustand verdeutlichen, Vergleiche angestellt, mit Gärtnern, die andere Gärtnerprobleme haben, usw.
ich mach mal Kaffeepause
Und dann passiert diese nebensächliche Aneinanderreihung, "mein Gesicht, deine Maske" , ich stelle mir vor, ich würde das meinem Spiegelbild zurufen, im Badezimmer, und was denn dann eigentlich passieren soll.
Lyri geht andere Wege, besser gesagt schwimmt sie.

Antwort geändert am 11.11.2020 um 23:16 Uhr

 Rahel meinte dazu am 12.11.20:
Danke dir, dass du dir die Zeit genommen hast mir das so ausführlich aufzuschreiben. Es ist nämlich wie ein Geschenk mein Geschriebenes noch aus einem anderen Kopf heraus erleben zu können, werde mir da noch ein bisschen Gedanken machen. Vor allem das Ende, mit dem Badezimmerspiegel hat mich was neues sehen lassen, find ich ziemlich interessant!
Liebe Grüße von Rahel

 Dieter Wal (16.09.21)
Wow!

HERZLICH WILLKOMMEN!

 Rahel meinte dazu am 17.09.21:
Danke !! Ich freue mich, dass der Text gefällt :)
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