Wintertag

Alltagsgedicht zum Thema Winter

von  Bergmann

-

Für Didi.Costaire

Herr: es ist Zeit. Der Winter ist zu groß.
Leg deine Sonnenstrahlen auf die Fluren,
und gib nun deinem Herzen einen Stoß.

Befiehl den Winden, wieder warm zu sein;
gib uns schon morgen südlichere Tage,
verdränge endlich diesen Frost und sage
der letzten Kälte bald dein schweres Nein. 

Wer jetzt erfriert, braucht keine Wärme mehr.
Wer nunmehr tot ist, wird es lange bleiben,
wird nicht mehr wartend seine Zeit vertreiben
und wird im Orkus dauernd hin und her
unruhig wandernd warm sich reiben. 


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Kommentare zu diesem Text


 ManMan (22.03.18)
Nette Satire auf Hermann Hesse, getarnt als Alltagsgedicht. Schön, wieder etwas von dir zu hören!
Marjanna (68) meinte dazu am 22.03.18:
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 princess antwortete darauf am 22.03.18:
Satire auf Hermann Hesse? Ich lese hier eine Rilke-Adaptation.

 loslosch schrieb daraufhin am 22.03.18:
ja, RMR:

∼ Herbsttag ∼

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke (Paris 1902)

 Bergmann äußerte darauf am 23.03.18:
Bundeskanzler Schröder sagte dieses Gedicht im Fernsehen auswendig auf, als er noch nicht lange Kanzler war. Wir sehen, er dachte wohl, das Gedicht habe sozialdemokratische Züge ...

Es gibt übrigens eine schöne Parodie gegen Rilke von

Ute Zydek: Ich denke an Rilkes Herbsttag-Gedicht


Mein Sommer war nicht groß
wenn ich ehrlich bin
er war nie da
blieb fern
wie vieler Menschen Sommer
fernbleibt.
Sein Schatten lag verfrüht
auf Sonnenuhren
und arge Winde
warn vorzeiten los.

Vollendung
ohne Sonne
ohne Süße
überhaupt
wie sollte das geschehn?
Zu keltern
eine derart kümmerliche Traube
verlohnt sich nicht.

Ein Haus
das hab ich nicht
und werd ich niemals haben.
Allein
werd ich wohl weiter bleiben
und wachen nachts
mich ängstigen und sehnen.


Das Lesen
ist mir schwer geworden
und lange Briefe schreiben
wer
würde sie denn haben wollen?

Was bleibt
von Rilkes Herbsttag mir?
Das unruhige Wandern
zwischen Jetzt und Niemalsmehr
und manchmal noch
ein Laufen durch Alleen
im November

und irgendwo
ein klitzekleines
unbestimmtes
Fetzchen Hoffnung

Herr es wird Zeit.

[1979]

 ManMan ergänzte dazu am 23.03.18:
Ja natürlich Rilke statt Hesse! Ich weiß auch nicht, wie dieses Versehen passieren konnte. Entschuldigung, auch im Namen meiner Eltern!

 Elén (23.03.18)
der Satz ist toll:

"Wer nunmehr tot ist, wird es lange bleiben"

LG

 Elén (23.03.18)
der Satz ist toll:

"Wer nunmehr tot ist, wird es lange bleiben"

LG

 Bergmann meinte dazu am 23.03.18:
Ave, Elén, du lebst noch! Und schreibst wieder etwas mehr. Gut so!
LG

 Der_Rattenripper (10.04.18)
Hallo Uli,

sehr starker Anfang guter Rhythmus, was den letzten Absatz angeht, den finde ich inhaltlich sehr schwach:

Wer jetzt erfriert wird es lange bleiben und nicht mehr wartend seine Zeit vertreiben

Liegt auf der Hand, dass ein Toter nicht wieder aufersteht. Die letzte eigentlich überflüssig weil sie sich selbst erklärt. Der Rhythmus ist aber auch hier gelungen.

Guter Text bis auf die inhaltliche Schwachstelle.

Schönen Gruß

Der_Rattenripper.

 Der_Rattenripper (10.04.18)
Hallo Uli,

sehr starker Anfang guter Rhythmus, was den letzten Absatz angeht, den finde ich inhaltlich sehr schwach:

Wer jetzt erfriert wird es lange bleiben und nicht mehr wartend seine Zeit vertreiben

Liegt auf der Hand, dass ein Toter nicht wieder aufersteht. Die letzte Strophe ist eigentlich überflüssig, weil sie sich selbst erklärt. Der Rhythmus ist aber auch hier gelungen.

Guter Text bis auf die inhaltliche Schwachstelle.

Schönen Gruß

Der_Rattenripper.

Kommentar geändert am 10.04.2018 um 22:11 Uhr

 Reliwette meinte dazu am 10.10.19:
Also ein wenig Ulk wird ein so tüchtig gereimtes Gedicht wohl noch vertragen, oder? Was hältst Du denn von:
"Hier ne Latte, da ne Latte
und dazwischen Zwischenraum
fertig ist der Gartenzaun."

Ist doch wohl überflüssig logisch - oder?
Gruß! H.T.R

 Bergmann meinte dazu am 10.10.19:
Nee, Latte geht nich, Latte ist zu bedeutungsschwanger ...

 Reliwette meinte dazu am 11.10.19:
:-)
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