3. Kapitel Der Küblböck Lenz

Erzählung zum Thema Heimat

von  kirchheimrunner

Der Küblböck Lenz

Also fangen wir an, bevor es zu spät ist:

Der Küblböck Lorenz war der zweite Sohn eines Kleinhäuslers aus dem besagten Attenkirchen. Der Vater des Lorenz verdiente sich zu den spärlichen Ein-nahmen aus der Landwirtschaft noch ein paar Groschen als Mesner dazu und seine Mutter, die Agnes verdingte sich als Wäscherin und Zugehfrau bei den geldigen Großbauern.

Drei, vier Tagwerk Grund und nur fünftausend Hopfenstöck war alles was die Küblböcks bewirtschaften konnten.

Ein halbes Tagwerk Wald, und ein Tagwerk Sauerwiese für  acht Fuder Heu. So stand es im Kirchenkataster zu Pfettrach.

Das war zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig.

Und für den zweiundzwanzigjährigen Lenz eine bittere Erfah-rung. In seinem Hosensack klimperte kein Kleingeld,
von Markstückeln gar nicht zu reden! Natürlich wurden ihm dann die feschen Weiberleut von den spendierfreudigen Söhnen der Großbauern ausgespannt:

„Da hast die Nasn zu weit unten, mein lieber Lenz; -  das wird nix mit der Kreuzhoferbauern seiner Resi, und die Weinzierl Marie, die kannst dir gleich aus dem Kopf schlagen! „Kusch dich!

So blieb dem Lorenz nur das Bier und die scheelen Blicke zu den Tischen der Reichen und Großkopferten.

In Lorenz wuchs der Neid, er wuchs nicht maßlos aber stetig.

Mit Lorenz, dem Armhäuslerbuben wird es dann wohl so werden wie mit dem versoffenen Schusterhuber Franz,
der mit 45 Jahren immer noch keine Bäuerin gefunden hatte.
„Eine Schand’ war es schon!

Allein lebte der schon seit Jahren in seinem kleinen, ver-wahrlosten und windschiefen Haus dort oben auf dem Hügel, der die Weiler Willertshausen und Brandloh von einander trennte.

Allein lebte der Franz allein - im seligen Bierrausch. Seit jenem verhängnisvollen Spätwintertag im Februar anno 1951. Seiner alten Mutter, - der Schusterhuber Anna - ,  kippte Mistfahren der viel zu schwere Schubkarren mit seiner tinkenden Last um. Sie rutschte im Schweinekot aus und ertrank ganz jämmerlich in er  Odellgrube.

Sie ergab sich fast wehrlos dem grausigen Tod.

Der fast besinnungslos besoffene Franz hat das gurgelnde Rufen seiner Mutter zu spät gehört, und wäre beim Versuch sie herauszuziehen fast hinterher gestürzt.

Alle im Dorf sagten: „es wäre besser für ihn gewesen; - da währ’ ihm viel erspart geblieben, dem elenden Nichtsnutz!

Der Vater des Franz war unbekannt; - ihr könnt euch schon denken warum. Ja genau! Maibowle für die Stalldirnen gab es auch schon anno 1911!

Nein, so wie diesem dumm gesoffenen Biersack sollte es ihm nicht gehen, sagte sich der Küblböck Lenz, als er am Fronleichnamstag nach der feierlichen Prozession im Bier-garten des Krautkönigs von Willertshausen saß.

Seine letzten Zehnerl hatte er für ein Bier ausgegeben. Schon nächtelang grübelte er über seine hoffnungslose Situation nach.

Irgendetwas müsste doch zu machen sein? Heraus aus diesem elenden Kaff, aus dem stinkenden Mief der Scheinheiligkeit seiner Eltern, dem Duckmäusertum der armen Leute und der gierigen Hinterfotzigkeit der Großbauern.

… Seemann lass das Träumen…
tönte es derweil aus der Musiktruhe der Bierschwemme.

Die Möglichkeiten der Kleinbauern waren begrenzt und eng beschnitten: Die meisten Bauernkinder verließen nach der 8. Klasse die Volksschule. Mehr als leidlich lesen und schreiben konnten sie nicht. Mit den drei Grundrechenarten standen viele auf Kriegsfuß, aber die 10 Gebote und den Katechismus konnten sie rauf und runterbeten.

Einen Beruf lernte kaum einer. Nach 2 Jahren in der Haus- und Landwirtschaftsschule, arbeiteten sie auf den Äckern, den Feldern und den Hopfengärten. Eine weiterführende Schule besuchte niemand; für was auch.

Wer die enge Welt der Halledau verlassen musste, arbeitete in Freising oder in München als Hilfsarbeiter auf dem Bau.

Der Lorenz würde sich also anpassen müssen, oder er würde unter die Räder kommen. Denn die Standesdünkel waren nicht auszuräumen, und damit das Gemeinwesen funktionierte, hatte jeder - sein Lebtag lang - auf dem Platz zu bleiben, der ihn von Geburt aus zu-gewiesen war.

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