Reportage über den Jahreswechsel

Reportage zum Thema Jahreswechsel/ Silvester

von  ian_grey

Hallo! Willkommen! Schönes Jahr auch!

Ein Jahr ist weg. Einfach weg. Und nichts bleibt übrig davon.

Dabei geht das jedes Jahr so: Zuerst wird auf der ganze Welt 24 mal mit viel Krach verlautet, dass es ein neues Jahr gibt. Bumm, Peng, Tatütata – die übliche Geräuschkulisse in der Silvesternacht. Und natürlich beschränkt sich das nicht auf die Geisterstunde, in der selbige nach dem alten Brauch vertrieben sollen, sondern fängt bereits zwei Tage früher an.

Vor allem Tiere sind in dieser Zeit sehr unruhig ob des vielen Lärms. Das Pfeifen der Raketen und vor allem die schussartigen Explosionen der von vielen Jugendlichen überall fallen gelassenen Böller treiben viele Haustiere dazu, sich in den dunkelsten und verstecktesten Ecken in ihren Häusern zu verkriechen.

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase, die Zeit bis zu den Heiligen Drei Königen, die von vielen Erwerbstätigen mit Kindern im schulpflichtigen Alter für einen Teil des Jahresurlaubs hergenommen wird, geht es dann auch wieder in die Vollen. Das Loch, das die Weihnachtszeit in die Kasse gerissen hat, will gestopft werden, und nach dem exzessiven Nichtstun der Weihnachtszeit wollen viele Aufträge abgearbeitet werden. Und schon steht das erste Schreckgespenst des Jahres doch mal wieder vor der Tür:

Es wird Fasching. Genau genommen ist Fasching schon seit dem 11.11. des letzten Jahres, aber irgendwie merkt das keiner. Denn so richtig los geht’s damit erst im Februar, wo überall die Närrinnen und Narren, dieses ganze faschingstische Pack, aus ihren Löchern kriechen, um - frei von allen Regeln der Gesellschaft - auf Prunksitzungen zu gehen, die noch schlimmer reglementiert und durchstrukturiert sind, als das bürokratischste Land der Welt: China.

An dem Punkt, an dem man diese Vergewaltigung der Freiheit und Regellosigkeit schon lange nicht mehr aushalten kann, ist sie auch fast schon vorbei: Es wird Aschermittwoch, unter allen Gegnern des faschingstischen Regimes auch „Tag der Freiheit“ genannt. Und ohne viel Aufhebens stolpert man aus der einen Narretei in die nächste. Obwohl es noch mindestens zwei Monate dauert, bis vernünftige Menschen auch nur ansatzweise an das vormals kirchliche Fest der Wiederauferstehung denken, stehen mit einem Mal anstatt Indianerkostümen, Schreckschusspistolen und Luftschlangen tonnenweise Osterhasen aus Schokolade und bunt angemalte Eier in den Kaufhäusern dieser Welt.

So langsam wird die vormals braune Landschaft – weiß gibt es in unseren Gefilden schon lange nicht mehr – wieder grün, die ersten Blumen blühen, und auch die Bäume bekommen neue Blätter: Es wird Frühling. Die Welt wird wärmer, bunter, einfach schöner, und die Menschen freundlicher und aufgeschlossener, und irgendwann darf man wieder einen Tag lang zu Hause bleiben: Es ist Ostern, und mit Ostern kommen Feiertage. Ein kurzer Ausstieg aus dem alltäglichen Trott, bevor es dann mit einem Mal Sommer ist. Jedes noch so kleine Kaff, jede Feuerwehr, jede Kirchengemeinde muss nun die Zeit nutzen, und Feste feiern. Von Kerwa übers Feuerwehrfest und ein Sommerfest ist so den ganzen Sommer was los, und selten passiert es, dass in einer Region zwei dieser Feste am gleichen Datum sind – mit einer Ausnahme: Mitten im Sommer gibt es das  Kanzfeuer oder Johannisfeuer, die Sommersonnwende. Den Abschluss dieser Feierlichkeiten bildet dann das Oktoberfest, welches allerdings trotz des Namens nicht unbedingt im Oktober stattfinden muss – und inzwischen hat man sich auch an die neue Jahreszahl gewöhnt, und schickt seine Briefe nicht mehr aus der Vergangenheit. Doch schon lange vor dem Oktoberfest finden sich in den Läden die Anzeichen, dass das Jahr sich dem Ende neigt: Aus den tiefen Winkeln der Lager aller Kaufhäuser schleichen sich wieder die Kostüme in den Vordergrund, denn es gilt einen besonderen Tag zu feiern: Allerheiligen, nicht nur hierzulande besser bekannt als „All Hallow’s Eve“ – Halloween.

Noch am selben Tag werden die Läden wieder umdekoriert: Die Abteilung mit Kostümen und Kürbissen wird kleiner, um tags darauf völlig zu verschwinden, und die Regale werden von Armeen von Schokoladenweihnachtsmännern, Krippenfiguren und Christbaumkugeln erobert. Jede Menge Adventskalender gehen über die Ladentheken, um dann im Dezember von Kindern jeden Alters geplündert zu werden, und eh man sich versieht, wartet schon der Pfarrer auf den jährlichen Kirchenbesuch, die Welt steht für zwei Wochen wieder still, und es wird gefressen was das Zeug hält. Während tausende von Rednern ihren Jahresrückblick halten, hört man hin und wieder eine Rakete gen Himmel steigen, und ohne viel Aufhebens ist das Jahr verschwunden, und eigentlich hat man das ganze Jahr nichts gemacht, außer zu feiern. Was bleibt, ist: nichts.

Wo ist es hin, fragt man sich dann, und: Was hat es gebracht? Und wieder mal weiß niemand eine Antwort.


Anmerkung von ian_grey:

~ 01. Januar 2010 ~

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 püttchen (02.01.10)
der Text gefällt mir sehr gut. Vor allem die Formulierungen! Gruß, püttchen
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram