Im Taumel der Stille
Groteske zum Thema Literatur
von Bergmann
Kommentare zu diesem Text
Gerne gelesen! Du schafftest es, mich dranzuhalten an deinem Text. Er baut eine subtile Spannung auf und auch Komik.
Da stimme ich zu. LG
ein feine unheilge Allianz sonor zwischen Lesenden und Rezipienten parlierend, interagierend, progressiv infizierend und erhebend. Komische Fallhöhe.
Aside:
Kafka hat einen feinen Lesungsbericht gegeben, bleibt dabei unangesteckt und empathisch-trocken:
Bernhard Kellermann hat vorgelesen: einiges ungedruckte aus meiner Feder, so fieng er an. Scheinbar ein lieber Mensch, fast graues stehendes Haar, mit Mühe glatt rasiert, spitze Nase, über die Backenknochen geht das Wangenfleisch oft wie eine Welle auf und ab. Er ist ein mittelmässiger Schriftsteller mit guten Stellen (ein Mann geht auf den Korridor hinaus, hustet und sieht herum, ob niemand da ist) auch ein ehrlicher Mensch, der lesen will, was er versprochen hat, aber das Publikum liess ihn nicht, aus Schrecken über die erste Nervenheilanstaltgeschichte, aus Langweile über die Art des Vorlesens giengen die Leute trotz schlechter Spannungen der Geschichte immerfort einzeln weg mit einem Eifer, als ob nebenan vorgelesen werde. Als er nach dem 1/3 der Geschichte ein wenig Mineralwasser trank, gieng eine ganze Menge Leute weg. Er erschrak. Es ist gleich fertig, log er einfach. Als er fertig war, stand alles auf, es gab etwas Beifall, der so klang als wäre mitten unter allen den stehenden Menschen einer sitzen geblieben und klatschte für sich. Nun wollte aber Kellermann noch weiterlesen eine andere Geschichte, vielleicht noch mehrere. Gegen den Aufbruch öffnete er nur den Mund. Endlich nachdem er beraten worden war sagte er: Ich möchte noch gerne ein kleines Märchen vorlesen, das nur 15 Minuten dauert. Ich mache 5 Minuten Pause. Einige blieben noch, worauf er ein Märchen vorlas, das Stellen hatte, die jeden berechtigt hätten, von der äussersten Stelle des Saales mitten durch und über alle Zuhörer hinauszurennen.
Tagebucheintrag vom 27. November 1910, in: Franz Kafka, Tagebücher, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Michael Müller und Malcolm Pasley, Frankfurt am Main (S.Fischer) 1990, S. 127f.
greetse
ww
Aside:
Kafka hat einen feinen Lesungsbericht gegeben, bleibt dabei unangesteckt und empathisch-trocken:
Bernhard Kellermann hat vorgelesen: einiges ungedruckte aus meiner Feder, so fieng er an. Scheinbar ein lieber Mensch, fast graues stehendes Haar, mit Mühe glatt rasiert, spitze Nase, über die Backenknochen geht das Wangenfleisch oft wie eine Welle auf und ab. Er ist ein mittelmässiger Schriftsteller mit guten Stellen (ein Mann geht auf den Korridor hinaus, hustet und sieht herum, ob niemand da ist) auch ein ehrlicher Mensch, der lesen will, was er versprochen hat, aber das Publikum liess ihn nicht, aus Schrecken über die erste Nervenheilanstaltgeschichte, aus Langweile über die Art des Vorlesens giengen die Leute trotz schlechter Spannungen der Geschichte immerfort einzeln weg mit einem Eifer, als ob nebenan vorgelesen werde. Als er nach dem 1/3 der Geschichte ein wenig Mineralwasser trank, gieng eine ganze Menge Leute weg. Er erschrak. Es ist gleich fertig, log er einfach. Als er fertig war, stand alles auf, es gab etwas Beifall, der so klang als wäre mitten unter allen den stehenden Menschen einer sitzen geblieben und klatschte für sich. Nun wollte aber Kellermann noch weiterlesen eine andere Geschichte, vielleicht noch mehrere. Gegen den Aufbruch öffnete er nur den Mund. Endlich nachdem er beraten worden war sagte er: Ich möchte noch gerne ein kleines Märchen vorlesen, das nur 15 Minuten dauert. Ich mache 5 Minuten Pause. Einige blieben noch, worauf er ein Märchen vorlas, das Stellen hatte, die jeden berechtigt hätten, von der äussersten Stelle des Saales mitten durch und über alle Zuhörer hinauszurennen.
Tagebucheintrag vom 27. November 1910, in: Franz Kafka, Tagebücher, hrsg. von Hans-Gerd Koch, Michael Müller und Malcolm Pasley, Frankfurt am Main (S.Fischer) 1990, S. 127f.
greetse
ww
:-)
Lieben Dank für den Kommentar!
Kafkas Tagebucheintrag - auch er litt.
Apropos: Aus welcher Sprache ist "greetse"?
Herzlichst: UB
Kafkas Tagebucheintrag - auch er litt.
Apropos: Aus welcher Sprache ist "greetse"?
Herzlichst: UB
Es war ihm, als würde er des Wahns gewahr, der sich in ihm auszubreiten nicht entbrechen zu sollen schien.
Mir persönlich fehlen am Ende die langen Gesichter angesichts unverkaufter Gedichtbändchen. Oder kann ich mir das denken? Mh.
Liebe Grüße
Llu ♥
Ha, überschnitten. Zwei Doofe, ein Gedanke: Wasn Glück, dass wir nich auf diesa Lesung waren, Lluchen!
Die Sorgen um Esmeraldas verunfallte Hand waren sicher unbegründet. Und auch die Hände von Iris und Georg wurden bestimmt nicht übermäßig beansprucht. Mitleidvolle Grüße, Irma
An alle:
Natürlich habe ich Bericht und Zitate zugespitzt, auch sprachlich - z. B. die Konjunktive und Auxiliarkomplexe. Im Prinzip aber war die Lesung wirklich so.
Natürlich habe ich Bericht und Zitate zugespitzt, auch sprachlich - z. B. die Konjunktive und Auxiliarkomplexe. Im Prinzip aber war die Lesung wirklich so.
Die erschienenen Olympier eröffnen ihre vergeistigten Tätlichkeiten, um sich ihrerselbst zu vergewissern. Kurz: es zählt der olympische Gedanke. Dabei (gewesen zu) sein, ist alles. Oder besser: wäre alles gewesen! Ein Lesegenuss der extravaganten Erotik. Im Taumel der Stille! Herrlich, liebe Grüße von Gil.
Besten Dank fürs freundliche Kommentieren! - Uli
Ein Schelm der nicht an Hape Kerkelings "Hurz" denken muss.
LG niemand
LG niemand
Es ist aber kein Fake! Allerdings war Hapes Fake auch nicht ganz gefaked. LG
Medientauglichkeit, dem Denken eine Form zu geben, wer bin ich eigentlich im Lyrischen Ich?
Gute Frage! Otto Conrady sagte mir vor einigen Jahren mal, je älter er werde, umso unheimlicher werde ihm der Begriff des Lyrischen Ichs, und er empfiehlt, ohne diesen Begriff auszukommen. Die Gleichsetzung mit dem Autor bilde zumindest eine (bedeutende) Schnittmenge mit dem Lyrischen Ich.
Etwas arg langatmig gehalten, das würde ich verdichten.
Ich stimme dir zu.
(Ich denke, es lohnt sich nicht, den Text neu zu schreiben ...)
(Ich denke, es lohnt sich nicht, den Text neu zu schreiben ...)