Der Fluss - Monolog

Gedicht zum Thema Veränderung

von Bellis

Zu Anfang war ich klein und klar;
es kümmerte mich nicht, wohin ich lief,
nahm jeden Weg, wenn er nur von allen
der geradlinigste war.
Ich hatte, egal wie abgrundtief,
keine Angst vor´m Wasserfallen!

Über Steine stürzen,
um abzukürzen!

Später war ich immer noch schmal,
doch schon mit mehr Wasser und flott.
Ich floss in Kurven und mäandrierte.
Übermütig schoss ich zu Tal,
leckte, kostete und probierte,
nahm alles mit, was sich mir bot.

Umwege gehen,
um alles zu sehen!

Im Lauf der Zeit wuchs meine Stärke,
ich lernte, Steine zu bewegen,
nahm sie mit mir und schliff sie rund.
Durch mich funktionierten Wasserkraftwerke.
Mir gelang es, Felsen bloßzulegen.
Mächtig wurde meine Kraft, tiefer mein Grund.

Zielstrebig fließen
und Einfluss genießen.

Allmählich gewann ich Ruhe und Breite,
ließ mich nicht aufhalten von Hindernissen.
suchte meinen Weg gemächlich und fett.
Was mich hemmen wollte, spülte ich beiseite,
Barrieren wurden spielend mitgerissen;
ich schaffte mir mein eigenes Bett.

Fluktuation zum bequemen
seichten Strömen.

Unmerklich wurde ich träge und trübe,
heute erkenne ich meinen Grund nicht mehr.
Ließ zu, dass man mich begradigte streckenweise...
Irgendwann wusst` ich, dass ich eingeengt bliebe,
setzte ich mich nicht zur Wehr - über`s Wehr!
Bisher war ich zurückhaltend und leise.

Ich brauche Gefälle!
Ich will wieder Schnelle!

Es bedarf kaum noch Tropfen, bis ich überfließe,
ich spüre, wie ich beginne, anzuschwellen.
Es ist Zeit für Gezeiten, Zeit zum Modellieren,
wenn der Damm bricht und ich mich ins Land ergieße
in wutweißgischtgekrönten Wellen,
um mich zu klären und neu zu orientieren.

Hochwassermut!
Fruchtbare Flut!