25. Strophe

Text

von  ManMan

25
Sie lutscht an ihrem Stückchen Ananas
ich leere weiter Zug um Zug
die Kaffeetasse

Vor dem Fenster auf dem Birnbaum
zwitschert eine Meise und Vanessa sagt:
wie gut, dass ich dich habe!--

Dann kommt sie zu mir, hockt sich hin
streicht zärtlich über meine Knie:
Was macht denn dein Vergil-Projekt? Kommst du zurecht?--

Nicht allzu gut, gestehe ich.
Dann wähl ein anderes Thema, rät sie mir
eines aus unserer Zeit, das uns betrifft.--

Zeitlos ist die Liebe der Dido, deklamiere ich
vor sich sieht sie nur noch den herrlichen Mut jenes Mannes
keinen Augenblick Ruhe lässt ihr die Sehnsucht hinfort
das bewirkte sein Anblick und das, was er zu ihr gesagt!--

War das Vergil oder war das von dir?--
Von mir, bei Vergil kommt hinzu
die Herkunft des edlen Aenaeas.--

Sie gießt mir neuen Kaffee ein.
Gestern kam zweimal ein Anruf, Vanessa
aus Italien, er war für dich.--
 
Aus Italien?--Warum errötet sie? -Weißt du, von wem?--
Ich zucke die Schultern. Ich weiß es nicht
Tanja war am Telefon.--

Jetzt nimmt sie mir die Tasse aus der Hand
schmiegt sich auf einmal an mich:
Magst du Tanja? Muss ich eifersüchtig sein?--

Ihre Arme halten mich umschlungen, ihre Augen funkeln.
Vor Verlangen? Oder weil sie hofft
dass ich mich ihr erkläre?

Ihre Finger wecken Lüsternheit in mir:
Ach Geliebte, wie sollt ich dir widerstehen?!--
Wolltest du es denn?-- 

Um einer Tanja willen? lache ich
und gebe mich bereitwilig
dem Spiel der Finger hin, die sie
auf meinem Körper keisen lässt.

Bald treiben wir der höchsten Lust entgegen
drängen unsre Leiber zueinander
stammeln  wir die Worte aller Liebenden.

Sie wünscht sich ein Kind von mir
mit schönen Augen, grün wie Edelsteine
und einer langen, runden Nase...

Wie romantisch du auf einmal wirst
werf ich ihr mit sanftem Tadel vor.
Ein Kind in diese Welt zu setzen, ist verrückt!-- 

Ach Dichter! Auf einmal willst du
vernünftig werden?
Ausgerechnet jetzt?—

Also trinke ich noch ein Glas Wein
presse gierig ihre Schultern in das Kissen
und denke an den Mann, der einst

den Abendhimmel hat gepriesen und das Saufen
dazu ein Leib im Hemd zum Raufen
in einem weichen, weißen Bett.

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Kommentare zu diesem Text

Caterina (46)
(23.07.08)
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 ManMan meinte dazu am 23.07.08:
Tut mir Leid, aber die letzte Strophe ist ein fast wörtliches Zitat aus Brechts Stück "Baal". Es ist ein ironisches Zitat. lg.Manfred
Caterina (46) antwortete darauf am 24.07.08:
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