Memento Mori

Kurzprosa zum Thema Alltag

von  Dieter_Rotmund

Als ich, von der Mühsal des Alltages ermattet, zu Hause angekommen auf mein Sofa sank und nach kurzer Zeit für eine halbe Stunde wegdämmerte, und danach zwar willig, aber nur langsam wieder wach wurde, mir eine Tasse starken, handgebrühten Kaffee machte und ihn auf der Veranda zu mir nahm, auf einem Gartenstuhl sitzend, und dabei ein Magnum-Eis der Sorte "Ecuador Dark" aß, schoß ein Vogel an meinem Kopf vorbei und prallte auf die hinter mir liegende Fensterscheibe, die Wucht des Aufschlags genügte, um ihn direkt vor meine Füße zu werfen.
Ich beobachtete ihn, wie er dort etwa eine Minute mit halb ausgebreiteten Flügeln auf dem Rücken lag und heftig atmete. Sein Brustkorb hob und senkte sich deutlich, während ich den letzten Rest des Kaffees trank. Er stellte dann das Atmen ein. Ich stand auf, darauf bedacht, nicht auf den toten Vogel zu treten und ging in die Küche, um die Tasse in die Spüle zu stellen und die Verpackung des "Ecuador Dark" wegzuwerfen. Beim Gang zu meinem Schreibtisch, an dem ich nun sitze und diese Zeilen schreibe, dachte ich daran, dass man den langsamen Tod von Tieren "verenden" nennt und dass, wenn man den Begriff auf Menschen verwendet, die Formulierung einen unangenehmen Beigeschmack bekommt.
Gestern war ich Schwimmen im Freibad.  In den Momenten, wenn ich zur Seite zur Liegewiese hin atmete, glaubte ich am Himmel ein von Wolken geformtes Gesicht zu sehen, das mich spöttisch anblickte.

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Kommentare zu diesem Text

Anima D. (39)
(26.01.09)
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Raissa (57)
(26.01.09)
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Elvarryn (36)
(26.01.09)
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giftpreisträger (50)
(27.01.09)
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 27.01.09:
Im Grunde bin ich, wenn wir ehrlich sind, daran gescheitert, obwohl ich lange daran gesessen habe, eine Anfangssatz zu schaffen, der von einer Bernhardschen Musikalität geprägt ist und somit flüssig zu lesen ist, der zudem noch einen Sprachsog erzeugt, ein Unterfangen, mit dem ich mich überschätzt habe.

"Scheinbar zusammenhangsarm...den Leser selbst überlassen" ist vielleicht etwas burschikos formuliert, trifft die Sache aber ganz gut, da es dieses "scheinbar" enthält, wobei "anscheinend" m.E. nocht treffender gewesen wäre.

Vielen Dank für die Empfehlungen!

P.S.: Manchen ist aufgefallen, daß ich hier neu bin. Könnte mir bitte jemand kurz erklären, wie ich meinen eigenen Text (und nicht einen Kommentar, wie hier geschehen) kommentiere. In dieser doch wichtigen Frage läßt uns/mich das FAQ-Board, wenn ich mal diesen leicht dämlichen Anglizismus verwenden darf, alleine.

 BrigitteG antwortete darauf am 31.01.09:
Ich habe ein Beispiel für einen langen, überbordenden Anfangssatz, den ich sehr mag:
http://www.keinverlag.de/texte.php?text=215406
Die Idee an sich finde ich nämlich gut, mit dem Satz, er ist für mich nur noch nicht extrem genug.
Ti_Leo (33) schrieb daraufhin am 05.03.09:
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eilika (33)
(11.02.09)
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 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 12.02.09:
Eilika, Du bist sehr nachsichtig!
Das ist lieb, aber es stimmt schon: Der erste Satz funktioniert leider nicht richtig und der erste Satz ist sehr wichtig. Für jeden Text.
Ti_Leo (33)
(05.03.09)
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RomanKurz (51)
(31.01.10)
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 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 01.02.10:
Danke, Kurzroman, für die Empfehlung.

Nun habe ich den Text nach längerer Pause wieder gelesen und muß sagen, dass der erste Satz/Absatz wirklich nicht sehr gelungen ist. Zuviel Pathos, wo eigentlich keiner sein sollte. Und dann dieses "handgebrüht"! Also entweder ich lasse es weg oder beschreibe das Kaffeekochen, aber doch nicht so ein albernes "handgebrüht"!
Graeculus (69)
(05.10.16)
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 06.10.16:
Mensch, da haste ja ganz alten Kram hervorgeholt...
RogoDeville (50) meinte dazu am 21.02.18:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 21.02.18:
Das ist weder privat noch autobigrafisch. Was nicht heissen soll, dass ich noch niemals ein Magnum-Eis aß oder Vögel beobachtete. Aber so wie geschildert trug sich das nie zu.

 Verlo meinte dazu am 15.11.21:
Aha. Hatte mich gewundert, daß der Vogel den Aufprall nicht überlebt hat.
MichaelBerger (44)
(16.03.19)
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 tueichler meinte dazu am 16.03.19:
Beim ersten Satz bin ich gleich über ‚Mühsal‘ gestolpert. Lt. Duden habe ich richtig vermutet, dass Mühsal feminin ist und es darum eher mit ‚Als ich, von der Mühsal des Tages ...‘ beginnen müsste.

VG Tom

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 16.03.19:
Danke fürs Beachten dieses uralten Textes.

 Willibald (16.04.19)
Das ist ein ungewöhnlich guter Text.
Zu Syntax, Rezeptionsführung und altväterlich anmutenden, gar nicht moribundem Duktus später mehr.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 16.04.19:
Danke, inzwischen schreibe ich jedoch kürzere Sätze und nicht mehr so salbungsvoll.

 Willibald (16.04.19)
Von "salbungsvoll" würde ich nicht sprechen. Dafür sind die Lesarten zu offen und zu wenig eingeengt: ernsthaft, kauzig, mementotraditionserinnernd, das Archiv der trivialen Gegenwartskulte mit der Eissorte nutzend und so eine Fallhöhe herstellend, in der aber die leichte Komik die ernsthafte Lesart und ihre religiösen Relikte nicht dementiert, sondern seltsam und bemerkenswert in der Schwebe gelassen werden.
Die Länge des behäbigen Einleitungssatzes mag gegen mainstream-Normen verstoßen, liefert aber das Profil dafür, dass der Nachsatz mit dem Scheibentod umso heftiger wirkt. Ganz allgemein: Die Geschichte der Grenzverschiebungen und Innovationen im literarischen Kanon ist lang. Und, Gottseidank, stellt sie uns einen Fundus zur Verfügung, in welchem das oft verlangte Kürzelstildogma nur ein Teil ist, dessen Traditionsverhaftung bei kurzschlüssigen Verdikten in seinem Namen eine gewisse Komik entwickelt. Lebendige Viefalt literarischer Register!
greetse
ww

Kommentar geändert am 16.04.2019 um 12:02 Uhr

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 16.04.19:
Hossa, das bringt mich zum Nachdenken!

 Willibald meinte dazu am 16.04.19:
Erfreuliche Wirkung eines vorsichtigen Kommentars ohne die oft angebrachte, aber manchmal zwanghaft anmutende Heiterkeit in diesem Genre.
nachdenklich. ww.

Antwort geändert am 16.04.2019 um 12:45 Uhr

 Teichhüpfer (16.04.19)
Wer weiß, Dieter_Rotmund, er ist für dich geflogen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 16.04.19:
Quatsch, lieber Teichhüpfer, Vögel sind einfach zu blöd!

 Teichhüpfer meinte dazu am 16.04.19:
Der ist fast besser als der Holzwurm

 FrankReich meinte dazu am 16.09.20:
Genau deswegen ist er ja auch für Dich geflogen, Dieter. 😂

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 16.09.20:
Der Text ist nicht autobiografisch.

 Manzanita (06.08.19)
Nur so:

Daß existiert schon seit über 20 Jahren nicht mehr.
Das solltest du aber wissen...

Manzanita

PS: Ich habe endlich einen Rechtschreibfehler bei einem Text von Dieter_Rotmund gefunden!!!

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 07.08.19:
Stimmt "Ecuador Dark" wurde aus dem Programm genommen, der Text ist in der Tat älter als Du. Die Diskussion zu diesem Text ist auch praktisch schon geschlossen

 Manzanita meinte dazu am 07.08.19:
Trotzdem könntest du diesen Fehler korrigieren.

Übrigens: Mein eigener Text "Lieber alleine" ist auch schon etwas älter (nur 1 Jahr).

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 07.08.19:
Der Mühsal-Fehler ist längst korrigiert.

 Xenia meinte dazu am 31.08.19:
Der erste Text von dir, der mir gefällt.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 31.08.19:
Danke für die Aufmerksamkeit (Fehler ist korrigiert) und das Lob, wobei ich sagen muss, dass ich heutzutage die Geschichte ganz anders erzählen würde.
Athene (57) meinte dazu am 17.01.20:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 17.01.20:
Geht mit selbst inzwischen auch so. Der Text ist ja sogar älter als das Einstellungsdatum, was keine Entschuldigung sein soll.

Schau' doch mal in die kV-Donnerstags-Teamkolumne rein, seit gestern steht dort Regenfeechen mit einer Gastkolumne, die freut sich sicherlich über einen kurzen Kommentar.

 Der_Rattenripper (10.02.21)
Hallo Dieter,

der erste Satz ist ein Bandwurmsatz der extra Klasse. Mach aus dem Satz zwei drei kürzere Sätze nur als Tipp von mir.

Ansonsten gern gelesen.

Schönen Gruß

Der Rattenripper

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 10.02.21:
Danke, aber an so alten Sachen, die mir fast peinlich sind, frickele ich nicht mehr rum. Der erste Satz ist halt Mist.
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