Kafka in Montreal

Parabel zum Thema Absurdes

von  AZU20

Eine geräumige Schalterhalle in einer Bank
Wände und Fußboden aus grauem Marmor
Vor mir ein endloser Gang
Ich gehe einige Schritte und schaue mich suchend um
Habe das Gefühl, verfolgt zu werden
Drehe mich um, doch niemand ist hinter mir her
Ich bin allein

Schlagartig ändert sich die Szene
Links und rechts aus den Seitengängen
Aus Aufzügen und Treppenhäusern
Tauchen Menschen auf
Aktentaschen in der rechten Hand, Aktenordner unterm linken Arm
Sie gehen, ohne den Blick zu mir zu wenden
Von rechts nach links oder links nach rechts
Alle im Gleichschritt
Alle im gleichen Tempo
Niemand biegt in meinen Gang ab
Alles spielt sich sekundenschnell vor mir ab
Ich gehe weiter
Hinter mir Stille
Am Ende des Gangs drehe ich mich um
Ich bin wieder allein

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Kommentare zu diesem Text


 ViktorVanHynthersin (09.09.11)
Banken (und Versicherungen) haben kafkaeske Züge... das muss wohl an ihrer Wesensart liegen )
Es grüßt Dich
Herr K.
(Kommentar korrigiert am 09.09.2011)

 AZU20 meinte dazu am 09.09.11:
Mir erschien das genauso. LG und danke

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 09.09.11:
Und wo bleibt Kanada???

 AZU20 schrieb daraufhin am 09.09.11:
Ich erlebte das halt in Montreal.LG

 Bergmann (09.09.11)
Ein Traum. Eigentlich mehr erzählt als lyrisch gedichtet. In der Tat: Montreal fehlt im Text.
Ein Traum in Zeitlupe, streng geformt, der Mittelteil ist in Wahrheit identisch mit Anfang und Ende: Alleinsein. So gesehen eine philosophische, eine existentialistische Parabel.
Gefällt mir sehr.
LG, Ihr UB

 AZU20 äußerte darauf am 09.09.11:
Ich danke sehr. Ich habe es so ähnlich in Montreal erlebt. Es passte zu der Stadt, fand ich. LG

 Bergmann ergänzte dazu am 09.09.11:
Ich denke, der Montreal-Bezug sollte im Text auftauchen - oder im Titel fehlen...

 AZU20 meinte dazu am 10.09.11:
Das sehe ich anders. Ich habe es dort erlebt, aber es könnte überall passieren. LG

 Lala (09.09.11)
Hallo AZU20,

 zuviel Brazil geschaut?

Montreal ist nicht falsch, es ist das Beste am Gedicht. Montreal ist nicht da. Montreal ist Bielefeld, Montreal liegt im Zentrum des Schlosses. Kommst Du nicht rein. Nein, auch Du nicht U.

Wenn Du, AZU20, sagst, so war das aber, Du seiest ja da gewesen und hättest es gesehen, wärst in den Kernel eingedrungen, dann bist Du AZU20 und nicht K. Egal. Es reicht,
dass Schlauberger, und Anhänger von Schlaubergern meinen, dass es nicht gut sei, wenn in einem kafkaesken Text im Titel etwas genannt werde, welches im Text nicht erklärt bzw. vorkommen würde. Supi Ding, oder?

C U in Peking. Ist bald Herbst. Empfehlenswert wegen seiner Schlichtheit, wegen seiner guten wiedergabe einer kafkaesken Szene, aber vor alllem wegen Montreal empfehlenswert.

Beste Grüße

Lala
(Kommentar korrigiert am 09.09.2011)
(Kommentar korrigiert am 09.09.2011)

 AZU20 meinte dazu am 10.09.11:
Ich danke dir. Nehme an, du meinst den Beginn des Films. Im übrigen stimme ich dir zu und danke dir. LG
chichi† (80)
(10.09.11)
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 AZU20 meinte dazu am 10.09.11:
Danke, so sollte es sein. LG

 EkkehartMittelberg (10.09.11)
Es ist schwierig, die Bedrohung in einem so kurzen Text spürbar werden zu lassen. Es ist gelungen.
LG
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 10.09.11:
Danke, Ekki. LG
stimulanzia (48)
(10.09.11)
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 AZU20 meinte dazu am 10.09.11:
Der Text hat dann erreicht, was in meiner Absicht lag. Mir ging es ähnlich.LG

 princess (11.09.11)
Hallo, lieber Armin,

allein sein. Sei es allein mit sich selbst oder allein unter anderen Menschen, von denen vielleicht auch jeder allein ist, das ist es, was ich hier spüre. Und vielleicht ist das sogar weniger absurd als wahr.

"Kafka in Montreal" ... mag ich.

Liebe Grüße, Ira

 AZU20 meinte dazu am 11.09.11:
Sicher beides. Danke und einen schönen Sonntag. LG

 styraxx (11.09.11)
Nun ist es aktenkundig, dass sich da einer alleine auf weiter Flur in Montreal in irgendeiner Schalterhalle wähnt, um diesen plötzlichen Szenewechsel zu erleben. Fast schon ein bedrückendes Bild wie die uniforme Menschenmenge hier spukhaft auftaucht und sogleich wie vom Erdboden verschluckt wieder verschwindet.
Die Menschenmasse hat was Bedrohliches. Doch es endet wie es angefangen hat und Kafka wähnt sich allein auf weiter Flur in Montreal. Ein interessanter Text (Parabel) der das Verhältnis zwischen Individuum und Masse aufzeigt. Es ist wohl kein Zufall, dass mir Elias Canettis „Masse und Macht“ immer wieder in den Sinn kam. LG

 AZU20 meinte dazu am 11.09.11:
Ich danke dir sehr und freue mich, dich zu solch interessanten Gedankengängen "verführt" zu haben. Canetti passt, wenn auch ...LG in den verregneten Sonntag
Lena (58)
(11.09.11)
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 AZU20 meinte dazu am 11.09.11:
Werde ich noch einmal lesen. Vielen Dank. Ja, der Sonntag ist im Gegensatz zum gestrigen Samstag höchst unerfreulich. LG
Mondscheinsonate (39)
(11.09.11)
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 AZU20 meinte dazu am 11.09.11:
Es freut mich, dass du es so siehst. LG und danke
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